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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

In der Nähe liegt ferner der breite Quai mit der schönen alten Linde. Hier ist die Landungsbrücke der Dampfschiffe (vgl. die obere Abbildung S. 493) und das Stelldichein der Sommergäste; hier herrscht bis zum späten Abend das regste Leben.

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Blick vom Wäldchen in Pörtschach auf Maria Wörth.

Ernst Wahliß hat auch das früher im Besitz des Grafen Dietrichstein befindliche alte Schloß Velden am westlichen Ende des Sees (nicht zu verwechseln mit dem Kurort Veldes in Krain) renoviert und zu einem ähnlichen Etablissement umgebaut. Das weitläufige Schloß hat schöne, große und kühle Wohnräume, welche volle Aussicht auf den See bieten, den man in seiner ganzen Länge bis Pörtschach überblickt. Im großen, schattigen Schloßpark mit Villa, Lawn Tennisplatz und gedeckter Kegelbahn entspringen viele Quellen des westlichsten kalten Trink- und Nutzwassers, welche nicht nur die 17 Teiche der großen Forellenfischzucht speisen, sondern auch die zur elektrischen Beleuchtung des ganzen Etablissements nötige Betriebkraft liefern. Vor dem Schlosse befindet sich die neuerbaute Restauration mit breiter, in den See vordringender Terrasse und das Café mit Billard, ferner die Strandvilla, die Badeanstalt, die Kielboothütte, der Verkaufsbazar und der Landungsplatz der Dampfschiffe.

Die prachtvolle Umgebung verlockt den Gast zu zahlreichen Ausflügen: nach Klagenfurt und Villach, auf den Dobratsch, den „österreichischen Rigi“, nach Tarvis, der Schlitzaschlucht, den Weißenfelser Seen und Veldes, Ruine Landskron, dem Ossiacher-, Millstätter- und Faakersee, Hoch-Osterwitz usw. Jeder dieser Ausflüge kann in einem Tage gemacht werden, während es in nächster Nähe viele kleine reizende Ausflugsorte und Aussichtspunkte giebt, von denen die am Ufer des Sees liegenden mühelos in einer halben oder ganzen Stunde im eigenen Boot aber mit Benutzung der Dampfschiffe erreicht werden können. Auf dem See verkehren zwei größere Dampfer, „Helios“ und „Neptun“, während drei kleinere den Lokalverkehr vermitteln. Dem Rudersport und der Fischerei wird am ganzen See eifrig gehuldigt, und der Segelsport wird auf keinem anderen österreichischen See so fleißig betrieben wie hier.

Schloß Velden mit Restauration von der Seeseite.

Auch der Radfahrsport hat infolge der günstigen Bedingungen, welche am Wörther See für ihn vorhanden sind – ebene, gutgehaltene und staubfreie Straßen und Wege – in den letzten Jahren einen so mächtigen Aufschwung genommen, daß in Pörtschach eine eigene Fahrschule errichtet wurde. Die nahezu vollendete Kaiser-Franz-Josef-Straße am südlichen Ufer des Sees bildet mit der alten Reichsstraße am nördlichen Ufer eine langgestreckte, in sich selbst zurückkehrende Kurve, welche neben zahlreichen kleineren Partien auch eine reizvolle Uferfahrt um den ganzen See ermöglicht. Die Straße läuft dem Ufer bald näher, bald ferner; durch frisches Grün blickt der blanke Spiegel des Sees heraus und spielt mit dem entzückten Auge des Wanderers ein fortwährendes Grüßen und Verstecken.

Häufig hört man die Frage: „Wann ist es am Wörther See am schönsten und wann ist er am stärksten besucht?“ In der Hochsaison und den Ferien, im Juli und August, finden sich natürlich die meisten Kurgäste und Sommerfrischler ein. Wenn ich zu wählen hätte, so würde ich den Mai und Juni, oder den September und Oktober vorziehen. Doch das ist Geschmackssache; der Wörther See ist immer schön. „Vom ganzen nördlichen Ufer aus ist das Hochgebirge der Karawanken sichtbar, dessen Formen der Umgebung des Sees eine hohe landschaftliche Schönheit verleihen, die noch durch den großen Wechsel ihrer Bilder gehoben wird und ihre vollendeten Reize im Frühling zeigt, wenn die noch ganz verschneiten Karawanken sich von dem vorgelagerten frisch ergrünten Mittelgebirge ganz wunderbar abheben und der klare Frühlingshimmel in der Flut sich spiegelt. Geradezu bezaubernd schön wird aber der Anblick, wenn, von den Strahlen der untergehenden Sonne getroffen, die unersteiglich scheinenden Felsenmassive mit ihren schneeerfüllten Geröllrinnen in Purpur erglühen, während schon tiefe Schatten über das Thal sich hingelagert haben.


Dann steigt hinter dem zerklüfteten Hochgebirge der Mond empor und streut sein Silber auf den spiegelglatten See, auf Berge und Wälder. Ein leichter Luftzug trägt aus dem Park den berauschenden Duft von tausend und aber tausend Rosen herüber, gegen den die Wohlgerüche der Nelken, Akazien und Linden nicht mehr aufkommen. Nachtigallenschlag dringt aus den Gebüschen. Eine heitere Gesellschaft sitzt noch plaudernd unter der alten Linde am Ufer. Um die Badehütten klingt ein leises Plätschern der Wellen und ein verhaltenes Kichern von Mädchenstimmen. Kaum hörbar gleiten die Boote pfeilschnell über die schimmernde Fläche, und draußen in der Ferne ertönen Mandolinenklänge und Koschats Kärntner Lieder durch die stille Mondnacht:

Mir lacht das Herz, wenn ich dich seh’,
Du Perle von Kärnten, mein Wörther See!

Schloß Velden: altes
Eingangsthor vom0
Jahre 1603.      


Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 495. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_495.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)