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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Abbildungen sehen wir, daß manche dieser schöngeglätteten Steinbeile auch ein Loch zum Einfügen eines Stieles hatten. Neben Stein-, Knochen- und Horngeräten zählen zu den Funden aus jener weit zurückliegenden Zeit auch Thongeräte. Wir finden bereits Urnen, mannigfach verziert mit eingestochenen oder eingedrückten Ornamenten, in der untenstehenden Abbildung sehen wir einen Thongegenstand, der wahrscheinlich als Netzbeschwerer zu deuten ist, wissen wir doch, daß zu der Zeit der neolithischen Periode (in dem jüngeren Steinzeitalter) die europäischen Bewohner vielfach auf Pfahlbauten wohnten und wohl erfahren waren im Stricken von Netzen. Während in der paläolithischen Zeit wohl jeder sich seine bescheidenen Geräte und Waffen selbst verfertigte, mag es in der neolithischen Zeit schon zu einer Arbeitsteilung gekommen sein und die hübschen geglätteten Steinwaffen mögen von bestimmten Künstlern hergestellt worden sein, wofür die gelegentlichen häufigen Funde an einem und demselben Orte sprechen.

Eine neue Aera der Kulturgeschichte begann mit der Einführung und Kenntnis der Metalle. In einigen Gegenden Europas scheint zuerst das reine Kupfer verwendet worden zu sein, aber jedenfalls handelt es sich hierbei um eine kurze und vielleicht gar nicht allgemein verbreitete Periode. Rasch folgte die Bronzezeit. Der prähistorische Mensch hatte nicht nur gelernt, die metallhaltigen Erze zu verhütten, sondern er machte auch die Entdeckung, durch Legierung von Kupfer und Zinn, welche beiden Metalle oft weither auf Handelswegen bezogen werden mußten,

1. Axt. 2. Hohlmeißel von Feuerstein. 3. und 4. Steinhammer. 5., 6., u. 7. Steinkern und abgehauene Späne. 8. Beil von Feuerstein. 9. Axt von Hirschhorn. 10., 11. u. 12. Perlen von Bernstein. 13. Durchbohrter Tierzahn. 14. Pfriemen aus Knochen. 15. Netzbeschwerer von Thon. 16. Lanzenspitze von Feuerstein. 17., 18. u. 19. Pfeilspitzen von Feuerstein. 20., 21. u. 22. Thongefäße.
Aus der Steinzeit.

die schöne goldglänzende Bronze zu erzeugen. Sie bildete nun das Material zur Herstellung von Waffen, Gerätschaften und Schmucksachen und bald entwickelte sich eine hohe Technik. Die zahlreichen Funde, die wir aus der Bronzezeit besitzen, deren Höhepunkt für Europa etwa in die Mitte des ersten Jahrtausends v. Chr. fällt, darunter auch Gußformen, in welchen die Bronzesachen. gegossen wurden, zeigen, daß die Herstellung der mannigfaltigen Gegenstände in den Händen professioneller Handwerker, ja wir dürfen sagen Künstler, ruhte. In den einzelnen Ländern machte sich bereits ein verschiedener Geschmack in der Ausführung geltend, so daß wir z. B. mit Recht von einem schwäbischen Stil der Bronzezeit reden können. Auf der Fundtafel. welche uns die Veranlagung zu dieser Skizze gab, ist eine Reihe charakteristischer Bronzegegenstände abgebildet, schöne Schwerter und Dolche, Messer und Sichel, eigentümliche Streckäxte, sogenannte Kelte, und verschiedene Schmucksachen in deren geschmackvoller Darstellung die Bronzezeit hervorragte. Da finden sich Arm- und Beinringe, oder lange, ebenfalls als Armschmuck getragene Spiralen, beide Sorten sehr an ähnlichen Schmuck bei den heutigen Eingeborenen Afrikas erinnernd, ferner schön verzierte Schildbuckel, künstlerisch ausgeführte Nadeln, und vor allem begegnen wir in allen nur denklichen Formen und Ausführungen einer Fülle von sogenannten Fibeln oder Gewandnadeln, den Vorläufern unserer heutigen Sicherheitsnadeln, welche jedoch von ihren Vorbildern aus der Bronzezeit an künstlerischem Geschmack und Eleganz der Form himmelweit übertroffen werden.

Als Hauptfundort aus der Bronzezeit ist das große Gräberfeld bei Hallstadt im Salzkammergut bekannt geworden, so daß man von einer Hallstadter Periode in der Kulturentwicklung der Menschheit spricht. Reichtum und Prunkliebe charakterisierten diese Bevölkerung, deren Erzeugnisse wir noch heute nach Jahrtausenden bewundern. Hoch war auch die Töpferei in Herstellung prächtig ornamentierter Urnen entwickelt. Als Schmuck fand der weither durch Handelsbeziehungen erhaltene Bernstein, aber auch Gold Verwendung, allmählich gesellt sich als weiteres Schmuckmetall – das Eisen hinzu. Nicht als Material zur Herstellung von Gebrauchsgegenständen, sondern als kostbare Verzierung findet es zuerst Verwendung. Aber sowie es einmal bekannt geworden ist, werden bald seine trefflichen Eigenschaften immer mehr gewürdigt, und nachdem man die Verarbeitung desselben erlernt hatte, wurde die Bronze immer mehr verdrängt. Die Menschheit tritt aus der Bronzezeit in die Eisenzeit. Auch diese Periode trägt nach einem an charakteristischen Erzeugnissen besonders reichen Fundort, der Pfahlbaustation von La Tène bei Marin am Neuchatellersee, einen besonderen Namen: La Tène-Zeit. Hier wurden prächtige Eisenschwerter gefunden, bis 95 cm lang und mit zweischneidiger bis nahe zur Spitze gleich breiter Klinge, die Scheide bestand aus zwei Blättern von Eisenblech; außerdem grub man Pfeile, Messer, Scheren, Kessel, Nadeln und allerlei andere praktisch gearbeitete Gebrauchsgegenstände aus; der Schmuck trat zurück in dieser Zeit, vielen Funden ist eine gewisse Nüchternheit eigen, wozu freilich beigetragen haben mag, daß beim Eisen technische Schwierigkeiten der Entfaltung des Formenreichtums, wie wir sie aus der Bronzezeit kennen, hindernd entgegentraten. Die La Tène-Zeit ist etwa von 500 v. Chr. bis 100 n. Chr. zu setzen. Bereits fällt für einen Teil Germaniens ein schwaches Licht geschichtlicher Forschung in das bisherige Dunkel. Die germanischen Stämme trafen im Grenzkrieg zusammen mit den Kohorten Roms, und bald herrschte der römische Adler über weite Gebiete. In Kastellen und Wällen, in Städtegründungen und Anlage von Heerstraßen, aber auch in Hunderten von kleineren Gegenständen, Figürchen, Glassachen und anderen zum täglichen Leben und zum Schmuck des Daseins gehörigen Dingen, die heute der Spaten des Altertumsforschers ausgräbt, haben die Römer Zeugen ihrer Anwesenheit auf deutschem Boden hinterlassen.

Allein das mächtige Römerreich zerfiel, über ganz Europa wälzten sich die erregten Fluten der Völkerwanderung hin und noch einmal sind wir für diese Zeit der Gärung fast ausschließlich auf die Funde, die der Boden uns liefert, angewiesen. Die Logik des Spatens tritt noch einmal an die Stelle der geschriebenen Geschichte. Im ganzen zeigen uns all diese Funde eine reiche Kultur und hohe Technik. Tauschierungen mit Silber und Bronze, reiche Verwendung von farbigem Glasfluß, aber auch von Gold und Edelsteinen, besonders an den großen Scheibenfibeln, die oft verschwenderisch reich besetzt und künstlerisch ausgeführt sind, ferner eine besondere Formenfülle der oft kostbar gravierten und gold- und steingeschmückten Waffen, die in dieser kampfesfrühen Zeit sicher den größten Stolz ihres Besitzers bildeten, sind die besonderen Merkmale der Gräberfunde aus der Völkerwanderungszeit in Deutschland. Allmählich klären sich die Zustände und von dem bunten namenlosen Gewirr heben sich einige Personen ab, zuerst noch schemenhaft und besser bekannt durch ihre Verherrlichung in Sage und Dichtung als durch die exakte Forschung, bis voll und scharf das mächtige Geschlecht der Karolinger uns vor Augen tritt und für unsere Heimat die Vorgeschichte endgültig abgelöst wird von der Geschichte.

Dr. K. Lampert.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 731. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_731.jpg&oldid=- (Version vom 26.11.2021)