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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Die Thür der Kapelle öffnete sich. Die Gemahlin des Kommandanten trat heraus, ergriff den Arm Barringtens und stellte sich mit ihm hinter ihrem Eheherrn und dem Fräulein auf. Der Kommandant verhinderte jede weitere Verständigung, indem er rauh und kurz sagte. „Folgt uns, Ihr sollt hier noch einmal beten, bereitet Euch dazu vor!“

Die beiden jungen Leute wurden schon vom Geistlichen, der vor dem Altar stand, erwartet. Seite an Seite durften sie niederknien und ihre Hände suchten sich zu gegenseitigem Trost.

Der Geistliche erhob seine Stimme. Doch wie seltsam, wie wunderlich sprach er! Die Knienden blickten verwirrt auf. Hörten sie nicht recht, träumten sie? Sollte das eine Vorbereitungsrede zum Tode sein, oder verstanden sie ihre Muttersprache nicht mehr!

„Willst du, Paul – und willst du, Armgart –“ …

Ja, ja – sie wollten! Sie wollten, wenn nicht für das Leben, so doch im Tode zusammengehören! Jetzt konnte sie ja nichts wieder trennen, die Gott selbst hier zusammenfügte …

Aber konnte es denn sein, daß man ihren sehnlichsten Herzenswunsch erfüllte, nur um sie zu verhöhnen, ihnen zu zeigen, wie köstlich das Leben sein könne? Bot man ihnen wirklich den vollen Kelch nur, um ihn den dürstenden Lippen gleich wieder zu entziehen? War solche Grausamkeit möglich, denkbar? …

Heißes Zagen und Bangen, wildes Fürchten und Hoffen regte sich in Armgart, ein Taumel ergriff sie, in dem ihre Sinne zu schwinden drohten. Barringtens Hände waren eiskalt, auch er zitterte, sein Blick lag fest auf dem Antlitz des Predigers, als wollte er ihr Geschick darin lesen.

Und im Dunkel der Pfeiler regte sich’s leise. Als die Hand des Geistlichen die Häupter des jungen Paares zum Schluß segnend berührte, da tauchte es aus dem Schatten auf und kam näher. Hätte der kühnste Traum solches für möglich gehalten? …

Am Arme des Vetters erschien Frau Gräfin Schwichard. Und Graf Trosche ging auf Armgart zu, brachte ihr seine aufrichtigsten Glückwünsche zu ihrer Vermählung dar, hoffte, sie habe ihm seinen Irrtum verziehen, der – hm! den er beklage – nein, er sei erfreut, Zeuge dieses schönen, erhebenden Abschlusses einer immerhin etwas verworrenen Angelegenheit gewesen zu sein! Dann ergriff er die Hände des jungen Paares, führte es zur Gräfin, und als Armgart vor dieser laut aufweinend niederkniete und um Verzeihung flehte, zog er sich mit zufriedenem Lächeln zurück, bis er zwischen dem Geistlichen und dem Kommandanten stand. Aufmerksam beobachtete er von dort seine Frau Cousine, die sich seine Begleitung hierher hatte gefallen lassen müssen.

Es wetterleuchtete in den Augen der stolzen Frau und ward ihr schwer, sich zu bezwingen; der Zorn gegen den unerwünschten Schwiegersohn ließ sich auch jetzt noch nicht leicht unterdrücken. Doch endlich hob sie Tochter und Schwiegersohn auf und reichte ihnen ihre Hände zum Kuß. „Wer den Tod nicht scheut, um seiner Liebe treu zu bleiben, hat wohl das Recht, dieser Liebe leben zu dürfen,“ sagte sie laut. „Haben Sie auch sehr eigenmächtig gehandelt, so habe ich mich doch nun davon überzeugt, daß die Frau von Barringten den Schwichards niemals Unehre machen wird. Daß ich meine Einwilligung nicht zu bereuen habe, sei Ihre Aufgabe, Herr Schwiegersohn.“

„Und wer da behauptet, der Alte Fritz wisse nicht mit widerspenstigen Frauenzimmern umzuspringen, den fordre ich vor meine Klinge,“ sagte der Kommandant seelenvergnügt zu seiner Frau, während er dem Wagen nachsah, der die Gräfin nebst ihrem Vetter und dem jungen Ehepaar hinwegführte.



Blätter und Blüten.

Das Kaiser Wilhelm-Denkmal am Deutschen Eck in Koblenz. (Zu dem Bilde S. 645.) Nach dem Tode Kaiser Wilhelms I beschloß der Rheinische Provinziallandtag dem heimgegangenen Herrscher ein Denkmal in der Rheinprovinz zu errichten. Da über die Wahl des Ortes eine Einigung nicht erzielt werden konnte, wurde die Entscheidung darüber dem Kaiser überlassen, und dieser bestimmte durch die Kabinettsordre vom 16. März 1891 „das Deutsche Eck zu Koblenz“, eine Landzunge zwischen Rhein und Mosel, als Standort des geplanten Denkmals. Bei dem hierauf erlassenen Preisausschreiben erhielt der Entwurf von Architekt Bruno Schmitz und Bildhauer Emil Hundrieser den ersten Preis, und man schritt zur Ausführung des monumentalen Baues, der am 31. August unter feierlichem Gepränge im Beisein Kaiser Wilhelms II enthüllt wurde. Das großartige Denkmal besteht aus dem Mittelbau mit einer die Figurengruppe tragenden Pfeilerhalle und einem Säulengang, der den Mittelbau umgiebt. Der Kaiser, der in Generalsuniform zu Pferde dargestellt ist, hält in der rechten Hand den Marschallstab, der Genius, der ihn begleitet, trägt die Kaiserkrone. Die Figurengruppe ist annähend 14 m hoch und die Helmspitze des Kaisers erhebt sich etwa 36 m über das umgebende Gelände. Im Friese des Hauptgesimses des Mittelbaues sind die mahnenden Worte Max von Schenkendorffs eingemeißelt: „Nimmer wird das Reich zerstöret, wenn Ihr einig seid und treu.“

Unsere Abbildung zeigt das Denkmal nach der Enthüllung. Im Vordergrunde fließt der Rhein, neben dem Denkmal rechts sehen wir das Kaiserzelt, links erhebt sich das bekränzte ehemalige Deutsche Ordenshaus; im Hintergrunde schimmert die Mosel hervor und weiter hinten baut sich das Bild der Stadt auf, überragt von hohen Kirchtürmen. *      

Der Drache im Dienste der Wissenschaft. Die Meteorologie, welche bisher zur Erforschung der Witterungsfaktoren in bedeutenden, von Bergerhebungen nicht beeinflußten Höhen nur das Mittel der kostspieligen Ballons besaß, fängt jetzt an, zu diesem Zwecke sich der Luftdrachen zu bedienen. In Amerika hat W. Eddy, vom Blue Hill Observatorium aus, Drachen von besonderer Größe und Konstruktion steigen lassen, die über 1000 m Höhe erreichten und mittels eines mit hinaufgezogenen Instrumentenkorbes schöne meteorologische Daten ermittelten. Freilich hat es einige Zeit gedauert, bis das neue Verfahren seine Kinderkrankheiten überstand. Die Windstärken sind beim Durchmessen verschiedener Höhenschichten sehr wechselnd. Wandte man nun leichte Drachen an, die selbst bei schwachem Winde stiegen, so hatten stärkere Windstöße immer Neigung, sie zu zerbrechen. Große und kräftige Drachen dagegen blieben bei flauem Wind gern liegen; trat dann aber oben einmal ein ordentlicher Stoß ein, so gab es mitunter einen Knall, die Leine riß und Drachen nebst Instrumenten waren auf Nimmerwiedersehen verschwunden, wenn man nicht gelegentlich ihre Scherben auf den Feldern fand. Jetzt wendet man meist mehrere, ja bis zu sechs Drachen an, die übereinander an derselben Schnur befestigt werden. Jeder einzelne hat Festigkeit genug, starken Windstößen zu widerstehen, alle zusammen aber entwickeln eine so bedeutende Tragkraft, daß sie einschließlich der haltenden Leine schon mehr als einen halben Centner gehoben haben. Als Leine wird meistens Klavierdraht verwendet, wovon ein ganzes Kilometer erst 3½ kg wiegt und noch nicht 2 Mark kostet. Mit diesen Mitteln gelang es auf Blue Hill schon vor mehr als Jahresfrist, Drachen, die mit ihren Instrumenten 1½ kg wogen, 1200 m hoch in die Luft zu senden, was bei der Anwendung von Fesselballons schon beträchtliche Kosten verursacht. Zum Einziehen solcher Drachen gehört übrigens schon eine ziemliche Kraft, da sie einzeln einen Zug von 10 bis 15 kg ausüben und meist zu mehreren übereinander angewandt werden. Das Einbrechen kalter oder warmer Witterung wurde von solchen Drachen mitunter 6 bis 12 Stunden früher angezeigt, als es am Boden zu spüren war. Mittlerweile wurden die Instrumente noch weiter vervollkommnet und am 8. Oktober 1896 erlebte der Urheber des Verfahrens den Triumph, ein System von 9 Drachen, die an einem Draht zogen und einen Beobachtungsapparat trugen, volle 2800 m sich erheben zu sehen. Die Drachen hatten eine Gesamtfläche von 16 Quadratmetern und trugen während des Versuches ein Stahldrahtgewicht von 23 kg. Das sind glänzende Erfolge, denn sie ermöglichen es, von allen größeren Wetterwarten aus nahezu kostenlos häufige Beobachtungen in Höhen von 1000 bis 2000 m zu machen, was für die Erforschung der meteorologischen Verhältnisse unabsehbaren Nutzen bringen muß. Aber hiermit noch nicht zufrieden, haben neuerdings Hargrave in Amerika und Powel in England Versuche gemacht, die Tragkraft der Drachenflieger sogar dem Menschen dienstbar zu machen. Der Apparat des Lieutenant Powel von der schottischen Garde besteht aus fünf sechseckigen, an einer Leine übereinander befestigten Drachen, mit denen er sich im Christchurchpark zu Ipswich etwa 15 m hoch heben ließ. Ueber dem Korb, in welchem der Beobachter saß und der an dem untersten Drachen hing, war zur Sicherung bei einem Unglücksfall ein Fallschirm angebracht. Die Versuche Hargraves wurden mit einem Apparat von anderer Form angestellt, scheinen aber noch nicht soweit wie diejenigen des Schotten vorgeschritten zu sein. Bw.     

Burghausen. (Zu dem Bilde S. 657.) Zu den schönsten und anziehendsten Landschaften im Deutschen Reiche zählt sicherlich das Thal der Salzach von der prangenden Bischofsstadt Salzburg ab bis zur Einmündung des Flusses in den gewaltigen Inn und die allgemeine Stimme bezeichnet als seine reizendste Perle das altehrwürdige Schloß der bayrische Herzöge, Burghausen, mit dem zu seinen Füßen sich auf schmaler Thalsohle an den Burgberg anschmiegenden und von ihm behüteten, betriebsamen Städtlein gleichen Namens. Und doch, wie wenige unter den vielen Tausenden von Wanderern, die alljährlich, nach den Reizen schöner Gegenden verlangend, die Gauen des Vaterlandes durchpilgern, setzen ihren Fuß dorthin in den weltverlorenen Winkel an den Ostmarken Bayerns? In der That, bis vor kurzem konnte er noch als weltverloren gelten, doch dies ist nicht mehr der Fall. In den letzten Jahren wurde eine Bahn von der Station Freilassing vor Salzburgs Thoren bis Tittmoning gebaut, und seit wenigen Monaten wurde auch die untere Strecke des Salzachthales durch eine Schienenstraße eröffnet, die von dem Städtchen Mühldorf nach Burghausen herüberführt. Schon einmal (in Nr. 12 des Jahrgangs 1895) wurden in Bild

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 659. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_659.jpg&oldid=- (Version vom 5.7.2023)