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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

Das Jubelfest der thüringer Glasindustrie.

Von Ernst Tiedt. Mit Abbildungen von Hans W. Schmidt.

Die Malerei.       Glashütte von 1597.   Die Familien Müller und Greiner.

Es giebt im grünen Thüringerlande gar viele Orte, die nicht nur durch landschaftliche Reize, sondern auch durch die Eigenart und den Gewerbfleiß ihrer Bewohner auf den Besucher anziehend wirken. Ein derartiger Landstrich ist auch das Meininger Oberland, in dem die Spielwarenindustrie zu hoher Blüte gelangt ist, und in ihm ragt wieder Lauscha ganz besonders hervor. Das stattliche Dorf blickt auf eine ruhmvolle, weil arbeitsreiche Vergangenheit zurück; in ihm stand einst die Wiege der thüringer Glaswarenindustrie.

Vor dreihundert Jahren war es, als zwei aus ihrer Heimat vertriebene Protestanten, Christoph Müller aus Böhmen und Hans Greiner aus Schwaben, in den stillen Thälern des Meininger Oberlandes Zuflucht suchten. Glasbläser von Beruf, wollten sie in der neuen Heimat

Die Lauscha.       Herzog Casimir.       Graf Pappenheim.
Bilder vom Festzuge.

ihr Kunsthandwerk ausüben. Auf einem Gebiet, das dem Grafen Pappenheim gehörte, gründeten sie im Jahre 1595 ihre erste Hütte, aber sie gerieten in Streitigkeiten mit dem Grafen und sahen sich genötigt, weiter zu ziehen. Von dem Herzog Johann Casimir in Coburg erlangten sie am 10. Januar 1597 in einem „Erbbrief“ das Privilegium zum Anbau an der Lauscha und gründeten nun den Ort, der in der Geschichte der thüringer Industrie so berühmt werden sollte.

Ein trefflicher Kenner Thüringens, Dr. Friedrich Hofmann, hat bereits im Jahre 1883 in einem anziehenden Artikel das thüringer Spielwarenland in der „Gartenlaube“ geschildert und dabei auch Lauschas ausführlich gedacht. Er wies darauf hin, wie das Gewerbe der Vorfahren sich auf Enkel und Urenkel forterbte und von diesen im Laufe der Zeiten vervollkommnet wurde. Zu den altbekannten Glasgegenständen, die in Lauscha hergestellt wurden, kamen neue hinzu, welche die thüringer Meister ersannen. So erfreuen sich die Lauschaer Glasmärbel, die buntfarbigen Glaskugeln, mit denen die Jugend so gern spielt, großer Beliebtheit, ferner ist Lauscha berühmt durch die zuerst von L. Müller-Uri hergestellten künstlichen Menschenaugen und in jüngster Zeit wird namentlich der bunte glitzernde Schmuck fabriziert, der alljährlich auf dem Weihnachtsbaum in deutschen Häusern prangt. Es sind zumeist noch immer die Nachkommen der ersten Einwanderer, die hier die Glasindustrie betreiben. In Lauscha wohnen fast lauter Greiner und Müller, die, um sich von ihren Anverwandten zu unterscheiden, ihren Familiennamen besondere Abstammungs- oder Scherzanhängsel beifügen.

Seit dem Jahre 1886 ist Lauscha durch Weiterbau der Strecke Coburg-Sonneberg endlich in den Eisenbahnverkehr einbezogen worden. Auf steiler Steigung erreicht das Dampfroß den 640 m über dem Meere gelegenen Ort. Kurz zuvor, rechts von der Bahnlinie erhebt sich der steile Lauschenstein (vgl. Abbildung S. 625), auf dem sich eine Schutzhütte befindet. ES lohnt sich, ihn zu besteigen, denn von seiner Spitze erhält man einen Ueberblick über Lauschas Umgebung; da schauen wir in einen wildromantischen Thalkessel, der ringsum von düstern Tannenwäldern umstanden ist; Waldesfrieden überall, wohin das Auge blickt. Die Aussicht erinnert sehr an den berühmten Ausblick, der sich vom Trippstein bei Schwarzburg dem Wanderer bietet.

In einem Waldthale ist auch Lauscha selbst gelegen. Wie ist aber das Dorf im Laufe der Zeiten stattlich gewachsen. Es zählt an 4000 Einwohner und das Thal wird ihm schier zu eng, denn sogar die Bergwände sind schon dicht mit Häusern besetzt.Es ist ein malerisches Bild, dessen Wirkung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Leipzig: Ernst Keil, 1897, Seite 621. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_621.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)