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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

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Blätter und Blüten.

Bebenhausen im Winter. (Zu dem Bilde S. 789.) Nicht weit von der Universitätsstadt Tübingen liegt in schönem Waldrevier, am südlichen Ende des alten „Reichsforstes Schönbuch“ das Kloster Bebenhausen, von den alten kunstgeschichtlich berühmten württembergischen Klöstern neben Hirsau und Maulbronn das bedeutendste. Gegründet von den Pfalzgrafen von Tübingen zu Ende des 13. Jahrhunderts, erlebte es seine erste Blütezeit im 14. Jahrhundert unter den Aebten Wilhelm von Lustnau und Peter von Gomaringen, eine weitere kurz vor der Reformation, als es von den Pfalzgrafen, die an dem mächtig aufstrebenden Kloster arm geworden waren, an die Herzöge von Württemberg fiel. Der Glanz künstlerischer Bauthätigkeit Schwabens ist in jenen Zeiten vielfach an den Namen des Cisterzienserordens geknüpft, wie dieser in Maulbronn den Uebergangsstil von der Spätromanik zur Gotik zur edelsten Blüte entfaltet hat, so in Bebenhausen die mittlere Romanik und hernach die Gotik und die Spätgotik. Als klassisch in seiner Art ist aus der ersten Blütezeit Bebenhausens das Sommerrefektorium in der Kunstgeschichte anerkannt, nicht minder als der spätgotischen der Glockenturm, der auch auf unserem Bilde am Horizont sich hervorhebt.

Aber nicht die Kunst allein macht das altersgraue Kloster zu einer entzückenden Stätte, herrlicher noch ist die umgebende Natur, in deren Waldesfrische es eingebettet liegt. Am Fuße der höchsten Erhebung des Schönbuchs, des Brombergs, liegt es in einem reizenden Thalgrund, wo der Goldersbach und der Seebach zusammenfließen. Der Wanderer, der, von Tübingen oder von Stuttgart her kommend, das Kloster in der stillen Waldlichtung vor sich auftauchen sieht, ist wie von einem Wunder überrascht, ob es ihm im Glanze der Mittagssonne erscheint oder im verklärenden Licht einer Mondnacht. Und gleich groß sind die Reize dieser Natur im lachenden Sommer, wie in der Winterpracht. Gerade in der kälteren Jahreszeit aber erlebt das Kloster jetzt seine glänzenden Tage. Denn nach der langen Reihe von Aebten – auch evangelische Aebte hat Bebenhausen als Klosterschule (d. h. Vorschule des berühmten Tübinger Stifts), bis zum Beginn dieses Jahrhunderts gehabt – ist es jetzt unter königlichen Herren zu einem prächtigen Jagdschloß geworden. Schon König Friedrich von Württemberg hat es 1810 zu einem solchen gemacht, sein Enkel, der 1891 verstorbene König Karl, hat es vom Ulmer Dombaumeister Beyer mit ausgesuchtem Geschmack restaurieren lassen, und jetzt ist es ein Lieblingsaufenthalt des jagdliebenden Königs Wilhelm, der dort alljährlich einigemal mit seinen Gästen dem edlen Weidwerk obliegt. A. F.     

Die Stalagmiten der Armandhöhle.

Waldmeisters Brautfahrt. (Zu dem Bilde S. 796.) Im Jahre 1851 hat Otto Roquette durch das phantastische, poesievolle Rhein-, Wein- und Wandermärchen „Waldmeisters Brautfahrt“ seinen Ruf als Dichter begründet. Die frische Schilderung des fröhlichen Lebens am Rhein und die Verherrlichung der deutschen Weine hat in jugendfrohen Herzen den lebhaftesten Anklang gefunden. Im Laufe der Jahre ist „Waldmeisters Brautfahrt“ zu einer der verbreitetsten deutschen Dichtungen geworden und das Büchlein hat an die siebzig Auflagen erlebt. Nun erscheint es vor seinen alten Freunden in einem neuen, einem wahren Prachtgewande. In A. Schmidhammer hat sich ein Künstler gefunden, der den Sinn der Roquetteschen Dichtung glücklich erfaßt und zu den märchenhaften Schilderungen treffliche Illustrationen zu schaffen vermochte. Dieselben bilden einen echt künstlerischen und reizvollen Schmuck der Prachtausgabe von „Waldmeisters Brautfahrt“ die soeben im Verlage der J. G. Cotta’schen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart erschienen ist. – Diesem Werke ist unsere Illustration auf S. 796 entlehnt. Die Scene stellt die Huldigung dar, die Prinz Waldmeister und seiner Braut, Prinzessin Rebenblüte, in der Nacht vor Pfingsten auf den Höhen des Rüdesheimer Berges von den deutschen Weinen und den Feldblumen dargebracht wird. Bei dieser Gelegenheit giebt Roquette eine treffliche Charakteristik der Weine, die sich zur Beglückwünschung des Brautpaares eingefunden haben. Er führt uns vor der Moselweine blonde Jünglingsschar, die Traubensöhne des Ahrthals in ihrer dunklen Schöne, durchströmt von Flut und Feuer, die „Abgeordneten des Pfälzer Landes“, joviale runde Herren mit freundlichen, vergnügtesten Gesichtern, vor allem die goldenen Jünglinge vom Rheingau unter Steinbergers Führung. Der Neckarwein spielt den lustigen Rat, und mit liebenswürdigem Humor werden die Vertreter der nördlichsten Marken des deutschen Weinbaues eingeführt, darunter auch der aus „Schläsigen vom Grüneberger Steine“. Ein Blick auf unsere Illustration belehrt uns, wie packend der Zeichner die Schilderung des Dichters wiederzugeben verstand. Ueber allen diesen Gestalten steht König Feuerwein, der, während die Sonne aufgeht, seine Kinder und seine Reben segnet.

„Und sieh, des Festes Feier ist vollbracht.
Auf alle Welt das schöne Pfingsten lacht –
000000000
Noch ist die blühende goldene Zeit,
Noch sind die Tage der Rosen.“

Ein strittiger Fund. (Zu dem Bilde S. 801) Frühzeitig hat der Winter an den Ausläufern des Uralgebirges seinen Einzug gehalten, und mit der wachsenden Schneedecke steigt die Not der Tiere des Waldes. Selbst Meister Braun, der sonst die Pflanzenkost vorzieht, wird zum grimmigen Räuber. Bevor er sich einschlägt, d. h. das Lager für seinen Winterschlaf aufsucht, will er sich noch stärken, lauert den Haustieren auf und sucht nach gefallenem Wild. Am Waldesrande erhält er Witterung, und da er vom Holze geht, erblickt er wirklich an dem Abhang eines Hügels eine gedeckte Tafel. Dort liegt eine eingegangene Hirschkuh – aber auch andere Gäste haben sich bei ihr eingestellt. Zwei Wölfe sind es, die sich gerade anschicken, ihren Hunger zu sättigen. Wild brummend, schreitet der Bär ihnen entgegen, und bald wird um das arme Opfer des Winters ein bitterer Kampf entbrennen. Für die Wölfe ist das eine recht fatale Begegnung, denn sie werden vor dem ergrimmten Bär den Kürzeren ziehen müssen.*      

Die Stalagmiten der Armandhöhle. (Mit Abbildung.) In dem Departement Lozère in Frankreich wurde neuerdings eine interessante Tropfsteinhöhle entdeckt und von dem bekannten Höhlenforscher Martel besucht und beschrieben. Louis Armand, ein Schlosser in Rozier, der seit dem Jahre 1888 Martel auf dessen Forschungszügen begleitete, fand in dem Gebirge, etwa zwei Kilometer von dem Dorfe La Parade entfernt, ein Loch, das allem Anschein nach den Zugang zu einer Höhle bildete. Ende September dieses Jahres schickte sich Martel an, die Höhle in Begleitung von Armand und Viré zu untersuchen. Die Ergebnisse der Forschung, die drei Tage in Anspruch nahm, sind in der Zeitschrift „L’Illustration“ veröffentlicht worden. Der Zugang zu der Höhle, die nach dem Entdecker die Armandhöhle genannt wurde, liegt 965 m über dem Meere. Er führt zunächst in einen senkrechten 75 m tiefen Schacht, der in eine schräg abfallende 100 m lange, 50 m breite und 35 bis 40 m hohe Grotte mündet. Von dieser senkt sich ein zweiter 87 m tiefer Schacht vorwärts und findet in einem Trümmerhaufen von Felssteinen seinen Abschluß. Die Gesamttiefe der Höhle beträgt 214 m. Besonders interessant ist die Grotte, denn in ihrem unteren Teil birgt sie einen förmlichen Urwald der herrlichsten Stalagmiten. Gegen zweihundert schlanke Säulen steigen hier in blendender Weiße zur Decke empor und täuschen dem Besucher den Anblick eines Palmenwaldes vor. Diese Stalagmiten dürften die höchsten der Welt sein. In Agtelek in Ungarn und in Dargilan (Lozère) giebt es Stalagmiten, die eine Höhe von 18 bis 20 m erreichen. Von den Stalagmiten der Armandhöhle sind gegen dreißig Stück noch höher und der höchste erhebt sich, wie Messungen vermittels einer Montgolfiere ergaben sogar 30 m über dem Boden der Grotte. Unsere Abbildung giebt die Photographie eines Teiles dieses unterirdischen „Urwaldes“ wieder.

Das letzte Stelldichein. (Zu dem Bilde S. 793.) Es ist Herbst geworden – Scheidenszeit, wie golden die tiefstehende Sonne ihren Schein durch den lichtgewordenen Wald auch werfen mag. Und Scheiden heißt es auch für die beiden jungen Menschen hier, die lange Wochen nichts anderes dachten, als daß sie sich liebten, grenzenlos und endlos! Aber unüberwindlich sind die äußeren Hindernisse, die sich ihrer Vereinigung entgegenstellen. In fassungslosen Thränen lehnt das Mädchen über der Bank und reisefertig, steht der Mann vor ihr. Wenige Augenblicke noch und sein Schritt wird zwischen den Stämmen verhallen, während sie im herbstlichen Walde weinend zurückbleibt. Aber, wie todestraurig ihr jetzt zu Mute ist und was auch hinterher kommen mag an Sehnsucht und Herzenseinsamkeit, daß diese wonnevollen Sommerwochen nicht gewesen sein möchten, das wird sie nie und nimmermehr wünschen!


manicula      Hierzu Kunstbeilage XXV: „Bruder Kellermeisters Pfleglinge.“ Von Adolf Humborg.

[Inhaltsverzeichnis dieses Heftes, hier nicht transkribiert.]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 804. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_804.jpg&oldid=- (Version vom 9.7.2023)