Seite:Die Gartenlaube (1897) 811.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Inseln, wo der alte Seebär Cap und seine hübsche Nichte Mabel so haarsträubende Abenteuer erlebten, sind nicht minder getreu der Wirklichkeit nachgemalt wie die merkwürdige Höhle, in der das Geschwisterpaar Alice und Cora nebst seinen Begleitern von Lederstrumpf und den beiden Mohikanern vor den teuflischen Mingos verborgen wurden.

Für die meisterliche Weise, mit der Cooper es verstand, gegebene Oertlichkeiten in seine Romane zu verweben, bietet gerade die im „Letzten der Mohikaner“ beschriebene Hohle ein schlagendes Beispiel dar.

Im Jahre 1824 unternahm Cooper in Gemeinschaft mehrerer Freunde eine Reise nach dem im nordöstlichen Teil des Staates New York gelegenen Georgsee und besuchte dabei den am oberen Hudson gelegenen Ort Glens Falls. Die Reisenden stiegen auch zu dem Hudson hernieder, der hier einen durch eine kleine Felseninsel in mehrere Arme geteilten äußerst malerischen Wasserfall bildet. Die seit Jahrtausenden dahinrauschenden Fluten haben in das harte Gestein der Insel die abenteuerlichsten Gassen eingeschnitten, deren eine sich zu einer überaus merkwürdigen Hohle verengt, die tunnelartig die untere Hälfte der Insel durchzieht. Als die Reisenden in diese Höhle eindrangen, meinte der bei der Gesellschaft sich befindende englische Lord Derby, daß dieser seltsame Fleck sich als Schauplatz für einen Roman eigne. Cooper versprach, einen solchen zu schreiben, in dem die Höhle eine Rolle spiele. Die Reise führte weiter an den herrlichen Georgsee, an dessen Südspitze noch heute die Wälle des alten Forts William Henry liegen, das in den Kriegen der Franzosen und Engländer während des vorigen Jahrhunderts von dem Schotten Munro so heldenmütig wider den französischen General Montcalm und seine Indianerhorden verteidigt wurde.

Wie anregend diese Reise für Cooper war, zeigt der Umstand, daß kaum ein Jahr später, am 4. Februar 1826, sein vorzüglicher Roman „Der Letzte der Mohikaner“ erschien, durch den der Ruhm des Dichters seinen höchsten Gipfel erreichte. Daß die Hohle auf der Hudsoninsel sowie die historischen Vorgänge im Fort William Henry in der glücklichsten Weise in diesen Roman verflochten sind, ist jedem Leser desselben wohlbekannt. Den Wasserfall selbst schildert Lederstrumpf mit folgenden Worten: „Wenn wir das Tageslicht hätten, würde ich Sie bitten, auf den Felsen zu steigen, wo ich Ihnen zeigen wollte, wie verkehrt dieses Wasser ist; es fehlt ihm alle Ordnung und Regelmäßigkeit; bald springt es auf, bald stürzt es nieder; hier schleicht es nur hin, dort schießt es fort; an dieser Stelle ist es weiß wie Schnee, an jener ist es grün wie Gras; an dieser Seite ist es ein Sturz, daß man glaubt, die Erde müsse bersten, an jener murmelt es wie ein Bach, und hat die Bosheit, Wirbel zu bilden, und spült das Gestein aus, als ob es Lehm wäre. Ja, es ist keine Ordnung im Flusse mehr. Zweihundert Klafter von hier aufwärts fließt er friedlich, als wollte er seinem alten Laufe getreu bleiben, dann aber trennt sich das Wasser und stößt an das Ufer links und rechts; ja man meint, es schaue rückwärts, wie wenn es ungern die Wildnis verließe, um sich mit dem Salzwasser zu machen.“

Von allen Oertlichkeiten, an denen Cooper verweilte, hat er aber keine so oft und mit so großer Vorliebe verwendet wie den Ostegosee, an dessen Ufern er seine Jugend sowie das letzte Drittel seines Daseins verlebte.

Mitten im Herzen des Staates New York, von wälderumgürteten Hohen eingeschlossen, wird dieses etwa 14 Kilometer lange und mehrere Kilometer breite krystallklare Wasserbecken von zahlreichen Bergbächen genährt. Der Ueberschuß seines Wassers aber fließt als der überaus liebliche Susquehannah der 500 Meilen entfernten Chesapeake Bai und weiter dem Weltmeere zu. Wie viele tausend Jahre der See inmitten der ihn umgebenden feierlichen Waldeinsamkeit ruhte, bis Menschen, die Indianer, an seinen Ufern erschienen, vermag niemand zu sagen. Nur der Jagd und dem Fischfang lebend, vermochten diese Rothäute mit den primitiven Werkzeugen, die sie besaßen, das Bild der Landschaft nicht zu ändern, denn als um die Mitte des vorigen Jahrhunderts die ersten Weißen in diese Gegend eindrangen, empfingen sie den Eindruck, als habe nie zuvor ein Mensch die Ruhe derselben gestört.

Dichter Urwald drängte sich bis an den Rand der krystallklaren Gewässer, in welchen sich die überhängenden riesigen Eichen, Buchen, Ulmen, Espen und schwermütigen Fichten sowie die friedvolle Wölbung des Himmels mit überraschender Deutlichkeit widerspiegelten

Es war im Herbst des Jahres 1790 als der Vater unseres Dichters, der Richter William Cooper (er erscheint in den „Ansiedlern“ unter dem Namen Marmaduke Temple), seinen bisherigen Wohnsitz Burlington in New Jersey, wo James Fenimore Cooper am 15. September 1789 geboren wurde, aufgab und sich am Südende des Otsego niederließ. Eine kleine Schar von früher gekommenen Ansiedlern hatte hier eine Lichtung ausgehauen und auf derselben eine aus rohen Blockhütten bestehende Ortschaft erbaut, die dem Neuankömmling zu Ehren den Namen Cooperstown annahm.

William Cooper hatte nämlich eine Zeit lang im Abgeordnetenhause des damals eben erst entstandenen nordamerikanischen Staatenbundes gesessen und war mancherlei Verdienste halber vom Kongreß mit mehreren tausend Acker Landes am Ostegosee belohnt worden. Um diese Zeit war der spätere Schöpfer des „Leberstrumpfs“ wenig mehr als ein Jahr alt. Die ersten Eindrücke, die in seinem empfänglichen Gemüt haften blieben, waren diejenigen, die der harte Kampf mit sich brachte, den die Ansiedler gegen die schier unbezwingliche Urwildnis zu führen hatten. Mit den rauhen Holzfällern, den ersten Pionieren in diesem Kampfe, kam der junge Cooper täglich in Berührung. Fast ebenso oft erschienen Trapper und Fallensteller im Orte, um gegen die Felle erlegter Tiere Pulver, Blei oder andere Dinge einzutauschen. Bei Tische und am lodernden Kaminfeuer drehten die Gespräche sich sehr häufig um die Abenteuer, welche jene kühnen Jäger im Kampf mit den Raubtieren der Wildnis oder den noch gefährlicheren Indianern erlebt hatten. Auch von den letzteren suchten bisweilen kleine Trupps, die Ueberreste ehemals mächtiger Stämme, den See auf, um Fische zu speeren

Die Cooperstown zunächst gelegenen Niederlassungen, wohin der junge Cooper öfter kam, waren die von Deutschen, und zwar Pfälzern gegründeten Ortschaften im Schoharie- und Mohawkthal.

Sie hatten die ganze zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts hindurch unter den Ueberfällen der Franzosen, der Engländer und Indianer schwer zu leiden gehabt, aber heldenhaft die Feinde fast stets mit blutigen Köpfen zurückgeworfen Während jener heißen Gefechte hatten gar manche dieser kernigen Pfälzer sich zu gefürchteten Indianerjägern ausgebildet; vornehmlich die Thaten des Konrad Weiser, des Adam Hartmann, des Thimoteus Murphy, des Christian Scheck und des Nikolaus Herckheimer lebten in aller Munde. Viel gesungene Volkslieder priesen den Löwenmut Schecks, der mit nur vier Söhnen am 6. August 1781 sein festes Blockhaus gegen 48 Huronen und 16 Engländer so erfolgreich verteidigte, daß dieselben schließlich mit einem Verlust von 11 Toten und 12 Verwundeten, von denen 9 nachträglich noch starben den Rückzug antreten mußten. Nicht minder besang man „den Helden von Oriskany“, den wackeren Nikolaus Herckheimer, der an der Spitze von 800 Pfälzer Bauern am 6. August 1777 den das Fort Stanwix am oberen Mohawk belagernden 750 Engländern und 1000 mit ihnen verbündeten Indianern so hart zusetzte, daß sie die Belagerung des Forts aufgeben und nach Canada zurückkehren mußten, was für den ferneren Verlauf des amerikanischen Befreiungskrieges die wichtigen Folgen hatte.

Der zum Manne gereifte Cooper vergaß niemals diese in seiner Jugend empfangenen Eindrücke und erlauschten Erzählungen, sondern suchte sie in seinen zahlreichen Romanen, besonders den Leberstrumpfgeschichten, in liebevoller Weise festzuhalten. Dabei wußte er jede Eigenheit der ihm so wohlbekannten Landschaften, jede auffällige Erscheinung in der geschicktesten Weise in diese Romane zu verweben.

In der ganzen Umgebung des im „Wildtöter“ unter dem Namen „Glimmerglas“ verherrlichten Otsegosees befindet sich nicht eine Bucht, nicht eine Thalschlucht oder ein Wasserfall, an die sich nicht irgend eine in Coopers Romanen geschilderte Scene knüpfte. Im nördlichen Teil des Sees, von beiden

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 811. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_811.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)