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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Stationen sind diese so nahe wie möglich untergebracht. Das Anschirren der Pferde geschieht in gleicher Weise wie bei der Berliner Feuerwehr, die ersten Geschirre wurden sogar von dieser geliefert. Unmittelbar nach

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Uebungen der Berliner Unfallstationen: Verbinden der Verwundeten.

der Meldung eines Unfalls kann der Krankenwagen, der mit Verbandzeug, den notwendigen Instrumenten und Erfrischungsmitteln ausgerüstet ist, sich nach der Unfallstelle begeben.

Ein Teil dieser Wagen, welche sich äußerlich von eleganten Equipagen kaum unterscheiden, wurde nach einem neuen System des Direktors Merke vom Moabiter Krankenhause in Berlin durch die Fabrik Kühlstein in Charlottenburg gebaut und ist derartig konstruiert, daß der Transport des Patienten auch auf schlechtem Straßenpflaster in ruhiger, geräuschloser und deshalb für den Kranken möglichst schonender Weise ausgeführt werden kann. Die kleineren Wagen werden einspännig, die größeren zweispännig gefahren. In den kleineren Wagen ist Raum für eine liegende und eine sitzende Person, in den größeren haben neben dem gebetteten Kranken noch zwei Wärter Platz.

Um die Unfallstationen so leistungsfähig wie möglich auszurüsten, hat das Kuratorium sich mit der Friedensabteilung der Vereine vom Roten Kreuz sowie mit dem Vaterländischen Frauenverein in Verbindung gesetzt. Die aufopferungsfreudigen Mitglieder dieser segensreichen Institute widmen ihre Kräfte in gemeinsamer Arbeit mit den Beamten der Unfallstationen den Verunglückten.

Unsere Illustrationen veranschaulichen eine Uebung dieser modernen Samariter und Samariterinnen. Die Unfallstationen wurden alarmiert unter der Annahme, daß eine Kesselexplosion in einem Fabrikgebäude stattgefunden habe. In kürzester Frist erschienen die Retter aus der Unglücksstätte und entfalteten hier die regste Thätigkeit.

In allen Schichten der Berliner Bevölkerung bringt man dieser neuen Blüte des Rettungswesens das allgemeinste Interesse entgegen, eine große Anzahl von Frauen hat in den Unfallstationen bereits Unterweisung in der richtigen Behandlung Verunglückter erhalten. Polizei und Stadtverwaltung stehen dem Unternehmen mit dem größten Wohlwollen gegenüber. Der Polizeipräsident hat die Mannschaften der polizeilichen Exekutive und der Feuerwehr angewiesen, bei vorkommenden Fällen die Hilfe der Unfallstationen für Verletzte und plötzlich Erkrankte nachzusuchen an denjenigen Stellen der öffentlichen Anschlagsäulen, wo sich die Nachweise amtlicher Institute befinden, sind jetzt auch die Adressen der Stationen vermerkt. Die Stadt Berlin zeigt ihr Interesse an der Sache dadurch, daß sie einen jährlichen Zuschuß zu den Kosten bewilligt hat. Auch andere Gönner sind mit namhaften Zuwendungen nicht zurückgeblieben.

Im allgemeinen aber sind die Stationen für ihre materiellen Bedürfnisse auf die Berufsgenossenschaften angewiesen. Denn da von keinem, der Berufsgenossenschaft nicht angehörigen Patienten, welcher angiebt, unbemittelt zu sein, irgend welches Honorar gefordert wird, so sind die baren Einnahmen natürlich nur gering. Durch diese freie Behandlung aber wird die Einrichtung besonders dem unbemittelten Teile der Bevölkerung nur noch schätzbarer. Jetzt findet in Berlin jedermann bei Tag und Nacht Aerzte, Hilfspersonal, moderne Verbandsmittel und einen sauberen Verbandsraum zu seiner Verfügung, ohne zu einer Gegenleistung irgendwie verpflichtet zu sein.


Das Kind.
Roman von Adolf Wilbrandt.

(1. Fortsetzung.)

4.

Herr van Wyttenbach hatte sich, während die beiden Alten noch in Sehweite waren, mit einer förmlichen Verbeugung von Gertrud verabschiedet, als sie verschwanden, blieb er an der Salonthür stehn, warf das schöngekräuselte Haar zurück und lächelte das Mädchen zärtlich an. Die Stimme ein wenig dämpfend, doch nur so, daß sie noch Wohllaut behielt, fragte er, indem er die Lippen spitzte. „Also ich hab’ Ihnen etwas Freude gemacht, meine süße Gertrud?“

Sie nickte liebevoll. „Die Blumen – und ihre Sprache! Ach, ich bin so glücklich!“

„Sind Sie glücklich, Gertrud?“

„Ich kann Ihnen so nicht sagen,“ antwortete sie, „wie ich glücklich bin! – ,Und immer ging sie fort’ … Ich muß Ihnen noch einen Traum erzählen –“

Sie sollte aber ihren Traum heute nicht zum zweitenmal los werden. Arthur legte plötzlich einen Finger auf die Lippen und deutete mit dem Kopf hinter sich nach der Thür. Nun hörte sie auch Schritte dort, und Brinks verschleierte Stimme. Es wollte offenbar jemand kommen, man sprach hin und her. Arthur zuckte entsagend die Achseln, Gertrud, die siebzehnjährige, stampfte auf die Erde; sie fühlte, wie sie diesen Jemand haßte.

Richtig, dachte sie, da kommt das Ungetüm! Die Salonthür ging auf, eine lange Gestalt, ebenso lang wie Wyttenbach, ebenso schwarz gekleidet, erschien auf der Schwelle. Es war ein junger Mann mit blassem Gesicht, mit sehr ernsten Zügen, den weichen schwarzen Hut hielt er in der Hand. Den kenn’ ich ja, dachte Gertrud, die ihn mit herzlichem Widerwillen ansah, da er sie so störte. Zu ihrem Erstaunen zitterten ihm die Lippen eine Weile, ehe er mit etwas unsicherer Stimme zu sprechen anfing. „Entschuldigen Sie, Fräulein Rutenberg –!“

„Ach ja, wir kennen uns,“ sagte sie nun gutmütig, seine Aufregung entwaffnete sie. „Herr von Hiller, nicht wahr –“

Der junge Mann lächelte, im ersten Augenblick etwas schmerzlich, aber schnell gefaßt. „Sie verwechseln mich mit einem andern, mein Fräulein,“ sagte er schlicht. „Waldeck ist mein Name.“

„O!“ stieß sie erschrocken aus. „Verzeihen Sie! – Ja, ja, nun seh’ ich –“

„Was ist da zu verzeihen,“ unterbrach er sie, „Sie haben mich ja nur ein paarmal gesehn. Ich wollte mir erlauben, Ihren Herrn Vater – wohl etwas spät – in einer besonderen Sache – – Aber ich höre eben, hier ist heute Ball. Ihr Herr Vater wird also nicht mehr zu sprechen sein, vielleicht könnt’ ich morgen –“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 685. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_685.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)