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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

schönes kühnes Antlitz mit den blitzenden brennenden Augen war deutlich zu sehen, und die Dame im Küchenfenster meinte bei sich, es sei schwer, zu entscheiden, wer von den beiden schöner und anmutiger sei.

Der Widerstand des jungen Herrn war im Nu gebrochen. Die Komtesse fing nun an zu bitten, weinte auch beweglich, doch weder ihre Thränen noch ihre flehenden Worte rührten das harte Herz des alten Kriegers. Er hatte seine Ordre und handelte danach. Selbst gegen seine eigene Tochter wäre er nicht schwach geworden.

Man legte dem jungen Manne Fesseln an, und unter dem kläglichen Geschrei des gräflichen Fräuleins ward jedes in ein besonderes Gewahrsam geführt.

Doch bei dem Versuche ihres Verlobten, sich gegen die bewaffnete Macht aufzulehnen, hatte sich der Pelz der Komtesse verschoben gehabt und dem scharfen Blick der Zuschauerin im Küchenfenster war nicht entgangen, daß die Toilette der Flüchtigen einer Erneuerung dringend bedurfte.

„Davon steht nichts in meiner Instruktion, sagte der strenge Befehlshaber der Festung auf die Vorstellung seiner Frau.

„Aber es ist auch nicht verboten,“ antwortete sie, und daraufhin durfte sie die Gefangene besuchen und das Notwendige für die bezweckte Hilfe mitnehmen.

Der Kommandant ging aber auch mit, er traute den Weibern nicht. „Ich lasse mir keine Flausen vormachen,“ sagte er kurz.

„Wenn die Demoiselle sich entführen lassen wollte, hätte sie wenigstens vorher für anständige Kleidertasche sorgen können,“ polterte er dann, als er vor Armgart stand, worauf sie in Thränen ausbrach und vor Scham hätte in die Erde kriechen mögen.

Stolz und energisch sah Komtesse Armgart nicht mehr aus, wie ein betrübtes, unglückliches Kind stand sie mit niedergeschlagenen Augen vor dem gestrengen Festungskommandanten. Von Schluchzen unterbrochen erzählte sie, daß nur ihrer Mutter plötzliche Bestimmung, sie solle ihren Vetter heiraten, sie in die Entführung habe einwilligen lassen. Sie habe es nicht gewollt, aber die Bestürzung, der Schreck –“

„Bleibt immer Desertion und Insubordination und überall straffällig,“ versetzte der Kommandant, aber seine Stimme klang weniger streng und er wandte nichts ein gegen die Versuche seiner Frau, die Weinende zu trösten, selbst als die ältere Hoffnungen auf eine glücklichere Zukunft aussprach.

Dennoch wurden die beiden Verbrecher strenge bayonniert. Einige geringe Erleichterungen wußte die mitleidige Frau ihrem Eheherrn für die Komtesse abzuschmeicheln, doch dem Entführer ward nicht die kleinste Vergünstigung zu teil.

Aber Barringten ließ sich ebensowenig zu einer Verzichterklärung herbei als Armgart ihre Einwilligung zu einer Verbindung mit ihrem Vetter gab. Und vorher sollten sich ihnen die Festungsthore nicht wieder aufthun, das war der feste Wille der Gräfin, die sich zornig fragte, woher ihre Tochter solchen Starrkopf habe.

„Niemals verzeihe ich ihr,“ erklärte sie entrüstet ihrem Vetter dem Grafen Trosche, „Sie muß strenger gehalten werden, Brot und Wasser sind das Rechte für solche ehrvergessene Person. Nicht eher darf sie mir wieder vor Augen kommen, bis sie eingewilligt hat, Euern Sohn, Herr Vetter, zu ehelichen.“

Da sah der Herr Vetter die Erzürnte mit feinem Lächeln an, erhob sich und machte ihr eine tiefe Verbeugung.

„So kann ich endlich auf den Zweck meines Besuches kommen. Wir ziehen unter obwaltenden Umständen unsere Bewerbung zurück und bitten um Erlaubnis, unserer liebwerten Base, Komtesse Armgart, eine neue Equipage als Hochzeitsangebinde verehren zu dürfen. Es möchte die andere auf der etwas übereilten Reise nach Magdeburg doch vielleicht gelitten haben. Wir haben den Wagen schon bestellt und das Allianzwappen derer von Schwichard und Barringten darauf malen lassen. Wir beklagen den Irrtum, in dem wir uns befunden – ohne unsere Schuld, seine Stimme klang etwas schärfer, als er hinzusetzte. „und der uns leider alle in eine schiefe Lage gebracht hat, aus der unserer Frau Cousine gesundes Gefühl hoffentlich den einzig richtigen Ausweg finden wird.

Mit sehr ernstem durchdringenden Blicke empfahl sich Graf Trosche und überließ die Gräfin ihren sehr unbequemen peinlichen Gedanken.

„Nein, ich will es nicht,“ sagte sie aufgebracht in allerschlechtester Laune. Und ihre Stimmung sollte noch schlimmer werden.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 655. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_655.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)