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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Nr. 43.   1897.
Die Gartenlaube.
Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Jahresabonnement: 7 M. Zu beziehen in Wochennummern vierteljährlich 1 M. 75 Pf., auch in 28 Halbheften zu 25 Pf. oder in 14 Heften zu 50 Pf.

Einsam.
Roman von O. Verbeck.

(12. Fortsetzung)

27.

Aus dem Besuchemachen wurde fürs erste noch nichts. Hanna erkrankte. Schon einige Stunden nach der Ausfahrt stellte sich die Unbehaglichkeit eines leichten Fiebers ein. Da Ludwig zu einem seiner regelmäßigen Skate ausgegangen war und nicht zum Abendbrot erwartet wurde, so konnte sich Hanna den Luxus gestatten, schon um acht Uhr zu Bett zu gehen. Schauernd, mit frierenden Gliedern, aber heißem Kopf, duckte sie sich in die Kissen. Das rasch wachsende Gefühl der körperlichen Elendigkeit umschleierte die schmerzhafte Schärfe der seelischen Leiden. Wie Nebel, der die Umrisse der Gestalten verwischt, den Stimmenschall abdämpft, so lag die Fieberwolke über ihrem armen, gequälten Kopf, und durch das sausende Hämmern der Pulsschläge hindurch hörte sie nur wie in der Ferne den Klang der verhaßten Stimme: Ich habe dich und ich halte dich, nie geb’ ich dich wieder her.

Atembeschwerden begannen sie zu ängstigen, dazu kam ein trockener Husten, erst in kurzen, vereinzelten Stößen, dann in heftigeren Anfällen. Immer wieder scheuchte er den leichten, schwebenden Schlummer auf, der ihr rastlos arbeitendes Hirn in traumreiche Betäubung hüllen wollte, verscheuchte ihn endlich ganz. Ludwig, der spät in der Nacht heimgekommen war und sich niedergelegt hatte, ohne mit einem Wort von ihr Notiz genommen zu haben, warf sich ungeduldig seufzend in seinem Bett hin und her, so oft er von den dumpfen Tönen geweckt wurde, die unter der heraufgezognen Decke noch immer laut genug hervorklangen. Hanna stand endlich auf – es war kurz nach Vier – und schlich in ihr Ankleidezimmer wo sie sich, in ihren Pelz gehüllt, auf der Chaiselongue zusammenkauerte. Ruhe fand sie so zwar nicht, aber sie störte den Mann nicht mehr, und das war vorläufig die Hauptsache.

Ludwig holte das Versäumte reichlich nach und schlief bis in den hellen Morgen. Er erstaunte sehr, als er beim Erwachen das Bett neben sich leer fand.

Am Frühstückstisch traf er seine Frau wieder, wo sie ihm bleich, mit dunkelumschatteten, auch etwas geröteten Augen entgegensah.

„Nanu? Was ist denn mit dir los?“ fragte er, auf das seidene Tuch deutend, das sie um Nacken und Schultern geschlungen hatte.

Sie zog es fröstelnd fester.

„Ich bin etwas erkältet,“ antwortete sie mit heisrer Stimme. „Ich dachte, du wüßtest es; mit meinem Husten hab’ ich dich ja sehr gestört.“

„Seppl“.
Nach einem Gemälde von Fr. Prölß.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 709. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_709.jpg&oldid=- (Version vom 25.11.2021)