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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

sondern auch mit Frankreich, Spanien, den Mittelmeerhäfen und New York. Eines ähnlichen Aufschwungs erfreute sich Stettins Vorhafen, das kleine auch als Seebad bekannte Swinemünde, das an der mittleren Ausmündung des Oderhaffs in die Ostsee liegt und als der beste Hafen an der preußischen Ostseeküste gerühmt wird.

Beeister Frachtdampfer.

Die Erkenntnis der Wichtigkeit von Handel und Schiffahrt für das Blühen der Stadt war es auch, welche in den Jahren 1888 und 1889 die Kaufmannschaft veranlaßte, mit dem Bau der Eisbrechdampfer zu beginnen. Früher hatte der Frost den Hafen und damit den Verkehr gesperrt. Der Kaufmann feierte, es feierten seine Arbeiter, und mit ihnen alle die Handwerker, deren Erwerb auf sie angewiesen war. Es galt als ein ganz besonderes Ereignis, wenn einmal der Kopenhagener Eisbrecher herüberkam, um einen Dampfer einzubringen. Seitdem aber die Eisbrecher „Stettin“, „Swinemünde“ und „Berlin“ die Werften des Vulkan verlassen haben, und nachdem in neuerer Zeit noch der „Langenberg“ hinzugekommen ist, haben sich die Verhältnisse durchaus geändert.

Auch während des Winters herrscht im Hafen rege Thätigkeit. Import und Export hören nicht auf. Eingeführt werden in der Hauptsache während des Winters Getreide, Mais, Phosphate, Erze und Kohlen, während zur Ausfuhr gelangen Zucker, Grubenhölzer und Stückgüter. Der Kaufmann verdient und mit ihm verdient direkt oder indirekt ein großer Teil der Bevölkerung. Diesem Umstande hat die Stadt dadurch Rechnung getragen, daß sie zur Unterhaltung der Schiffe aus ihrem Säckel einen Zuschuß leistet. Wenn erst der neue Großschiffahrtskanal zwischen Oder und Spree, der geplant ist, fertig sein wird, dann hat Berlin seine im Winter wie im Sommer ununterbrochen offengehaltene Verbindung mit dem Meere. Welche sozialen Vorteile daraus entstehen werden, ist vorläufig im einzelnen noch gar nicht abzusehen! Wie sehr sich aber die Eisbrecher selbst bewährt haben, geht daraus hervor, daß Rußland und Holland für den eigenen Gebrauch Dampfer nach demselben Modell bestellt haben.

Beleuchtung mit dem Scheinwerfer.

Je weiter wir nach dem Norden vordringen, desto stärker wird die Macht des Winters. Nicht nur Flüsse und Seebuchten frieren dort zu, sondern auch das offene Meer wird von den starken Frösten in Eisfesseln geschlagen. So kann das Eismeer, das die nördlichen Küsten Europas und Asiens umspült, nicht als eine die Völker verbindende Handelsstraße gelten. Wohl haben Polarforscher die Nordostpassage erzwungen, den Weg von Norwegens Küste bis zur Behringstraße zurückgelegt, aber die Kaufleute können diesen Weg nicht benutzen. Nun hat man die Absicht, besonders starke Eisbrecher zu bauen und mit ihrer Hilfe eine regelmäßige Schifffahrt in jenen Gebieten zu eröffnen. Die Schwierigkeiten, die sich dort dem Menschen entgegenstellen, sind bei weitem größer als an unserer Ostseeküste, aber ganz aussichtslos dürfte der Plan doch nicht sein. Wenn dereinst, dank der zunehmenden Besiedelung, das unermeßliche Sibirien zu einem Kulturlande aufblüht, dann werden wohl die Eisbrecher seinem Handel den Weg durch das Eismeer bahnen. Abgesehen von diesen Zukunftsträumen, können wir jedoch mit dem zufrieden sein, was die Eisbrecher schon jetzt leisten, und dürfen sie als starke Gehilfen des Handels und Wandels in der rauhen Winterszeit preisen. – –

Als wir wieder auf Deck kamen, blinkten die Sterne hellfunkelnd am tiefdunklen Himmel, und der abnehmende Mond goß seinen fahlen Glanz über die weiten weißen Flächen. Dennoch war es nicht hell genug, um alles vor uns deutlich zu erkennen. Der elektrische Scheinwerfer wurde im Bug entzündet und sandte sein gespenstiges Licht in die Weite. Schiffe tauchten auf, die Oderufer wurden sichtbar und endlich grüßten auch die Laternen des Hafens.

Wir waren wieder daheim. Bei einem guten Grog am häuslichen Herd wurde der ausgefrorene Mensch aufgetaut und getreulich wurde Bericht gegeben von den Freuden und Leiden unserer Fahrt, genau nach dem alten Wort: Wenn einer eine Reise thut, so kann er was erzählen.


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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0032.jpg&oldid=- (Version vom 20.6.2023)