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Kanalnetze dahin. Da geht es denn zur Hauptstadt des Oberspreewaldes, dem durch seine Gurken und Meerrettiche weitbekannten Lübbenau, oder auch nach den malerischen Spreewalddörfern Straupitz, Lehde und Leipe, wo abends beim Spiele der Musikanten ein flotter Tanz den Schluß des genußreichen Sonntags bildet. A. T.     

Ernst Kraus. (Mit Abbildung.) Nicht allen Künstlern ist es vergönnt, sogleich bei der ersten Berufswahl das Ziel ins Auge zu fassen, auf das ihre besondere Begabung sie hinweist. So hat die Geschichte der Bühne von vielen zu berichten, die erst auf dem Umweg durch einen anderen Beruf zu dem Entschlusse gelangten, ihr Leben der Kunst zu widmen. Auch der neuerdings in kurzer Zeit zu Ruhm gelangte Heldentenor Ernst Kraus, der seit anderthalb Jahren der Berliner Hofoper angehört und inzwischen zum erklärten Liebling des Publikums der Reichshauptstadt wurde, mußte dieses Schicksal erfahren. In Erlangen geboren, hatte er sich anfangs dem Kaufmannsstande gewidmet. Er besuchte die Münchner Gewerbeschule und trat dann in ein Geschäft als Lehrling ein. Unbefriedigt von dieser Thätigkeit, gab er dieselbe nach kurzer Zeit auf; er besuchte nun zwei Jahre lang die Brauerakademie in Worms, worauf er nach München zurückkehrte und dort den neuen Beruf im Bürgerlichen Bräuhaus auszuüben begann. Ein günstiges Geschick fügte es, daß jetzt der bayrische Kammersänger Schuegraf auf die herrliche Tenorstimme des jungen Brauereitechnikers aufmerksam wurde. Die Folge war, daß Ernst Kraus von dem damaligen Generalintendanten des Münchner Hoftheaters v. Perfall die Aufforderung erhielt, vor ihm Probe zu singen. Dadurch gewann auch Heinrich Vogl, der meisterliche Heldentenor der Münchner Oper, Kenntnis von der neuentdeckten schönen Stimme; er interessierte sich für Kraus und erkannte zu seiner Freude, daß hier ein wirkliches Gesangstalent der Ausbildung und sachverständigen Pflege harre. Er nahm sich des vielverheißenden Talents an und schickte Kraus mit warmer Empfehlung zu Cesare Gallieri, dem namhaften Gesangsmeister in Mailand. Als der letztere nach einiger Zeit München zum Aufenthalt wählte, kehrte sein neuer Schüler mit ihm dahin zurück. Beim Rollenstudium genoß Kraus die Anleitung der erst kurz zuvor von Leipzig an das Münchner Konservatorium berufenen Frau Professor Anna Schimon-Regan. Die plötzliche Erkrankung eines für ein Kaimkonzert angekündigten Solisten gab ihm Gelegenheit zum ersten öffentlichen Auftreten. Es war von solchem Erfolge begleitet, daß er bald unter außergewöhnlich günstigen Bedingungen an das Mannheimer Hoftheater engagiert wurde. Von dort aus drang der Ruhm des jungen Künstlers, gefördert durch größere Gastspielreisen, in immer weitere Kreise. Sein nach drei Jahren erfolgter Eintritt in den Verband der Berliner Hofbühne machte der dort herrschenden empfindlichen Tenornot mit einem Schlage ein Ende. Zunächst wurde Kraus als Gast gewonnen; von nächsten Ostern ab, nach Beendigung des erfolgreichen Gastspiels, das ihn in Amerika festhält, wird er dem Institute mit einem Jahresgehalt von 48000 Mark als Mitglied angehören. Bei der soliden Schulung, welche seine glänzenden Naturanlagen erfuhren, ist Kraus ein Heldentenor, der auch höhere musikalische Ansprüche in seltenem Maße befriedigt. Von einer prächtigen Bühnenerscheinung unterstützt, ist er ganz besonders befähigt, Richard Wagners jugendliche Heldengestalten in echter Lebensfülle zu verkörpern. Zu seinen schönsten Leistungen zählt sein „Lohengrin“, in welcher Rolle ihn unser Bild den Lesern vorführt. E. O. N.     

Ernst Kraus als Lohengrin.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph J. C. Schaarwächter in Berlin.

Die längste Telephonleitung der Erde, die seit geraumer Zeit geplante Verbindung zwischen New York und Chicago, ist kürzlich vollendet worden. Die Linie, welche den mündlichen Verkehr von etwa fünf Millionen Menschen in den beiden ersten Handelsplätzen von Amerika vermittelt, besitzt eine Länge von 1520 km und übertrifft damit jede bisher in Europa fertiggestellte Fernsprechlinie. Von den letzteren hat die seiner Zeit viel bewunderte Telephonverbindung von Paris nach London 500, diejenige von Berlin nach Frankfurt ebensoviel, nach Wien aber ungefähr 600 km Länge. Nachdem ausgedehnte Versuche des Elektrikers der belgischen Telegraphie van Rysselberghe bewiesen hatten, daß man auch auf Entfernungen von 1000 ja bis 1600 km telephonische Gespräche durch geeignete Leitungen sehr gut übertragen könne, ging man auch bei uns zur Anlage längerer Linien über.

Im April vorigen Jahres wurde von der deutschen und ungarischen Regierung gleichzeitig der Bau einer 1000 km langen Telephonlinie zwischen Berlin und Budapest begonnen, die zur Hälfte auf deutschem, zur Hälfte auf österreichischem und ungarischem Gebiete liegt und deren Eröffnung bevorsteht. Alle diese Anlagen werden von der jetzt eröffneten amerikanischen Fernsprechlinie weit übertroffen. Eine Leitung von derselben Länge würde genügen, um Berlin mit Petersburg oder Rom in Verbindung zu setzen. Die beiden Drähte, welche man zwischen New York und Chicago gespannt hat, sind je 4 mm dick, das Gewicht beträgt auf das laufende Kilometer 110 kg, also im ganzen 334400 kg. Der Länge nach aneinander gelegt und zu einem Kabel vereinigt, würden sie hinreichen, den Ocean zwischen den Vereinigten Staaten und Europa an seiner schmalsten Stelle, nämlich zwischen dem westlichsten Punkte der irischen Küste und dem äußersten Vorsprung von Neu-Fundland, zu überspannen. Zum Aufhängen der Drähte sind beiläufig 43000 Telegraphenstangen nötig gewesen. In dieser Anlage feiert die Erfindung, die der deutsche Physiker Philipp Reis im Jahre 1860 gemacht hat, einen ihrer größten Triumphe.

Zu unseren Bildern S. 1, 8, 9 und 25. Unter dem sonnigen Himmel des Südens sind hier vier Mädchenblumen erblüht, die Meister W. Auberlen so lebenswahr und farbenprächtig auf seinem reizenden Bildchen „Ein vierblättriges Kleeblatt“ dargestellt hat. Wer durch Spaniens Städte, an Villen und Landsitzen vorbei wandert, der erschaut solche Bilder in Wirklichkeit. Von hohem Balkone trägt der Wind die Klänge der Mandoline hernieder – eine alte Volksweise ist es, die der Liebe Lust verherrlicht und der Liebe Leid beklagt und Sehnsucht in jungen Herzen weckt. Ueber die Brüstung neigen sich die schlanken Gestalten und sprühende Augen blicken den Wanderer an. Frühlingswehen durchdringt die Natur und unter seinem Hauche erblüht auch die Blume der Liebe in Menschenherzen. Das ist die Zeit der Rosen im fernen heißen Süden.

Eine stille innige Andacht führt uns dagegen A. H. Schram in seinem Bilde „Sonntag“ vor. Die Tracht des Mädchens stammt aus der guten alten Zeit und die weiße Farbe des Gewandes und der Haube harmoniert trefflich mit dem Ausdrucke der klaren Augen, durch die man in die Tiefen einer reinen Seele zu schauen glaubt. – Der Humor waltet schließlich in zwei anderen Bildern, die unser heutiges Halbheft schmücken. Treffend hat C. Reichert „Walpurgisnacht“ sein Bild benannt, auf dem eine Katzengesellschaft in einer Rumpelkammer unter Gefauche und Gemiaue einen wahren Hexenspuk veranstaltet. Drollig sind die Kleinen auf Hermann Kaulbachs Bildchen „Rutschpartie“. Hoffen wir nur, daß der Himmel noch Einsehen haben und Schnee genug niedersenden werde, damit die Jugend diese schönste der Winterfreuden auch heuer nach Herzenslust genießen kann.

Das Jawort. (Zu unserer Kunstbeilage.) Endlich! ... Na ja, gedacht haben sie sich’s alle, es war das auch wirklich nicht schwer, bei der stets zunehmenden Besuchsfrequenz des Herrn Doktors und Fräulein Idas steigender Gemütsbewegung. Aber nun, wo das Jawort glücklich auch von den Eltern ausgesprochen worden ist, wirkt das Ereignis doch als freudigste Ueberraschung. Mutter und Großmutter sind die ersten zum Umarmen und Glückwünschen; der Vater, stets von praktischen Gesichtspunkten ausgehend, trachtet, das Ueberhandnehmen der Rührung mit dem geeignetsten Mittel abzuschneiden, die kleinen Geschwister sehen erstaunt alle die freudige Erregung, in welche sogar „Schnuck“ kläffend einstimmt, während im Hintergrund die von der großen Neuigkeit bereits in Windeseile erreichte Köchin samt dem Hausmädchen und Diener herbeieilt, um ihre wortreiche Gratulation loszulassen. Die beiden Glücklichen aber hören und merken das Wenigste von alledem! Sie sehen sich in die Augen – und wer, der jemals selbst Verlobung feierte, weiß nicht, daß darüber alles andere verschwindet?! ...


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0036.jpg&oldid=- (Version vom 20.6.2023)