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verschiedene: Die Gartenlaube (1898)

Halbheft 1.   1898.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Jahresabonnement (1. Januar bis 13. Dezember) 7 Mark. Zu beziehen in 28 Halbheften zu 25 Pf. oder in 14 Heften zu 50 Pf.


Antons Erben.
Roman von W. Heimburg.


Er ist vom Felde heimgekommen, wo ihm die Aprilsonne warm gemacht hat. Nun steht er in der Stube des Pächterhauses, in einer kahlen, kalten Stube und fröstelt.

„Verdammt ungemütlich!“ sagt er und betrachtet die nackten Wände, die kein einziges Bild aufweisen, das steiflehnige Sofa und die Stühle, die regelrecht an den Wänden umherstehen. Zwischen den Fenstern eine Kommode, darüber ein Spiegel, welcher demjenigen, der hineinschaut, einen Schrecken in die Knochen jagt, weil er mindestens denken muß, das er Krämpfe habe, so verzerrt sieht das Gesicht aus. An den Fenstern blaue Rouleaux, schreckliche kornblumenblaue Dinger, die das Auge förmlich beleidigen - sonst nichts.

Über die Thürschwelle poltert jetzt eine Magd, mit zurückgestreiften Aermeln, einer keineswegs sauberen Schürze, und deckt den Tisch: vier Teller mit blauem Rand, wie man sie auf den Jahrmärkten kauft, eine Terrine vom billigsten Porzellan mit einigen Schönheitsflecken und abgebrochenem Henkel sowie Messer und Gabeln von gewöhnlichster Art. Sie waltet ihres Amtes sehr geräuschvoll und sagt endlich: „Die Suppe is da – die Herrn kommen gleich!“

Bald darauf treten zwei junge Männer ein mit einem nicht gerade allzufreundlichen „Mahlzeit, Herr Mohrmann!“ Dann sitzen sie alle drei an ihren Plätzen und essen schweigend.

Herr Mohrmann, der neue Pächter von Wartau, ist ein großer breitschultriger Mann mit hübschem, ernstem Gesicht; auf der Stirn hat er ein paar vorzeitige Falten, denn er ist noch jung, eben dreiunddreißig Jahre. Die Falten erzählen von mancherlei Nöten und Sorgen, wie sie das Leben mit sich bringt für einen, der nicht mit einem silbernen Löffel im Munde geboren wurde. Er ist schweigend und sehr langsam, dabei steigt einen Augenblick jähe Röte in seine Schläfen, und als jetzt eine vierte Person erscheint, um sich am Tische niederzulassen,


Ein vierblättriges Kleeblatt.
Nach dem Gemälde von W. Auberlen.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite 1. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0001.jpg&oldid=- (Version vom 3.8.2022)