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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

die Wohlthat möglichst vielen Bedürftigen zugänglich zu machen, darf jeder einzelne nur viermal in einem Monat das Gastrecht in Anspruch nehmen. – Möge die Privatwohlthätigkeit, die diese Anstalt geschaffen hat, nimmer erlahmen, und möge es dem Berliner Asylverein für Obdachlose vergönnt sein, seine menschenfreundlichen Bestrebungen immer weiter auszudehnen! F. L.     

In der Sammelhalle des neuen Männerasyls für Obdachlose in Berlin.
Nach dem Leben gezeichnet von A. Kiekebusch.

Ein merkwürdiges Summen in der Luft. Wenn man zur Sommerszeit, besonders an sehr warmen, heiteren und windstillen Tagen, sich fern von dem Geräusch menschlicher Wohnorte in der freien Natur befindet und ringsum völlige Stille herrscht, so vernimmt man sehr häufig ein leises Summen in der Luft, ähnlich demjenigen, welches durch summende Insekten hervorgerufen wird. Es dürfte wohl wenige geben, die unter solchen Umständen dieses Summen nicht schon gehört hätten, und sicherlich hat sich jeder auch dabei beruhigt, daß es wirklich von schwirrenden Insekten, ja von Mückenschwärmen hervorgebracht werde. Aber nicht nur auf freiem Felde, besonders über Wiesen, sondern auch im Walde kann man dieses sommerliche Summen vernehmen, zumal an Stellen, wo der Wald nicht allzu dicht ist. Niemals vernimmt man diese Töne dagegen an Flußufern oder gar auf dem Wasser, ebensowenig auf steinigen oder sandigen Flächen. Wenn man dieses summende Geräusch, wie gewöhnlich, Insektenschwärmen zuschreibt, so entsteht die Frage, wo sich dieselben befinden. Direkt wahrgenommen hat solche noch niemand, stets scheint das Summen aus einer gewissen Entfernung zu kommen, aber es ist ganz unmöglich, den Ort anzugeben, wo es entsteht. Die Insekten, welche es verursachen, müßten in ziemlicher Höhe über dem Boden schweben und ungeheuer zahlreich sein, wenn sie wirklich diese Töne verursachten. Wenn in der That ein summendes Insekt, eine Biene oder Fliege, sich dem Beobachter nähert, so erkennt er augenblicklich den gewaltigen Unterschied, der zwischen jenem leisen Summen in der Luft und dem Summen dieser Tiere besteht. Dazu kommt, daß viele Beobachter, darunter namhafte Naturforscher, sich große Mühe gegeben haben, die in der Luft schwebenden Insektenschwärme, welche as Summen verursachen sollen, aufzufinden, aber ohne jeden Erfolg. Wir müssen daher schließen, daß die wirkliche Ursache jenes seltsamen Geräusches eine ganz andere und uns noch völlig rätselhafte ist. – Vielleicht geben uns einige Erscheinungen, welche man nicht selten auf hohen Bergen beobachtet hat, Fingerzeige zur Erklärung. So bemerkten englische Touristen, die am 10. Juni 1863 die „Jungfrau“ bestiegen, daß in einer gewissen Höhe ihre Stöcke plötzlich lebhaft summten, ungefähr wie kochendes Wasser. Das Gleiche hatte schon früher der berühmte Naturforscher Saussure bei einer Bergbesteigung in Graubünden beobachtet. Er war damals von einem Hagelwetter überrascht worden und hatte Schutz unter einer Felspyramide gesucht. Nachdem der Stock angefangen hatte zu summen, bemerkte Saussure, daß sich auch seine Haare emporrichteten, und das Gleiche war bei seinem Begleiter der Fall. Die Luft war um diese Zeit gewitterhaft und ein ferner Donnerschlag mahnte die Bergbesteiger zum Aufbruch. Die Erscheinungen verloren sich, als die Reisenden in tiefere Regionen herabkamen. In diesem Falle handelt es sich entschieden um eine elektrische Erscheinung, um ein Ausströmen der Elektricität. Sollte ähnliches nicht auch bei dem sommerlichen Summen der Luft auf unsern Wiesen und in unsern Wäldern der Fall sein? Das Ausströmen von Elektricität aus einem Hälmchen ist freilich unhörbar, allein wenn solches Ausströmen aus Hunderttausenden von Spitzen geschieht, so kann dadurch gar wohl ein leises summendes Geräusch entstehen, dessen Ursprungsort eben deshalb nicht anzugeben ist. K.     

Ständchen aus luftiger Höhe. (Zu dem Bilde S. 221.) Seit acht Tagen liegt die „Anne Marie“ fest vertaut in dem Hamburger Segelschiffhafen. Die Ladung, Felle und Hörner, die sie vom La Plata geholt hat, ist gelöscht und friedliche Ruhe herrscht auf dem Schiffe. Heute aber feiert die Besatzung einen besondern Festtag. Von Rendsburg ist die Frau des Kapitäns herübergekommen und wohnt, so gut oder so schlecht es eben in den engen Kajütenräumen geht, mit ihrem Mann an Bord. Außer dem wieder vereinten Paar giebt es aber auf dem Schiffe noch einen überglücklichen Menschen. Das ist Fritz, der Decksjunge. Er hat seine erste Reise hinter sich, und daß er seine Lehrzeit zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten abgedient hat, ist ihm soeben klar geworden. Hat ihm doch der Kapitän heute versprochen, daß er ihn mit doppelter Gage als Leichtmatrosen wieder mitnehmen will. In dem Freudentaumel, der ihn erfaßt hat, will der Junge sich dankbar erweisen. Nach der Arbeitszeit klettert er flink in den Großtop, seine Ziehharmonika in der Hand, und bringt aus luftiger Höhe der Frau Kapitän ein Ständchen. So sitzt er und musiziert dort oben, ein echtes Bild froher Matrosenlust, bis die Stunde eintritt, von welcher an auf Grund der Hafenordnung „keine ruhestörende Musik“ ausgeübt werden darf.

Photographische Nachtbilder. (Zu dem Bilde S. 228.) Wie wunderbar, geradezu märchenhaft schön erscheinen uns oft Landschaften in der Nacht, namentlich wenn der Mond zwischen den Wolken hervorbricht und seine silbernen Strahlen auf Mauern und Felsen erglänzen läßt oder sie in Wasserflächen spiegelt. Die Maler waren wohl imstande, diese berückenden Stimmungsbilder auf der Leinwand festzubannen, die Photographen konnten die Aufnahmen von Nachtlandschaften erst in der Neuzeit versuchen, nachdem man gelernt hatte, lichtstarke Objektive und hochempfindliche Platten herzustellen. Aber trotz aller Fortschritte der Technik sind solche Aufnahmen mit vielen Mühen verbunden; ist doch das Mondlicht 300 000mal schwächer als das Sonnenlicht. So brauchte man auch anfangs 7 bis 9 Stunden zur Aufnahme einer Mondlandschaft, bis bei der Wahl besserer Platten und Objektive die Expositionszeit auf 2 Stunden und weniger verkürzt wurde. Das war ein unbequemes Arbeiten und die Photographen griffen darum zu einem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0227.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2020)