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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Dabei blieb’s. Die zwei Schwestern erlangten nach und nach in der Kunst zu reisen eine solche Virtuosität, daß sie mehr als einmal für Engländerinnen gehalten wurden.

Jedesmal wenn wieder eine Taufe in Aussicht stand, kamen sie nach Velice zurück und fanden ihr Zuhause immer aufs liebevollste gepflegt und aufs schönste zu ihrem Empfange geschmückt. Eine freudige Ueberraschung war es für sie, nach der Geburt Josephs, Frau Apollonia Budik als oberste Leiterin im Kinderzimmer angestellt zu finden. Ihr Mann war in den letzten Jahren völlig schwachsinnig geworden, und ihre Stieftöchter hatten sie vor die Thür gesetzt. Sie blieb ihnen zeitlebens dankbar dafür; sie hatte nur heimzukehren, nur einige Wochen im Schlosse zuzubringen gebraucht, um das Vertrauen Frau von Kosels zu erringen und von ihr in das verantwortliche Amt eingesetzt zu werden, das sie vortrefflich verwaltete.

Auch bei der Taufe der armen Kleinen waren die zwei Tanten zugegen gewesen und hatten dann für noch längere Zeit als gewöhnlich Abschied genommen. Der Ehrgeiz, auch fremde Weltteile kennenzulernen, war in ihnen erwacht. Eine Pilgerfahrt nach Jerusalem bildete den Schluß ihrer größten Reise. Und dort lagen sie vor dem Heiligen Grabe auf ihren Knien, im heißen Gebete für die Ihren, zur selben Stunde, zu der im Garten von Velice das Leben erlosch, auf das sie alle Segnungen des Himmels herunter flehten.

(Fortsetzung folgt.)




Im Haselnußstrauch.

Im Haselnußstrauch ist Hochzeit heut’;
Schon prangt sein dunkles Geäst
Im blütenschimmernden Feierkleid –
Herbei, ihr Gäste, zum Fest!

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Und ob’s auch da draußen noch märzenkühl –

Vom Sonnenstrahle geweckt
Manch Mücklein flattert freudig herzu
Und findet den Tisch hier gedeckt.

In braungeringeltem Sammetpelz

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Frau Hummel nun summt herbei,

Manch Käferlein auch, manch Immelein,
Das selig sich träumt in den Mai.

Mit leuchtenden Schwingen vom Walde naht
Ein Falter als letzter Gast;

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Das Hochzeitscarmen ein Vöglein singt

Hernieder vom Tannenast.

Und sieh, da putzt sich voll froher Lust
Mit schimmernden Löckchen der Strauch,
Und aus dem Gelock es golden stäubt,

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Verweht von des Windes Hauch.


Und drunter, gar winzig und rosenzart,
Ein Kelchlein an jedem Zweig:
Die haschen den goldenen Blütenstaub
Und betten ihn lind und weich,

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Bis drinnen es heimlich und wundersam

Sich leise zu regen beginnt,
Bis keimendes, knospendes Leben warm
Sich schaukelt im Maienwind,

Bis unter dem samtenen Sommerlaub

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Es wachsend sich dehnt und drängt,

Bis raschelnd im Herbste Zweig an Zweig
Voll goldener Nüsse hängt.

 Franz Bechert.[1]


  1. Vom Verfasser dieses Gedichts, der als Kürschnermeister dem Handwerkerstand angehört, hat die „Gartenlaube“ schon wiederholt poetische Beiträge veröffentlicht, welche, wie das vorstehende, sich durch eine sinnige Naturbetrachtung auszeichnen.




Ein Kriegsrat im Jahre 1809.

Ein Erinnern und Plaudern von Peter Rosegger.
(Mit dem Bilde S. 200 und 201.)


Was ist im Menschen natürlicher und mächtiger, die Liebe zur Nation oder die Liebe zur Heimat? – Diese Frage giebt zu denken. Die Nomadenvölker einer früheren Kultur lehren das erstere, die neueren Kulturvölker das letztere. Wenn der heutige Mensch die Heimatsscholle verlassen könnte, um sich seiner Nation örtlich anzuschließen, so wären unsere nationalen Fragen durch geographische Verschiebung der Völkerschaften lösbar.

Eines der gewaltigsten Beispiele von der Liebe zur heimatlichen Scholle und zur Freiheit in den alten Sitten des Landes haben ja die Tiroler geliefert in ihrem großen Befreiungskämpfe gegen die Bayern und Franzosen. Nicht so sehr die politische Seite, als vielmehr die Opferlust für die alte freie Heimat hat diesen merkwürdigen Kampf so menschlich groß gemacht. Von den drei Zündfunken: Gott, Kaiser und Vaterland war sicher letzterer der mächtigste. Selbst der Fremde, der heute nach Tirol kommt, begreift es, wie man für dieses wunderbar herrliche Land sein Leben lassen kann, und wäre es auch nur durch einen touristischen Sturz vom Felsen. Und erst, wenn es das Vater- und Mutterland ist! Das Land des alten Gottesglaubens, der süßen Jugenderinnerungen, der herben Arbeit, der redlichen Besitztümer und der teuren Gräber! –

In entlegener Almhütte haben sie sich versammelt, Anderl, der Sandwirt, der rotbärtige Kapuziner, der Seppel vom Rinn, Peter der Mahrwirt und andere. Bauern, Hirten, Pferdehändler, aber auch Beamte und Lehrer waren herbeigeeilt, um Rats zu pflegen. Die Bayernherrschaft im Lande, behaupteten sie, sei nicht mehr auszuhalten. Gar in Haus und Kirche mische sie sich drein und wolle alten Landesbrauch abbringen und fremde Sachen einführen überall. Man könne nicht einmal mehr beten, schon darum nicht, weil die gefalteten Hände sich immer zur Faust krampften. Aber den „Boarn-Klacheln“ würde man noch den Herrn zeigen; sie hätten nichts zu suchen in Tirol. – Ein Netz von Vertrauensmännern war schon seit langem gespannt gewesen durch das Land, vom Inn bis zur Etsch, von der Trisana bis zur Drau. Die Post- und Landwirtshäuser waren zu diplomatischen Kammern geworden; auf grünen Almen hatten sie unter dem Vorwande des „Scheibenschießens“ ihre Kampfübungen abgehalten, in den Heuscheunen die Waffen verborgen, in den Felshöhlen ihr Pulver versteckt. So gerüstet, konnten sie schon herausfordernd auftreten gegen die „fremden Zodeln“, die als Beamte mit starker Soldatenbesatzung sich niedergelassen hatten, um das von Bonaparte ihnen hingeworfene Alpenland zu regieren. Diese Herren zogen also die Ketten strammer, ließen jeden Versammlungsort, selbst die Gotteshäuser, mit Bütteln bewachen und drohten mit schärferer Besetzung des ganzen Landes durch bayrische und französische Truppen.

„Sollen nur kommen!“ sagte Peter, der Mahrwirt, jetzt in der Almhütte.

Der Sandwirt setzte bei: „Im Namen des heiligen Herzens Mariä, wenn’s Ernst wird, rucken wir aus.“

War ein alter Kohlenbrenner da, der wackelte mit dem Kopf – es sei eine bedenkliche Sach’! „Was werden wir armen Bergleute ausrichten gegen die wilden Boarn, gegen den grauslichen Bonaparte! Unser Herrgott weiß es –“

„Daß du ein feiges Luder bist!“ unterbrach ihn ein klobiger Hirte. „Geh du zu deinem Kohlenhaufen, ist gescheiter. Wo Männer zusammenkommen, hast du nix zu thun.“

„Ah na,“ antwortete der Alte, „fortschaffen laß ich mich nit. Ein Tiroler bin ich wohl doch!“

Jetzt kam ein Bauer aus dem unteren Innthal an – rasch, hastig trat er ein. Er wußte Neuigkeiten. – Bei Kufstein und durch den Paß Strub seien bayrische und französische Truppen eingebrochen, thäten sengen und brennen, daß es ein Graus ist! Kein Haus und kein Mensch sei vor ihnen sicher. Die Tabernakel

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0202.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)