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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Allerlei alte Biere.

Wer eifrig alte Chroniken studiert, wird oftmals in Staunen darüber versetzt, daß man im Mittelalter Wein selbst in Gegenden baute, in welchen auch in normalen Jahren die Beeren so hart wie Flintenkugeln geblieben sein dürften. In ganz Norddeutschland wurde der Weinbau betrieben und selbst der Wein der Stadt Thorn in Westpreußen erfreute sich einst großen weitverbreiteten Rufes. Man darf nun aber nicht glauben, daß die Trinker diese Sauerampfer mit Todesverachtung hinter die Binde gegossen haben; sie wußten sich zu helfen. Sie mischten dem sauren Weine Honig bei, um ihn süß und genießbar zu machen, und setzten ihn mit Gewürzen und Spezereien aller Art, mit würzigen Kräutern und aromatischen Früchten an, um seinen Wohlgeschmack zu erhöhen. Und ein solch zurechtgemachtes Getränk ließen sich die mittelalterlichen Trinker ebensogut schmecken wie wir uns eine Bowle, bei welcher auch ein geringer Wein zu Ehren kommt.

Aehnlich, wenn auch nicht ganz so, verfuhr man in früheren Jahrhunderten mit den Bieren. Diese waren auch nicht immer gut und ließen oft zu wünschen übrig, was von den „Bierkiesern“ schmerzlichst empfunden wurde. Da half man sich nun ebenso wie man sich bei dem sauren Wein geholfen hatte. Roch ein Bier unangenehm nach dem Fasse, so wurden Reinfarnkraut, Wacholderbeeren, Heiligengeistswurzel, rote Benediktenwurzel und drei frische Eier in das Faß gehängt oder gelegt: „es half“. Um das Sauerwerden des Bieres zu verhindern, hing man Lindenblätter, Nußblätter, Beifuß und Wermut in dasselbe. Damit ein Bier lieblich zu trinken sei, wurde empfohlen, ein halbes Pfund der schon erwähnten roten Benediktenwurzel mit wildem Salbei darein zu hängen; lieblicher Geruch und Geschmack wurden ihm durch ein Säcklein Violwurz oder gestoßene Gewürznelken und gedörrte zerschnittene Lorbeern verliehen. „Ein schmackhaft und männlich Bier“ ward gewonnen durch Beisetzung von Hartenhayn, im Mai gesammelt. Füllte man ein Faß, in welchem vorher Beerwein gewesen, mit Bier, so bekam dies einen Weingeschmack „und ward schön lauter und gar zu gut zu trinken“.

Diese Biere wurden also verbessert, um sie genießbarer zu machen. Aber man machte auch aus guten Bieren Kräuterbiere aller Art, die dann den doppelten Zweck hatten, den Durst zu stillen und den ans Bier gewohnten Trinkern, die mit irgend einer Krankheit belastet waren, gleichzeitig als Arznei zu dienen.

Sehr stattlich war die Reihe dieser Kräuterbiere. Das Rosmarinbier sollte alle vornehmsten Glieder des Körpers, „das Herz, Gehirn und die Geister“, stärken und kräftigen, gegen Verstopfung helfen, Appetit erregen und war „ausbündig gut den Melancholicis“. Letzteren wurde auch Hirschzungenbier empfohlen, das auch jenen, die an der Milz litten oder das Quartanfieber hatten, trefflich gut sein sollte. Das Scordienbier half wider Kolik, Grimmen, Lungen- und Lebergebrechen und kalten Magen. Das Lavendelbier stärkte Haupt, Rückgrat und Nerven. Es wird auch bezeichnet als „ein köstlich Ding wider den Schlag, schwere Gebrechen, Gicht und Lähme“. Melissenbier sollte aus traurigen melancholischen Menschen fröhliche Leute machen, das Herz und die lebendigen Geister stärken, den Frauen sehr gesund und nützlich sein. Auch das Nelkenbier stärkte das Herz, das Gehirn, alle Glieder und den Magen und galt als „gut vor alle kalten Krankheiten des Haupts“. Es scheint, daß alle Kräuter, welche das Volk zu Arzneien gebrauchte, auch zum Würzen der Biere verwendet wurden. Es gab dann auch noch Biere, die nicht mit einem einzigen, sondern mit einer Anzahl von Kräutern angesetzt wurden; von diesen sollte man meistens morgens und abends einen starken warmen Trunk thun.

Einige Biere, die mit nicht weniger als zehn Kräutern präpariert waren, sollten vorzüglich gegen innerliche Wunden sein. Sollte einer seinen Magen „mit Wassertrinken verletzt“ haben, so wurden ihm gestoßene Zimmetrinden in warmem Bier empfohlen. „Wer des Tages weit gereiset und sich sehr übergangen hätte, der wasche die Schenkel mit warmem Bier, das ziehet die Müdigkeit alle aus, nicht allein den Menschen, sondern auch den Pferden“ etc. Es brauchte einer daher nur zur richtigen Zeit die verschiedenen Biere anzuwenden, und er war von allen Leiden befreit.

Nach der Meinung der Alten waren viele Biersorten schon in gewöhnlichem Zustande ohne jede Kräuterzuthat der Gesundheit des Menschen sehr förderlich. Dem seiner Zeit weitberühmten Hamburger Bier wurde nachgesagt, daß es wohl nähre, gut Geblüt mache und „eine schöne subtile glatte Haut“ dem bringe, der sich öfters damit wasche. Es diente also auch als kosmetisches Mittel! Aber nur bei äußerlichem Gebrauche. Denn dem, der zuviel desselben genoß, brachte es „ein kupfern Gesicht“. Auch das Goslarische Bier nährte, wärmte und brachte gut Geblüt; im Alter schmeckte es wie Wein. Man machte gar gute gesunde Suppen davon, die wie Weinsuppen schmeckten. „Wann Einer das Fieber hat, so ist demselbigen Menschen kein Bier lieber und angenehmer, ja auch gesunder als das Eimbeckische Bier.“ Das Brandenburger Bier machte faule, schläfrige Leute, woher es seinen Namen „der alte Claus“ haben sollte – „ist aber sonsten ein gut Bier“. Das Spandauer Bier machte ruhig und sanft schlafen, das Boytzenburger aber machte toll im Kopf und hieß daher „Bit den Kerl“, d. h. „Beiß den Kerl“. Das Danziger Bier ward die Königin aller Gerstenbiere genannt wegen seiner Stärke, seines guten Geschmacks, seines Temperaments etc. Dem Breslauer Bier oder Schöps wurde große Nahrhaftigkeit nachgesagt; es machte die Leute dick und fett. Das Naumburger Bier wird als besonders zu Kräuterbieren verwendbar gerühmt. Das Zerbster Bier war ob seiner Güte hoch gepriesen und namentlich bei Edelleuten und Studenten sehr beliebt:

„Zerbster Bier und Rheinischer Wein,
Darbei wollen wir lustig sein.“

Dem Biere beinahe jedes einzelnen Ortes wurden besondere Eigenschaften zugeschrieben, die auch Veranlassung zu besonderen, oft recht drastischen Namen derselben gaben. Das Wittenberger Bier hieß z. B. „Kuckuck“, das Wernigeroder „Lumpenbier“, das der Stadt Halle a. S. „Puff“, das Kyritzer hatte den bedenklichen Namen „Mord und Totschlag“, der später in den erfreulicheren „Fried und Einigkeit“ umgewandelt wurde etc. Da die Deutschen es für nötig hielten, bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten zu trinken, so erhielt das Bier auch hiervon mancherlei Benennungen; es ward Pfingst-, Ernte-, Hochzeits- und Kindtaufsbier, Meister- und Gesellenbier, auch Kirchweihbier genannt. Manche dieser Biere kennt auch die Gegenwart, doch steht namentlich das letztere nicht in bestem Rufe. Um dieses trinkbarer und zuträglicher zu machen, soll noch vor einem halben Säculum von den Gästen in das Bier eine Muskatnuß gerieben worden sein, die der ehrbare Bürger mitsamt dem Reibeisen mit in die Kneipe nahm, um hier den letzten Ausläufer der sogenannten Kräuterbiere herzustellen. Hans Bösch.     


Ein Sommernachtstraum.

Novelle von Arthur Servett.

     (Schluß.)

6.

Vor Rupert und seiner Begleiterin lag die Schloßruine in jener melancholischen und zugleich erhebenden Größe, die nie so ergreifend wirkt wie in der feiernden Stimmung des Sommerabends. Grünende Wälder umrauschten sie, eilende Wolken zogen über sie dahin, der scheidende Tag umfing sie mit seinem dämmernden Licht, und verjüngt von seinem rosigen Schein, glühte sie hinunter von ihrer einsamen Höhe ins ferne Thal.

Welch ein hehrer Zeuge der Geschichte von über sechshundert Jahren! Zerrissen von Stürmen und Wettern, zerklüftet, verwundet, vernarbt überall. Aber lebendiger Epheu grünte an den klaffenden Wunden empor und deckte die Narben wie unsterblicher Lorbeer. Und wie ein tausendfaches Diadem senkte die leuchtende Sonne ihre Abendstrahlen auf ihr Haupt und hüllte ihre unsterbliche Schöne in ein Siegerkleid von Purpur und Gold.

Das Fräulein stand wie in tiefe Andacht versunken. Ihre Hände waren gefaltet, sie wagte kaum den Fuß vorwärts zu setzen, endlich folgte sie Rupert, der langsam vorangeschritten war.

Sie machten einen kurzen Rundgang durch das Schloß. Vieles von den seltenen Schönheiten des Stiles und der Ornamentik entzog ihnen die zunehmende Dämmerung, vieles zeigte sie ihnen um so schöner, besonders da, wo die letzten Sonnenstrahlen die Gegenstände voll noch trafen und nun der Gegensatz in den Farben der grauen Körper der Statuen und des roten Sandsteines der Fassade zu jener Wirkung gelangte, die in ihrer satten Stimmung nur das Abendlicht hervorzubringen vermag.

Sie stiegen hinunter zum großen Faß und Rupert erzählte seiner Gefährtin all die Märchen und Sagen vom Zwerg Perkeo; sie schauten empor zu dem gesprengten Turm, aus dessen Ritzen versöhnende Blumen sprossen, auf dessen Plattform Bäume ragen; sie blickten hinab in den Burggraben, wo einst die Löwen lustwandelten, welche die Kurfürsten ihrem Wappen zu Liebe zähmten und hegten, und wo jetzt Hunderte von gefiederten Sängern ihre Sommerresidenz aufgeschlagen hatten und ihre weichen süßen Schlaflieder empor zum Abendhimmel sandten.

Dem Fräulein war das alles wie ein Traum, als wäre die Ruine ein Zauberschloß, in das sie gebannt, und sie eine Prinzessin aus alten Zeiten, als wandele sie mit ihrem Ritter durch seine stillen Räume. Und die Löwen traten an sie heran und schmiegten sich an ihren Schoß, und sie streichelte ihre Mähnen, und sie nahmen das Futter aus ihrer Hand und legten sich wedelnd vor ihr nieder. Und die Bäume rauschten darüber hin, und die Vögel sangen dazu.

„Wie schön ist es hier!“ Sie sagte es leise zu sich selber, gleich als fürchtete sie, daß ein lautes Wort den Traum und sein holdes Glück zerstören möchte.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0052.jpg&oldid=- (Version vom 22.4.2024)