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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

hatte er noch durch die Hände ihr zugerufen, wie sie am Strande stand und ihm nachwinkte, dann war sie einsam umgekehrt. – Aber die Brise frischte auf und wurde zum Kuhsturm, und über Nacht war ein richtiger Sturm daraus geworden. Es schmetterte und heulte über der wütenden See und nun den Giebel des Fischerhauses. Der Alte saß still bedenklich am Tisch und rauchte und horchte hinaus. Wiebke las im Gesangbuch und ihr Herz zitterte, und flackernd brannte die Lampe. Da fuhr ein brüllender Windstoß gegen das Fenster und warf eine Scheibe heraus, daß sie klirrend am Boden zersprang. Die Lampe verlosch. Wiebke schrie auf. „Gottverdoria!“ murmelte der Alte, „dulle Wedder vun Nacht!“

Gegen Morgen flaute es ab und die See ging herunter. Aber vom Boot keine Spur. Bei Sonnenuntergang sahen sie’s endlich, wie es sich aufkreuzte gegen den Wind. Arg zerrissen sahen die Segel aus – war eine böse Nacht gewesen. – Aber nun waren sie da!

Nur Brax Folkert war nicht dabei! Er war beim Festmachen des Klüwers über Bord gegangen, wie der Stampfstock gebrochen war und der Klüverbaum. Sie hatten ihn wieder gesucht. Es war ein fürchterlicher Kampf gewesen mit der See und dem Sturm und dem Tode. Gegen See und Sturm hatten sie gewonnen, aber der Tod hatte gesiegt. Ein stiller Mann lag im Boot, als sie ihn gefaßt und in den vollgeschlagenen Ewer gezogen hatten.

Nun lag er vor seiner Hütte auf der Totenbahre, und neben ihm kniete wortlos in ungeheurem Leid Wiebke, „Hol’ di munter!“ klang es in höhnendem Echo vor ihrem Ohr. Der Alte hatte die Hände gefaltet. „Min ole leewe Jung!“ schluckte er, aber weinen konnte er nicht. – „Dor buten (da draußen) in all de Jahren is em nix passiert,“ sagte Peter zu den Nachbarn, „und hier to Huus mutt he dran! Je – ja!“

Von der See her schrieen die Möwen, und die untergehende Sonne spiegelte sich mit mattem Glanz im nassen Sande des Strandes, den der Sturm überflutet hatte. In kurzen Stößen fuhr der Wind wie klagend über das rauschende Strandmeer und Wiebke warf sich über die Leiche und weinte jammernd auf. Das alte Lied – Seemannslos! P. G. Heims.     

Die Araukarie im „Weinberg“ bei Walzenhausen.
Nach einer photographischen Aufnahme von W. H. Hane.

Die Araukarie im „Weinberg“ bei Walzenhausen. (Mit Abbildung.) Im Jahre 1793 wurde von der Norfolkinsel im Stillen Ocean ein Nadelholzbaum nach Europa eingeführt, der heute eine der schönsten Zierden in unseren Gewächshäusern bildet. Es ist die Araucaria excelsa, die durch ihren regelmäßigen Wuchs sich auszeichnet. Verschiedene Arten der Araukarien bilden in Australien und Südamerika große Wälder und werden als Nutzbäume hochgeschätzt, da sie vorzügliches Holz liefern. In Deutschland können sie nur als Kübelpflanzen gehalten werden, da man sie im kalten Gewächshaus überwintern muß. Darum kann es als eine merkwürdige Erscheinung verzeichnet werden, daß im Hofe „Weinberg“, der oberhalb des Rheins vor seinem Einfluß in den Bodensee zwischen Rheineck und dem viel besuchten Luftkurort Walzenhausen gelegen ist, eine Araukarie seit Jahren im Freien gedeiht und Früchte reift. Der Baum gehört der Art Araucaria imbricata an, die in Chile heimisch ist und dort eine Höhe von etwa 30 m erreicht.

Der Baum, der ein Alter von etwa 50 Jahren hat, kam in den vierziger Jahren als ein 30 cm hohes Pflänzchen aus dem Botanischen Garten in Zürich und gedieh vorzüglich. Der Stamm, von etwa 10 m Höhe und einem Durchmesser von 30 cm in Brusthöhe, ist in einer prächtigen Spirale von stacheligen Blättern bedeckt, so daß ein Erklimmen zur Unmöglichkeit wird. Er verzweigt sich regelmäßig und streckt seine in Quirlen stehenden, bis 2 m langen Aeste ziemlich horizontal aus. Diese Aeste sind ganz besonders interessant, denn sie bilden eigentlich fertige Guirlanden; die Nadeln umstehen nämlich ihren Tragzweig spiralig und bedecken ihn, da sie am Grunde breit sind, so vollständig wie die Schuppen den Fisch oder das Schuppentier. So bietet ein Zweig fast den Anblick eines mit wunderbarer Genauigkeit gefertigten Kranzes aus Stechpalmenblättern. Die Nadeln endigen jeweilen in eine haarscharfe Spitze, die beim Anfassen eines Zweiges Vorsicht bedingt. Die Zapfen, die von den Indianern Chiles als Nahrungsmittel verwendet werden, gleichen, wie unsere Abbildung in der oberen Ecke zeigt, in der Form ungefähr denjenigen der Kiefer, erreichen aber die Größe einer wohlausgebildeten Kokosnuß. J. A.     

Musikanten in der Sommerfrische. (Zu dem Bilde S. 425.) „Musikanten!“ rufen die Bauernbuben durch die Gassen und „Musikanten!“ wiederholen entzückt die Stadtkinder, welche auf Sommerfrische hier in dem Tiroler Dörfchen wohnen. Allgemeiner Aufstand folgt und schleuniges Hinausrennen auf den Platz, wo die biederen Virtuosen bereits Posto gefaßt haben und ihre kräftigen, wenn auch durchaus nicht glockenreinen Töne auf den Blechinstrumenten schmettern. Sie wirken trotzdem unwiderstehlich; den Kindern folgen die elegante junge Mama und die Tante, auch das lustig krähende Jüngste wird auf dem Arm mitgenommen. … Nur der Familienvater bleibt ungerührt von diesem Konzert; seine Aufmerksamkeit gilt einzig der jetzt vom Wirtshause her mit dem beladenen Speisebrett und gefüllten Bierkrügel nahenden Kellnerin. Aber er wird sicher seine Spende nicht verweigern, damit nach vollendeter Kunstleistung der Musikantendurst zu seinem Rechte kommt. Drinnen im kühlen Wirtsstübel sitzen dann die wandernden Gesellen ebenso vergnügt wie die Gäste in der Sommerlaube, denn derselbe vortreffliche braune Trank füllt ihre Kugeln und schafft auch ihnen die Stimmung harmlos drohenden Behagens, welche so recht die eigentliche Atmosphäre dieser dörflichen Gebirgssommerfrischen ausmacht. Bn.     

Kleine Friedensstifter. (Zu unserer Kunstbeilage.) Die Tiercharaktere sind fest ausgeprägt. Freundschaften und Feindschaften zwischen einzelnen Tierarten sind angeerbt und gehen den einzelnen Mitgliedern der Sippen in Fleisch und Blut über. Aber so uralt solche Feindschaften sein mögen, unter dem Einfluß des Menschen werden auch so zähe Fehden beigelegt, wie sie zwischen dem Hunde- und Katzengeschlecht bestehen. Die Bulldogge und das Kätzchen auf unserem Bilde standen wohl im Begriff, unter Geknurr und Gefauche einen grimmigen Strauß auszufechten, aber die lieben Kinder griffen als Friedensstifter ein. Der klügere Hund fügt sich eher als die leidenschaftliche Katze. Die Gewöhnung thut jedoch viel, noch einigemal wird wohl der Anlauf zum Kampf stattfinden, aber durch Friedensvermittlung die Feindschaft beschwichtigt werden. Zuletzt werden die kleinen Friedensstifter doch erreichen, daß in ihrem Haus und Hof Hund und Katze sich friedlich vertragen. *      


☛      Hierzu Kunstbeilage XIII: „Kleine Friedensstifter“. Von M. Seymour-Lucas.


Inhalt: [ Inhalt der Wochen-Nr. 25/1897 ]



Nicht zu übersehen! Mit der nächsten Nummer schließt das zweite Quartal dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“; wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellung auf das dritte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

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Einzeln gewünschte Nummern der „Gartenlaube“ liefert auf Verlangen gegen Einsendung von 30 Pfennig in Briefmarken direkt franko die Verlagshandlung:

Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. 

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 428. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_428.jpg&oldid=- (Version vom 4.7.2023)