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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

suchten, war der am Leipziger Stadttheater als Sekretär Angestellte zuerst an die Oeffentlichkeit getreten als Führer und Sprecher einer Deputation, welche den Vertriebenen ihre Huldigung darbrachte.

Jetzt ward er Schriftführer in dem Festausschuß, welcher mit der Vorbereitung einer großen Säkularfeier der Erfindung der Buchdruckerkunst in Leipzig betraut war, jenes großen Gutenbergfestes, das dann wirklich vom 24. bis 26. Juni 1840 in der Hauptstadt des deutschen Buchhandels gefeiert wurde.

König Ernst August von Hannover.

In Mainz, dem Geburtsort Gutenbergs, hatte schon 1837 ein ähnliches Fest stattgefunden; dort war Blum bei seiner Anwesenheit am Rheine im vergangenen Herbst in Gesellschaft von Itzstein, dem geborenen Mainzer, gewesen. Nun ließ er es sich angelegen sein, daß der Verlauf des Leipziger Festes sich zu einer großartigen Kundgebung des Verlangens nach Denkfreiheit und Freiheit der Presse gevon Hannover. staltete. Und noch im gleichen Jahre rief er zu Schillers Geburtstag eine Schillerfeier ins Leben, die ihm Gelegenheit bot, den Dichter des „Carlos“ und „Tell“ als den Propheten der patriotischen Ideale des lebenden Geschlechts zu feiern, und welche von nun an alljährlich wiederholt wurde. Politische Feste, politische Vereine waren verboten; so mußten Gedenktage litterarischer Art den politischen Zwecken dienen. Folgte Blum als Veranstalter einer volkstümlichen patriotischen Schillerfeier einem von Württemberg gegebenen Beispiel, wo die von Albert Schott gegründeten Stuttgarter Schillerfeste in ähnlicher Weise wirkten, so lernte er von den badischen Liberalen die Kunst, in Formen scheinbar harmloser Geselligkeit die politischen Gesinnungsgenossen zu organisieren.

Für all diese politische Regsamkeit bot das Jahr, 1840 aber auch einen Spielraum, der noch im Jahre vorher von niemand erhofft worden war. Wieder war es eine von Frankreich drohende Kriegsgefahr, welche einen kurzen Umschwung der deutschen Zustände bewirkte. Thiers entfesselte, um sich populär zu machen, einen gehässigen Preßfeldzug gegen Deutschland: die linke Rheingrenze ward in herausfordernden Wendungen reklamiert. Da sah man es an den Höfen wieder einmal vorübergehend gern, wenn die Deutschen sich als Deutsche fühlten; Beckers „Rheinlied“ trug dem Dichter vom König von Preußen ein Ehrengeschenk ein. Es war ein neuer König, der es verlieh. Nicht mehr der sanftmütige, altersmüde Mitbegründer der Heiligen Alliance, der sich von Metternich all die Zeit daher hatte nachgiebig gängeln lassen. Am 7. Juni 1840 hatte sein Sohn Friedrich Wilhelm IV den stolzen Thron der Hohenzollern bestiegen, von ungeduldigen Hoffnungen aller Vaterlandsfreuude begrüßt.

König Friedrich Wilhelm IV von Preußen.

Bestimmt erwartete man allgemein im Volke, daß er die von seinem Vater wiederholt versprochene Verfassung dem Staate Preußen nun verleihen werde. Und wirklich schienen die Erwartungen sich bald bestätigen zu wollen: die ersten Handlungen des neuen Königs waren liberal: er erließ eine Amnestie für alle politisch Verurteilten und Verfolgten; er verordnete eine mildere Handhabung der Censur; die Brüder Grimm berief er nach Berlin, Arndt und Dahlmann bot er in Bonn wieder ein Lehramt; er ließ Andeutungen laut werden, daß er einen Ausbau der Landesverfassung plane.

Was in weiten Kreisen der Nation an Hoffnungen sich regte, fand Wort und Klang in den Liedern begeisterter Dichter, welche die schmetternden Weckrufe ihrer Lyrik lerchengleich in die Morgenröte der vermeintlich schor tagenden neuen Zeit erschallen ließen. In des Hannoveraners Hofsmann von Fallersleben „Unpolitischen Liedern“, in des Schwaben Georg Herwegh „Gedichten eines Lebendigen“, in des Hessen Dingelstedt „Liedern eines kosmopolitischen Nachtwächters“ sprach sich neben der Empörung über die noch herrschenden Zustände voll Frühlingsstimmung die Zuversicht auf eine baldige Wiedergeburt des Vaterlands im Zeichen der Freiheit aus. Mit einer Antwort auf Beckers „Sie sollen ihn nicht haben“ trat der junge Robert Prutz in Halle, ein Stettiner, ins Feld; in seinem Gedichte „Der Rhein“ führte er aus, daß vom „freien deutschen Rheine“ nur dann erst mit Recht gesungen werden dürfe, wenn Dentschlauds Fürsten und Völker auch selbst wahrhaftdeutsch und frei wären!

Prutz    Hoffmann von Fallersleben    Freiligrath
Kinkel    Dingelstedt    Herwegh

Hoffnungsvoll blickten auch die Vaterlandsfreunde, die in Hallgarten zusammenkamen, auf den mächtigen Staat Friedrichs des Großen, von dem einst nach Deutschlands tiefster Erniedrigung unter dem Scepter Napoleons der patriotische Aufschwung der Nation seinen Ausgang genommen. Sie fühlten sich in ihren Erwartungen bestärkt, als auch in ihren Ländern das preußische Beispiel der Presse zu gute kam.

Wieder traten größere Zeitungen mit liberalen Programmen ins Leben, durch welche die Forderung der Bundesreform weithin Verbreitung fand. Eine Reise, die Welcker im Herbst 1841 nach Berlin und von da nach Hamburg unternahm, wurde zu einem Triumphzuge der von ihm so mannhaft verfochtenen Ideale. Ueberall, wo er sich aufhielt, war er Gegenstand von Ovationen; Sängervereine, Studenten brachten ihm Ständchen: Politiker und Schriftsteller, die in ihm einen Führer verehrten, veranstalteten ihm Bankette. In Berlin sprach er bei einer solchen Gelegenheit in feierlicher Anrede

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0062.jpg&oldid=- (Version vom 17.4.2023)