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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

in nicht zu ferner Zukunft voraus.

BÖRNE
LAUBE    GUTZKOW
HEINE

Auch Adam v. Itzstein war erst durch die Länderverteilung im Rheinbundsgebiete ein Badenser geworden. In Mainz als Sohn eines kurmainzischen Geheimrats geboren, hatte er in der Jugend das ganze Elend der Rheinbundszeit am eigenen Schicksal erlebt, hatte als Beamter erst unter kurmainzischer, dann unter fürstlich leiningischer Herrschaft gestanden, bis deren Mediatisierung ihn zum badischen Unterthan machte. Als Oberamtmann von Schwetzingen zog er sich durch seine liberale Gesinnung den Haß der Hofpartei zu. Der Haß stieg, als er, nach Mannheim an das Hofgericht versetzt, 1822 zum Deputierten in den Landtag gewählt ward und sich dort der Opposition anschloß. Er wurde ihr Führer im Kampf für die Rechte des Volkes, welche die Regierung den Karlsbader Beschlüssen gemäß immer mehr zu schmälern bemüht war. Eine Strafversetzung nach Meersburg war die Folge; sie hätte ihn außer allen Verkehr mit seinem geliebten Landsitz am Rhein gebracht. Vergeblich protestierte er dagegen, und so sah er sich schließlich veranlaßt, seine Entlassung zu nehmen. Seitdem widmete er seine ganze Kraft der einen Aufgabe, den gesetzmäßigen Widerstand gegen die immer stärker werdende Reaktion in Baden zu organisieren. Da kam das Jahr 1830: zum erstenmal ward das „System“ Metternichs durch Kriegsgefahr von Frankreich her ins Wanken gebracht.

Anastasius Grün.

Die siegreiche Julirevolution in Paris erinnerte ihn und die deutschen Fürsten daran, daß von einer solchen Revolution jenseit des Rheins auch Napoleons Siegeszüge ihren Ausgang genommen hatten und daß die besten Waffen im Befreiungskampf gegen den Korsen die Liebe ihrer Völker zum gemeinsamen Vaterland und die in ihnen geweckte Hoffnung auf ein freies Staatsleben gewesen waren. Die strenge Handhabung der Bundesbeschlüsse ließ überall nach. Am wenigsten freilich in Preußen und Oesterreich, den deutschen Großstaaten, die immer noch ihren Völkern die versprochene Verfassung versagten. In Sachsen, Braunschweig, Kurhessen, Hannover dagegen wurde der Ausbruch von Unruhen durch Zugeständnisse an das Verfassungsleben beschwichtigt. In allen konstitutionellen Ländern, namentlich in Baden, Bayern und Württemberg, entfaltete sich in jugendlicher Frische die Presse. In Baden kam der neue liberal gestimmte Großherzog Leopold der liberalen Bewegung entgegen. Es trat jener Landtag von 1831 ins Leben, der es in glänzender Weise verstand, die Gunst der Stunde für den Ausbau der Verfassung im Sinne der Freiheit zu nutzen.

Selbstporträt Fritz Reuters.
(Ausgeführt im Gefängnis.)
Nach „Gaedertz,Aus Fritz Reuters jungen und alten Tagen“.

Und hier erschien ein Mann neben Itzstein, der bald dessen treuester Waffengefährte wurde: Karl Theodor Welcker. Gleich seinem Bruder, dem berühmten Altertumsforscher, hatte ihn früh der akademische Beruf aus seiner Heimat Hessen verschlagen. Mit Arndt und Jahn wurde er kurz nach den Karlsbader Beschlüssen als junger Professor des Rechts in Kiel eines der ersten Opfer der „Demagogenverfolgung“. Die patriotische Begeisterung, welche von Preußen aus den Befreiungskriegen ihren Charakter gegeben, hatte ihm damals die Feder geführt beim Entwerfen kühner Pläne für die Neugestaltung des Vaterlands. Jetzt war er seit mehreren Jahren Professor der Staatswissenschaften in Freiburg. In seinem dortigen Kollegen Karl von Rotteck fand er einen bewährten Gesinnungsgenossen; beide vereinigten sich zur Herausgabe einer Zeitung, „Der Freisinnige“. In schönem Wettstreit mit den alten Führern der Opposition, mit Itzstein, Duttlinger, Föhrenbach und neueingetretenen Mitgliedern, wie Mittermaier, in Reden voll Geist und feurigem Schwung, die überall in Deutschland lebendigen Wiederhall weckten, gelang es ihnen jetzt, in der Kammer mit anderen volkstümlichen Forderungen auch die bedingter Preßfreiheit durchzusetzen. Da trat Welcker, berauscht vom Sieg, auch mit dem Antrag hervor, daß sich die Regierung beim Bundestag für die Schaffung einer Volksvertretung der ganzen Nation verwenden solle. Und als die Regierung sich gegen eine Diskussion des Antrags aussprach, verkündete Rotteck: „Der Antrag geht also nicht in die Abteilungen der Kammer, aber er geht in die Abteilungen des deutschen Volkes; Berichterstatter wird die freie Presse sein, und das große Parlament der öffentlichen Meinung wird über ihn zu Gericht sitzen!“ Aehnliche Forderungen wurden in Rottecks „Annalen“ durch Wilhelm Schulz, Münch und Gutzkow, dann leidenschaftlicher, trotziger durch die Journalisten Wirth und Siebenpfeiffer auf dem großen Volksfest in der bayrischen Pfalz geltend gemacht, das am 24. Mai 1832 auf der Hambacher Schloßruine bei Neustadt a. H. unter einem aufgehißten schwarz-rot-goldnen Banner viele Tausende patriotischer Freiheitsfreunde aus nah’ und fern vereint sah.

Gottfried Eisenmann.
Nach der Lithographie von F. Hickmann.

Die Antwort Metternichs waren neue Bundeserlasse, welche die Preß- und Versammlungsfreiheit völlig unterdrückten, die Unterordnung der inneren Gesetzgebung der Einzelstaaten unter die des Bundes dekretierten und die Oeffentlichkeit und Machtsphäre der Ständeversammlungen beschränkten. Die Wiener Ministerkonferenzen von 1834 führten zu weiteren geheimen Abmachungen, welche das Verfassungsleben in den konstitutionellen Staaten Deutschlands unter die Kontrolle des Bundestags stellten. Das thörichte Attentat fanatisierter Studenten anf die Konstablerwache in Frankfurt, in dem eine von deutschen Flüchtlingen eingeleitete Verschwörung gegen den Bundestag kläglich verpuffte, gab den Vorwand zur Einsetzung einer neuen Central-Untersuchungsbehörde, die, wie Fritz Reuter, Heinrich Laube, mehr als hundert ehemalige Burschenschafter ins Gefängnis brachte. Die Untersuchung erstreckte sich auch auf altbewährte Führer der Verfassungskämpfe in Hessen-Darmstadt und Kurhessen; der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0014.jpg&oldid=- (Version vom 29.3.2024)