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Inhalt.
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Antons Erben. Roman von W. Heimburg. 1
Wie das erste deutsche Parlament entstand. Ein Rückblick von Johannes Proelß.
     I. Märtyrer und Pioniere. Mit Abbildungen
12
Fortschritte und Erfindungen der Neuzeit. Das Acetylengas. Von W. Berdrow 16
Ein Sommernachtstraum. Novelle von Arthur Sewett 16
Erkältung. Von Professor Dr. E. Heinrich Kisch 26
Wie lehrt man die Vögel auf Kommando singen? Von Josef von Pleyel 28
Ein Tag an Bord einen Eisbrechers. Von Gustav Klitscher. Mit Abbildungen von W. Stöwer 29

Blätter und Blüten: Mit Mann und Roß und Wagen hat sie der Herr geschlagen. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) – Defoe am Pranger. (Zu dem Bilde S. 17.) – Zu unseren Bildern S. 1. 8. 9. 25. – Wintervergnügen im Spreewalde. (Zu dem Bilde S. 20 und 21.) – Der Kiwi. Mit Abbildung. – Ernst Kraus. (Zu dem Bilde S. 36.) – Das Jawort. (Zu unserer Kunstbeilage I.)

Illustrationen: Ein vierblättriges Kleeblatt. Von W. Auberlen. S. 1. – Mit Mann und Roß und Wagen hat sie der Herr geschlagen. Von Arthur Kampf. S. 4 und 5. – Sonntag. Von A. H. Schram S. 8. – Rutschpartie. Von H. Kaulbach. S. 9. – Abbildungen zu dem Artikel: „Wie das erste deutsche Parlament entstand“. S. 12. 13. 14. 15. – Defoe am Pranger. Von Ferd. Leeke. S. 17. – Wintervergnügen im Spreewalde. Originalzeichnung von Werner Zehme. S. 20 und 21. – Walpurgisnacht. Von C. Reichert. S. 25. – Abbildungen zu dem Artikel: „Ein Tag an Bord eines Eisbrechers“. Von W. Stöwer. S. 29. 30. 31. 32. – Musikstudien. Von Hermann Kaulbach. S. 33. – Der Kiwi. Von A. Meyerhof. – Ernst Kraus als Lohengrin. S. 36.

Hierzu Kunstbeilage I: „Das Jawort“. Von J. R. Wehle.




Kleine Mitteilungen.

Allerlei von Reineke. Ein alter Jagdschriftsteller erzählt, er habe eines Abends auf einer Waldblöße das wunderbare Benehmen eines Fuchses beobachtet, dessen Zweck er sich erst nicht habe erklären können. Der rote Gauner sei einigemal auf einen hohen Wurzelstock gesprungen, habe dann ein schweres Stück Holz in den Rachen genommen und den Sprung so lange wiederholt, bis es ihm regelmäßig gelungen sei, mit dieser Last die Spitze des Wurzelstockes zu erreichen. In der Dämmerung sei nun eine Bache mit Frischlingen vorübergewechselt; der Fuchs habe eins ergriffen und mit mächtigem Sprunge in Sicherheit gebracht. Bei der Uebung mit dem Stück Holz habe er also offenbar nur den Zweck gehabt, sich die nötige Gewandtheit zu seinem räuberischen Vorhaben anzueignen.

Jeder, der diese kleine Geschichte liest, denkt selbstverständlich, daß das eine jener phantasievollen humoristischen Erzählungen sei, welche man mit dem Namen „Jägerlatein“ bezeichnet und denen man aus dem Munde eines Grünrocks so gern lauscht. Allein ein wahrer Kern ist in der Frischlingsgeschichte dennoch, trotzdem ihre Glaubwürdigkeit auf den ersten Blick gerade keine allzu große zu sein scheint. Der Fuchs stellt thatsächlich, und zwar nicht nur in einem Ausnahmefalle, Springübungen an, wenn sie auch nicht so kompliziert sind wie in der Erzählung jenes alten Schriftstellers, des Dietrich Aus dem Winkell. Reineke übt sich nur, wenn ihm ein Sprung nicht gelungen ist, um es das nächste Mal besser zu machen – wenigstens haben weder ich selbst noch glaubwürdige Bekannte von mir anderweitige, einem bestimmten Zwecke dienende Turnübungen an ihm beobachtet.

Einst kam ich im August abends bei beginnender Dämmerung aus dem Deister, jener Bergkette zwischen Weser und Leine. Ich hatte geblattet [1], und Diana war mir hold gewesen; aus dem Schlitz meines Rucksacks guckte ein Kopf mit starkem Gehörn heraus – schwarz wie der Teufel. Ein guter Schuß, ein schwarzer Bock mit kapitalem Gehörn kann einen Jäger wohl in eine gehobene Stimmung bringen – aber trotz alledem fühlte ich den Druck der Riemen des Rucksacks, und die schwüle Gewitterluft preßte mir den Schweiß aus allen Poren. Ich warf an einem Graben den Bock zur Erde, um ihn erst aufzubrechen – 14 Pfund weniger dreiviertel Stunden weit zu tragen, war immerhin eine wesentliche Erleichterung. Mitten in der Arbeit ließ ich zufällig meine Blicke über das Feld schweifen. Auf einer Stoppelbreite, kaum 200 Schritt von mir, lag ein dunkles langes Etwas in der Furche und kroch langsam voran – ein Fuchs, und mein Pirschglas verriet mir auch sofort, daß er es auf einen Hasen abgesehen hatte, der sich unweit in die Stoppeln drückte – etwas anderes konnte der dunkle Strich auf dem hellen Grunde nicht sein.

Es wäre mir ein Leichtes gewesen, den armen Burschen zu retten, ich brauchte ja nur eine Kugel nach dem roten Strauchdieb zu senden – sie hätte ihn, wenn sie auch vorbeiflog, zweifellos verjagt; allein beim Anblick des weidewerkenden Rotrocks, in der Erwartung und Ungewißheit, ob er Erfolg haben und wie er sich beim Fange benehmen würde, pochte mein Herz fast gerade so stark, als wenn ich an einen starken Bock gepirscht wäre, und das ganze Schauspiel war mir natürlich auch wertvoller als das Bewußtsein, Schutzpatron eines Hasen gewesen zu sein. Mit dem Glase konnte ich jede Bewegung des Fuchses verfolgen, wie er Schritt für Schritt vorwärtsschlich, den Kopf, die Nase etwas höher, hinten ganz gedrückt, die Luntenspitze nervös krümmend. Jetzt schien er dicht genug heran zu sein. Einen Augenblick stand er still, als wollte er noch einmal die Entfernung messen, dann flog er in mächtigem Sprunge, mit hochgehobener Lunte die Luft peitschend, vorwärts – zu kurz! Der Hase fuhr blitzschnell aus dem Lager, ein zweiter Sprung – wieder fehl – und der rote Pfuscher richtete sich hoch auf und sah beschämt dem davonhoppelnden Lampe nach. Aber nicht lange gab er sich wehmütigen Gefühlen ob seines Mißerfolges hin. „Das nächste Mal besser machen,“ war die Lehre, die er sich aus seiner Ungeschicklichkeit zog. Er ging zum Hasenlager zurück – dann zur Stelle, von welcher aus er den ersten Sprung gewagt hatte, und im nächsten Augenblick flog er wieder durch die Luft zum Lager hin. Drei-, viermal hintereinander wiederholte er diesen Lehr- und Uebungssprung, bis er die Gewißheit hatte, daß er in der Praxis das nächste Mal von Erfolg gekrönt sein würde.

Ein hiesiger Jagdfreund von mir erzählte mir vor einiger Zeit ein in der Hauptsache mit meiner Beobachtung genau übereinstimmendes Erlebnis, und ein Jagdaufseher berichtet dem in Köthen erscheinenden „St. Hubertus“ (Jahrg. 1894, Nr. 3) ebenfalls von einem Fuchse, welcher nach dem Fehlsprunge ins Hasenlager gewindet (gerochen) und dann den Sprung noch fünfmal wiederholt habe – so daß mit Fug und Recht geschlossen werden kann: der Fuchs übt sich im Springen, um seiner Sache desto sicherer zu sein.

Trotzdem Reineke alsbald den Hasenbraten zu vergessen schien und der Landwirtschaft durch Mäusefang unter die Arme griff, hielt ich einen solch gewitzten Wilderer in meiner Jagd doch für einen zu gefährlichen Nebenbuhler und schlich mich deshalb in einer Hohle etwas näher heran, stellte mich hinter einen Schleedornbusch und versuchte, den Fuchs durch „Mäuseln“, d. h. durch Nachahmung der piepsenden Maus, heranzureizen. Es gelang, und ich schoß ihn auch. Es war ein äußerst starker, fast ausgewachsener Jungfuchs.

Karl Brandt.

Das bayrische Bier auf Reisen. Das erste Frachtstück, welches man in Bayern mit der Eisenbahn beförderte, war bekanntlich ein Faß Bier. Heute gehen von den bayrischen „Bierquellen“ neben Hunderten von Einzelwagen täglich ganze Bierzüge in die Welt hinaus, um den Durstigen das gewohnte erquickende Naß im Fluge zuzuführen. Es giebt einen norddeutschen, einen rheinischen, einen Hamburger Bierzug, zusammengesetzt aus jenen weißangestrichenen soliden Wagen, die an ihren Seitenwänden die Namen weltbekannter Bierfirmen tragen. Im ganzen mögen wohl etwa 1300 derartige Wagen in den bayrischen Wagenpark eingestellt sein, von denen weitaus der größte Teil Privateigentum der betreffenden Exportbrauereien ist. So hat München 18 Exportfirmen, die über 700 Wagen unterhalten, darunter die Brauerei zum Spaten mit 150 Wagen, die Löwenbrauerei mit 126 Wagen, das Leistbräu mit 88, das Augustinerbräu mit 74, das Bürgerliche Bräuhaus mit 71 Wagen und so fort. Kulmbach hat 12 Firmen mit über 100 Wagen, Nürnberg 4 mit ebenfalls über 100 Wagen, Erlangen 4 mit 50 Wagen.

Im ganzen sind nach den letzten Ermittelungen im Jahre 1895 408 929 Tonnen Bier in Bayern mit der Eisenbahn verschickt; das macht 41000 Wagenladungen. Hiervon blieben im Lande selbst 86 771 Tonnen; nach den übrigen Teilen des Deutschen Reiches wurden 282 011 Tonnen und nach anderen europäischen Ländern 40 147 Tonnen verfrachtet. Im Reiche waren die Hauptabnehmer die Verkehrsgebiete Königreich Sachsen (94 321 Tonnen), Stadt Berlin (26 109 Tonnen), die Elbhäfen (Hamburg etc.) (21 881 Tonnen), Merseburg und Thüringen (16 941 Tonnen). Vom Auslande steht noch immer Frankreich obenan mit 11 439 Tonnen, dann folgt die Schweiz mit 10 421 Tonnen, Oesterreich einschließlich Böhmen mit 5876 Tonnen, Belgien mit 5128, Italien mit 2909, Holland mit 2616 Tonnen. – Um dem „Stoff“ seine Güte zu sichern, sind die meisten jener Bierwagen mit Eiskühlvorrichtungen für den Sommer und mit Heizvorrichtungen für den Winter versehen.

Eine neue Art, Bratenreste zu verwenden, wird allen sparsamen Hausfrauen willkommen sein, zumal diese Verwendungsart ihnen die Möglichkeit giebt, die Reste in kleinem, freundschaftlichem Kreise als angenehme Abendschüssel aufzutischen. Die Reste werden fein gewiegt, mit einem Drittel ihres Gewichtes frischem, gehacktem Fleisch vermischt, mit einigen Eiern, etwas saurer Sahne, Gewürz und geweichter Semmel verrührt und kleine ovale Klößchen davon geformt, die in Reibbrot gewendet und braun gebraten werden. Nach dem Erkalten werden die Klößchen mitten durchgeschnitten und sternförmig angerichtet. Man belegt sie abwechselnd mit Häufchen von Kapern, Perlzwiebeln und gewiegter Fray-Bentos-Zunge, füllt in die leere Mitte frische, mit etwas Oel und Essig gemengte Kresse und giebt folgende Sauce dazu: 2 Eier werden hartgekocht, die Eigelb durchgerieben, mit etwas Essig fein gerührt, 2 geriebene gekochte Kartoffeln, 4 Löffel Olivenöl, 2 rohe Eigelb, 2 Löffel saure Sahne, 1 Löffel Mostrich, 2 Löffel Johannisbeersaft, Salz, Pfeffer, 2 Löffel Essig, 1 Messerspitze mit in etwas Wasser aufgelöstem Liebigs Fleischextrakt, das gehackte Eiweiß und eine geriebene Schalotte hineingemischt, so daß man eine dickliche Sauce erhält, die man in eine Saucenschale füllt und zu den Fleischklößchen giebt.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1898). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1898, Seite b. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1898)_0000_b.jpg&oldid=- (Version vom 11.8.2022)
  1. „Blatten“ = die Stimme des weiblichen Rehs nachahmen, um den Bock anzulocken.