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Blätter und Blüten.

Der Entwurf für ein Nationaldenkmal der Völkerschlacht bei Leipzig. (Zu dem Bilde S. 501.) Professor Bruno Schmitz, der Erbauer des Kyffhäuserdenkmals, dem der Auftrag geworden war, den Entwurf für ein zur Erinnerung an die große Leipziger Völkerschlacht zu errichtendes Monument auszuarbeiten, hat diese Aufgabe nun glänzend gelöst. Unser Bild stellt die Vorderansicht des gewaltigen Denkmals dar. 90 m erhebt sich die Vorderfront über den Boden, während ein künstlich geschaffener Hügel sich bis zu 30 m Höhe an der Rückseite des Denkmals hinanzieht. Der Untergrund des dreigeteilten Baus ist 80 m breit. Rechts und links vorn leiten über einen terrassenförmigen Unterbau breite Treppen zu einer groß angelegten Terrasse empor. Die Mauerwand, welche zwischen den Treppenaufgängen sichtbar ist, zeigt als Schmuck ein Reliefbildwerk, das in der Gestalt des heiligen Michael das Erwachen des deutschen Volkes und dessen siegreiche Erhebung gegen seine Unterdrücker darstellen soll. Von der oberen Terrasse strebt ein in der Höhe sich verjüngender viereckiger Turmbau auf, der eine Halle in sich birgt, deren Wandflächen von vier hohen Bogenöffnungen durchbrochen sind. Nach vorn zu ist die Halle durch einen halbkreisförmigen Säulengang abgeschlossen. Das Ganze krönt ein säulengetragener Rundbau, der mit einem Kranz von Kugeln geschmückt ist und nach oben in einem von monumentalen Löwen gehaltenen Eisernen Kreuz seinen Abschluß findet. Trotz aller Wuchtigkeit der Massen erweist sich das Denkmal als ein fein durchdachtes wohlgegliedertes Architekturwerk, das einen mächtigen erhebenden Eindruck hinterläßt.

Im Innern des Denkmals führen Treppen bis zur höchsten Spitze empor, von wo aus man Leipzigs weites Schlachtgefilde überblicken kann. Zu beiden Seiten des Denkmals sollen deutsche Eichen rauschen. Vor demselben hat sich der Künstler einen Weiher, oder besser noch die Anlage eines „Stadions“ nach klassischem Vorbild gedacht, durch welche die Platzfrage für Deutschlands künftige Wettspiele in schönster und würdigster Weise gelöst wäre.

Hoffen wir, daß das herrliche Werk, welches das große geschichtliche Ereignis der Erhebung Deutschlands aus niedriger Schmach wahrhaft ergreifend zum Ausdruck bringt, bald in Wirklichkeit erstehen werde. Aber freilich, dazu sind bedeutende Mittel nötig. Und wir geben gern der wiederholten Bitte Raum, ein jeder Deutsche möge helfen, diese aufzubringen und sein Scherflein dazu beitragen, das, so klein es auch sei, von der Sammelstelle des Deutschen Patriotenbundes, (Clemens Thieme in Leipzig, An der Pleiße Nr. 12) entgegengenommen wird.

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Sommerfrische am Huronsee.
Nach Skizzen von Ida Chelius gezeichnet von W. Hoffmann.

Sommerfrische am Huronsee. (Mit Abbildung.) Der Drang, während der heißen Jahreszeit die Mauern der Stadt zu verlassen und in freier Natur Erquickung und Erholung zu suchen, ist den Amerikanern ebensogut eigen wie den Europäern. In der Neuen Welt, namentlich in Nordamerika, fehlt es auch nicht an Bädern und Kurorten, die mit allen wünschenswerten Bequemlichkeiten ausgestattet sind. Viele Nordamerikaner verbringen jedoch ihre Ferienzeit in eigenartigerer Weise. Sie verlassen die Verkehrswege und ziehen in die unverfälschte Natur. Fernab von menschlichen Wohnungen schlagen sie Zelte im Walde auf und leben hier wochen- und gar monatelang in wahrer Natürlichkeit. Andere wieder ziehen aufs Wasser der großen Seen. Solche Sommerfrischler führt uns unsere Abbildung vor. Das „Hausboot“, das am Ufer verankert ist, gleicht einer Arche Noah. Doch ist es bequem eingerichtet, mit Küche, Wohn- und Schlafzimmern versehen, und wenn gut verträgliche Leute drin wohnen, dann kann man es einige Wochen schon aushalten. Die Landschaft, in der es sich befindet, ist die Georgianbai des Huronsees, des mittleren der fünf kanadischen Seen. Meilenfern von jeder menschlichen festen Ansiedlung liegt hier ein Gewirr von zahllosen Inseln mit breiten dazwischen sich schlängelnden Kanälen. Viele dieser Eilande stehen nackt da und zeigen die groteskesten Felsbildungen, die anderen prangen im üppigsten Pflanzenwuchs. Traumhaft schön ist hier eine Bootfahrt im Mondenschein, wenn das oft so stürmische Element still ist, still, als ob es schliefe. Nach allen Seiten thun sich zwischen den Inseln weite Wasserstraßen auf, die sich in grauer Ferne verlieren. Das Wasser ist so klar, still und glatt, daß die Ruder fast lautlos darin versinken. Es ist, als schwebe man durch die Lüfte, geheimnisvollen Mächten ein Spiel.

Die nächsten Nachbarn der Sommerfrischler sind hier Indianer, klägliche Ueberreste der einst stolzen Irokesen. In schmutzigen Zelten hausen sie beieinander und nähren sich hauptsächlich von Fischen, die sie an Querstangen vor ihren Zelten trocknen. Sie empfangen Besuche der Weißen und kommen auch zu den Sommerfrischlern, um ihnen beim Jagen und Fischen zu helfen. Nichts Malerischeres kann man sehen als einen Indianer mit seinen Hunden, wie er mit wunderbarer Geschwindigkeit und lautlosem Schlage das kleine Birkenboot durch die Fluten treibt. Das einzige kurze Ruder, das er führt, scheint kaum das Wasser zu berühren.

Zu Anfang des Sommers schleppt ein Dampfer das Hausboot von einer stundenweit entfernten Stadt in diese stille Wildnis, und wenn die Bäume und Sträucher an den Seeufern in den dort so wunderbar schönen Herbstfarben zu glühen beginnen, schleppt er die Sommerwohnung wieder zurück. Ida Chelius.     

Die Klatschbasen. (Zu dem Bilde S. 513) Wer hätte es glauben mögen, daß der einzige Sohn des reichen Bürgermeisters das arme Ding, des Flickschneiders jüngste Tochter Anna, heiraten würde! Und doch ist es so – oder wird es bald werden, denn gestern hat der Bürgermeister Ja und Amen gesagt und die Verlobung wurde gefeiert. Dieses neueste Stadtereignis wird im Rate der drei Klatschbasen auf unserem Bilde eifrig besprochen. Die Erzählerin in der Mitte hat die Brautleute seit deren ersten Lebenstagen gekannt und berichtet ohne Ende von ihnen und ihren Familien. Die Freundinnen hören zu, als ob sie das allerneueste vernähmen, obwohl auch sie die Familie des Flickschneiders und die des Bürgermeisters genau so gut kennen. Aber freilich! Die Alte hat eine Zungenfertigkeit und einen Vortrag, von denen die Leute in allen Straßen und Gassen mit nicht unberechtigter Scheu sprechen. Das „unverdiente Glück“ Annas wird von ihr jetzt haarscharf durchgehechelt und die Zukunft des jungen Paares mit den düstersten Farben ausgemalt. Und das thut den Zuhörerinnen wohl, denn sie klatschen für ihr Leben gern, und wenn die drei zusammenkommen, dann wird gar oft der siedende Kochtopf daheim und der Strickstrumpf im Beutel vergessen. Schlimme Folgen wird jedoch diese Gerichtssitzung nicht nach sich ziehen. Erstens sind die Alten lebenserfahren und klug genug, die Geständnisse ihrer schönen Seelen, in Anbetracht der zweifellosen Unbescholtenheit der beiden Familien für sich zu behalten und dann vereint die Brautleute das feste Band wahrer Liebe, das kein Klatsch zu lockern vermag. *      


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

K. L. in M. Die Bezeichnung „Grenadier“ kommt von Grenate oder Granate her. In früheren Zeiten wurden den Infanterieregimentern Mannschaften beigegeben, die Granaten mit der Hand werfen sollten, um das Feuer der Infanterie zu unterstützen. Sie fanden besonders im Festungskriege oder im Kampfe mit der Kavallerie Verwendung. Da das Handhaben der schweren eisernen Geschosse besondere Körperkräfte erforderte, wählte man zu Grenadieren die größten und kräftigsten Mannschaften. Diese Truppe ist zuerst im Dreißigjährigen Kriege aufgekommen. Später bezeichnete man eine auserlesene Infanterie mit dem Namen Grenadiere. Noch lange trugen sie als besonderes Kennzeichen eine springende Granate an der Kopfbedeckung und am Lederzeug.


Inhalt: [ Inhalt der Wochen-Nr. 30/1897 ]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 516. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_516.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)