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Photographie im Verlage von Franz Hanfstaengl in München.
Dämmerstunde.
Nach dem Gemälde von A. Koester.

Dämmerstunde. (Zu obenstehendem Bilde). Vom Morgen zum Mittag und vom Mittag zum Abend hat die fleißige Bregenzerwälderin ihre Hände unermüdlich am Stickrahmen gerührt; es gilt, einen großen reichgemusterten Vorhang fertig zu machen, und sie ist die geschickteste Stickerin unter den vielen zu Hause arbeitenden Frauen und Mädchen im Dorfe. Nun aber darf sie ein Weilchen rasten, bis der Tag vollends sinkt und die Arbeit bei der Lampe weiter geht. Die Hände in dem Schoß gefaltet, den Kopf ans Fenster gelegt, so genießt sie unbewußt den stillen Frieden ihres warmen Stübchens und spinnt sich in Gedanken einen Faden aus der gedrückten arbeitsreichen Gegenwart in bescheidene Hoffnungen und Zukunftsbilder hinein. Man sieht es ihrem Sehnsuchtsblick an: es dürfte einer da sein, der fern ist, und wenn er da und ihr eigen wäre, dann wollte sie freudig weiter schaffen, unermüdlich den ganzen langen Tag, und sich gewiß über nichts mehr beschweren. Nein, ganz gewiß nicht – aber da sein müßte er halt! …

Magnetisch gewordene Uhren und ihre Heilung. Die Anzahl der Uhren, die den Dienst versagen, weil einzelne ihrer Teile magnetisch geworden sind, ist nicht gering. Da wird es denn ein Trost für alle Besitzer solcher erkrankten Uhren sein, daß man auch diesem Schaden jetzt mit verhältnismäßig leichter Mühe vermittelst einer Entmagnetisierungsmaschine abzuhelfen versteht. Der nach Angaben des Redakteurs der „Deutschen Uhrmacher-Zeitung“, W. Schultz in Berlin, gebaute Apparat, der sich im Besitze des deutschen Uhrmacherbundes befindet, beruht auf folgendem Prinzip: ein magnetischer Gegenstand verliert seinen Magnetismus, wenn man ihn in den Mittelpunkt der von einem stärkeren Magneten ausstrahlenden Kraftlinien bringt, ihn hier in rasche Drehung versetzt und zugleich den auf ihn einwirkenden Magnetismus langsam abschwächt und zuletzt auf Null reduziert. Zur Ausführung dieser Idee dient in unserem Falle eine kleine, einer Uhrmacherdrehbank ähnliche Maschine, auf welcher die Taschenuhr im genauen Mittelpunkt der Drehungsachse eingespannt und in sehr schnelle Rotation gesetzt wird. Es ist dabei große Vorsicht und die Stützung der feinsten Mechanismen, wie z. B. der „Unruhe“, durch untergelegte Papierblättchen u. dergl., nötig, um die Taschenuhr bei der schnellen Rotation von 600 bis 700 Touren in der Minute vor anderweitigen Verletzungen zu bewahren. Der rotierenden Uhr gegenüber und in ihrer nächsten Nähe stehen die Pole eines von zwölf galvanischen Elementen erregten Elektromagneten. Eine mechanische Übertragung zwischen der Rotationsachse und dem Elektromagneten bewirkt, daß sich der letztere bald nach dem Beginn der Rotation ganz allmählich von der Uhr entfernt, bis nach einigen Minuten seine Kraft aufhört, auf sie zu wirken; jetzt hat auch die Uhr selbst ihren Magnetismus verloren und ihren normalen Gang wiedergewonnen. Die ersten, freilich erst nach langen, mühseligen Versuchen gelungenen Resultate dieser Methode bewirkten einen starken Zulauf aller Uhrmacher, denen magnetisch gewordene Taschenuhren zur Behandlung übergeben waren, zur Entmagnetisierungsstelle des deutschen Uhrmacherbundes in Berlin (Jägerstraße). Vier Monate nach der etwa zu Beginn des vorigen Jahres erfolgten Aufstellung der Maschine waren dem Bureau 86 Uhren zur Heilung übergeben worden, und insgesamt mag sich die Zahl der bis jetzt an dieser Stelle und zwar völlig unentgeltlich behandelten Uhren auf 200 Stück belaufen. Jetzt hat man den Apparat, da sein Betrieb in den Thätigkeitsrahmen des Uhrmacherbundes nur wenig hineinpaßt, anderen bewährten Händen übergeben müssen. Bw.     

Kindersymphonie. (Zu dem Bilde S. 192 und 193.) Alte fröhliche, ewig junge Symphonie des guten Vater Haydn! Ueber hundert Jahre sind es, daß ihm das Getöse eines Jahrmarkts mit seinem tollen Kinderlärm von Trompeten, Knarren und Rasseln den Gedanken der lustigen Komposition eingab. Er trug ein ganzes Septett der kostbaren Instrumente in den Rocktaschen heim, schrieb ein paar reizende Allegro- und Andantesätze für Cello und Violinen und verwebte alles hinein, was ihm auf dem Jahrmarkt in die Ohren gequiekt, geflötet und geklappert hatte. Sein kleines sonst so virtuoses Esterhazysches Orchester, das er ernsthaft zu „einer eiligen Probe“ hatte berufen lassen, konnte diese Komposition kaum spielen und warf wiederholt vor Lachen um; aber als die „Kindersymphonie“ in die Welt hinausging, erregte sie allgemeines Entzücken, und heute, nach einem ganzen Jahrhundert, ist sie ein Liebling der musikalischen Jugend. Wer von uns hätte sie nicht einmal gehört oder gar in glücklichen Jugendzeiten selbst dabei mitgewirkt, wie alle die hübschen Blond- und Braunköpfe hier, die uns der Künstler im festlich erleuchteten Gesellschaftsraume vor einer lauschenden Versammlung zeigt? Sie wenden die Blicke voll ängstlicher Achtsamkeit nach ihrem jugendlichen Kapellmeister, denn Triangel, Schellenbaum, Knarre, Wachtelschlag und Kuckucksruf sind doch sehr wichtige Bestandteile des Ganzen und dürfen beileibe nicht an unrechter Stelle ertönen! Die größeren Spieler handhaben ihre Geigen und Bratschen bereits mit Sicherheit, sie wissen, daß auf ihnen das Gelingen der Symphonie ruht, und haben soeben die schwerste Stelle glücklich überwunden. Zahllose Male hat der junge Dirigent, der talentvolle Sohn des Hauses, in den Proben an dieser Stelle abklopfen müssen; nun atmet er erleichtert auf und mit ihm sein Lehrer, der rechts dort an dem Pfeiler lehnt. Besteht das Publikum

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 195. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0195.jpg&oldid=- (Version vom 8.9.2022)