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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

„Das ist, was wir sollen, scheint mir. Darin besteht unsere Aufgabe. Wenigstens denke ich’s mir so. Wenn es uns gelingt, zu trösten, so ist der Weg, den wir wählen, gleichgültig, und auch die Sprache, so lange sie den Stempel der wirklichen heimlichen Wahrheit, der Liebe, trägt. Und nun mein liebes Kind, ehe ich fortgehe, will ich Ihnen etwas geben, was mir für Sie anvertraut worden ist. Eine Botschaft, wenn man so will, aus dem Jenseits, oder richtiger, ein Vermächtnis, einen Gruß –“

Er hatte ein Ledertäschchen hervorgezogen und aufgeklappt. Ein Brief lag darin. Er reichte ihn ihr.

„Was – – – ist das?“ fragte Hanna erstarrend, fahl im Gesicht.

„An meine Hanna“ – stand darauf. Mit der feinen, zarten, etwas unsichern, vom Schreiben entwöhnten Handschrift der Mutter.

„Oeffnen Sie, lesen Sie,“ bat Erdmann, den der Blick mit dem sie an den drei Worten haften blieb, ohne sich zu rühren, zu ängstigen begann. Er schob ihr ein Papiermesser, das er mit raschem Griff vom nahen Schreibtisch genommen hatte, zwischen die Finger und half ihr den Umschlag aufschneiden.

Endlich schien sie aus dieser Schrecklähmung zu erwachen mit einem schweren, zitternden Atemzug stammelte sie ein unverständliches Wort und faltete das Blatt auseinander.

„Mein Herzenskind! Weil ich mich heute so herrlich wohl fühle, habe ich nicht nur den Mut, auf Musik und alle möglichen schönen Dinge zu hoffen, sondern ich habe auch die Kraft, Dir diesen Brief zu schreiben, den Du erst lesen sollst, wenn ich nicht mehr da bin. Günther hat mich an Deinen Schreibtisch fahren müssen und wird nachher dies Blatt an unsern alten Freund Erdmann zur Aufbewahrung bringen. Er soll es Dir dann einstmals geben, wenn Dir recht wundweh und verzagt ums Herz sein wird.

Laß Dir sagen, mein Kind, daß Du mein Glück und mein Trost gewesen bist, daß Deine treue Liebe mein Leben vergoldet hat. Laß Dich aber auch bitten, den Kummer den mein Tod Dir bereiten wird, mutig zu bekämpfen. So tapfer, wie Du immer im Leben bei mir ausgehalten hast, so tapfer zwing’ auch später Dein Herz von meinem Grab hinweg, wo es nutzlos trauert. Laß mich nicht wirklich gestorben sein. Laß mich lebendig bei Dir bleiben durch den immerwachen Gedanken. Wär’s auch der Mutter so recht? Sei gegen Deinen Mann, das bin’ ich Dich von ganzem, ganzem Herzen, immer so, als wenn ich noch da wäre. Thue mir auch im Tod kein Leid, wie Du mir im Leben keins gethan hast. Mehr sag’ ich über diese Sache nicht. Du wirst mich schon verstehen.

Und nun genug. Als Du noch klein warst, weißt Du noch, und zum Besuch beim Onkel, und ich Dir schrieb, da hieß es immer ganz zuletzt an dieser Stelle sitzt ein Kuß, nimm ihn Dir ab. So küß' ich auch zum letzten Abschied dieses Blatt, mein kleines, großes Mädchen.

Gute Nacht!“

(Fortsetzung folgt.)

Ein interessantes Planetenpaar.
Von Dr. H. J. Klein.

Wie sieht es auf den Sternen aus? Seit Jahrhunderten beschäftigen sich die Astronomen lebhaft mit dieser Frage und richten dabei ihr Augenmerk naturgemäß vor allem auf die uns am nächsten gelegenen Himmelskörper auf den Mond und die Planeten. Sind diese Gestirne, die gleich der Erde um die Sonne kreisen, ebenso wie unser Planet beschaffen? Ist ihre Oberfläche von Bergen durchzogen mit Meeren und Seen bedeckt? Sind diese Weltkörper von einer Lufthülle umgeben und erhalten sie so viel Licht und Wärme, daß auf ihnen Pflanzen und Tiere und menschenähnliche Wesen gedeihen können? Was in dieser Hinsicht über den Planeten Mars erforscht wurde, haben wir vor kurzem (vgl. S. 508 des Jahrgangs 1896 der „Gartenlaube“) mitgeteilt. Heute möchten wir unsere Leser darüber unterrichten, was die Astronomen über die physikalische Beschaffenheit der beiden zwischen der Erde und der Sonne kreisenden Planeten, des Merkur und der Venus, erkundet haben.

Merkur befindet sich der Sonne am nächsten. Seine Entfernung von ihr wechselt zwischen 69 und 46 Millionen Kilometer, der Erde kann er dagegen niemals näher als 79 Millionen Kilometer kommen, sich aber bis zu 218 Millionen Kilometer von ihr entfernen. Seine Umlaufdauer um die Sonne beträgt 88 Tage. Venus läuft um die Sonne in einer Entfernung von 107 bis 108 Millionen Kilometer, sie kann der Erde bis auf 40 Millionen Kilometer nahe kommen, sich aber bis zu 257 Millionen Kilometer von ihr entfernen. Ihre Umlaufszeit um die Sonne beträgt 224,7 Tage. Sonach ist das Jahr des Merkur an Dauer etwa einer unserer Jahreszeiten vergleichbar, und das Venusjahr dauert nur 7½ irdische Monate.

Der Planet Merkur hat einen Durchmesser von 4820 Kilometern, seine Oberfläche ist also nur 1/7 der Erdoberfläche und aus der Erde ließen sich 20 Körper von der Größe des Merkur bilden, während das Gewicht dieses Planeten 1/25 vom Gewichte der Erde beträgt. Merkur ist also ein kleiner Planet, ja unter den Hauptplaneten ist er der kleinste. Die Astronomen haben sich viele Mühe gegeben die Oberfläche des Merkur zu erforschen, doch sind in mancher Beziehung bis heute noch keine übereinstimmenden Ergebnisse erlangt worden. Der Grund hiervon liegt hauptsächlich in dem Umstand, daß der Planet Merkur sich stets nahe bei der Sonne aufhält und seine Sichtbarkeitsverhältnisse sich daher für uns sehr ungünstig gestalten. Im Jahre 1801 sahen Schröter und Harding auf der Scheibe des Merkur einen dunklen Streifen, von dem sie glaubten daß er im Laufe einiger Stunden von Ost nach West fortrücke, etwas Aehnliches sahen sie an mehreren Tagen und schlossen daraus, daß dieser Planet sich in etwa 24 Stunden einmal um seine Achse drehe. Zu anderen Zeiten sah Schröter die Sichel des Merkur an der südlichen Spitze abgestumpft und schloß daraus, daß sich dort hohe Berge befinden, wodurch das Sonnenlicht aufgehalten werde und nicht die äußerste südliche Spitze erreichen könne. Spätere Beobachter haben auch bisweilen die abgestumpfte Gestalt der Sichel des Merkur gesehen, allein im allgemeinen ergaben die Beobachtungen so wenig, daß Merkur ziemlich vernachlässigt wurde.

Mit den Fernrohren der Neuzeit ist es indessen nicht schwierig, den Merkur am hellen Tage zu sehen und zu beobachten, sein Licht ist dann sehr gemildert und überhaupt sind die Umstände günstiger für die Beobachtung, da der Planet dann hoch am Himmel steht. Im Jahre 1881 beobachtete Prof. Schiaparelli in Mailand den Merkur wiederholt am Tage und überzeugte sich, daß deutliche, dunkle Flecken auf seiner Oberfläche sichtbar seien. Er begann deshalb ein anhaltendes Studium der Merkuroberfläche und widmete demselben volle 8 Jahre. Als Hauptergebnis dieser überaus mühevollen Untersuchungen fand sich die merkwürdige Thatsache, daß Merkur sich um die Sonne dreht in der gleichen Weise wie der Mond um die Erde. Genau so, sagt Schiaparelli, wie der Mond bei seinem Umlaufe um die Erde diesen ungefähr immer die nämliche Seite und dieselben Flecke zeigt, so wendet sich Merkur bei seinem Umlauf um die Sonne dieser großen Quelle seines Lichtes stets ungefähr dieselbe Seite zu. Merkur bleibt gegen die Sonne wie ein Magnet gegen eine Eisenmasse gerichtet, aber diese Orientierung gestattet eine gewisse schwingende Bewegung des Planeten gegen Ost und gegen West, ähnlich derjenigen, welche der Mond in Beziehung auf uns ausführt. Um sich die höchst merkwürdigen Verhältnisse, die auf dem Merkur herrschen, völlig deutlich zu machen, wollen wir einen Augenblick von dieser schwingenden Bewegung des Planeten absehen, da sie überhaupt nicht groß ist. Unter diesen Umständen sieht die eine Hälfte des Merkur die Sonne ununterbrochen am Himmel, und zwar ohne jede Bewegung, wie angenagelt. Diese Hälfte des Planeten hat also Tag, und zwar ewigen Tag, die gegenüberliegende hat ewige Nacht. Diese sieht niemals eine Spur des Sonnenballs, sie ist in Dunkelheit und Kälte begraben aber auf die Tagesseite sendet die Sonne unaufhörlich ihre glühenden Strahlen, und jeder Teil dieser Hemisphäre wird in der gleichen Weise seit Millionen von Jahren durch die Sonnenstrahlen getroffen. Doch giebt es auch

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 650. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_650.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2016)