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verschiedene: Die Gartenlaube (1897)

wieder etwas von der schier ergötzlichen Dummheit meines Leydner Kollegen!“

„Ich freu’ mich darauf,“ lachte das junge Mädchen. „Und seid mir nicht böse, wenn ich Euch jetzt in die Quere kam!“

„Böse? Kann man dir böse sein? Das wär’ ja nicht anders, als wollt’ ich dem Sonnenschein zürnen, der mir ins Zimmer lugt! Du hast’s gut gemeint, diesmal wie immer! Uebrigens – laß dich ’mal anschauen! Das blaue Gewand steht dir entzückend. Und hier die Maiblumen! Du hast recht, wenn du dich hübsch machst! Wäre ich ein Jüngling im sechsten Lustrum, und nicht dein alter vierundfünfzigjähriger Vater …“

„Ihr verderbt mich noch!“ rief sie errötend. „Also auf Wiedersehn! Das wird wohl heute ein spätes Nachtmahl?“

„Kann sein, Kind! Wartet nur nicht auf mich! Denn, wie gesagt …“

„O, ich warte, und wenn’s bis Neun dauert! Ohne Euch schmeckt mir ja doch kein Bissen! Mag die Gertrud allein essen!“

Sie drückte ihm einen flüchtigen Kuß auf die Stirn und überließ ihn dann wieder seinem römischen Epigrammatiker. Franz Leuthold blickte ihr glückstrahlenden Auges nach und murmelte traumverloren:

„Ganz die selige Mutter! So lieb, so klug – und so edel, schön an Seele und Leib! Gott der Allgütige nehme sie immerdar in seinen gnädigen Schutz!“

Eine Weile noch sann er. Es war, als ob die Wehmut einer teuren Erinnerung ihn überwältigt hätte. Nur zögernd beugte der ernste, mildfreundliche Kopf mit dem stattlichen dunklen Bart sich über das Buch und das halb schon beschriebene Blatt, bis dann endlich Marcus Valerius Martialis über die weichherzigen Anwandlungen des Augenblickes den Sieg davontrug.

Inzwischen war Hildegard leichten Fußes die breite Holztreppe hinuntergeeilt. Wie sie ins Freie trat, schien sie noch unschlüssig. Der gepflasterte Weg vor dem Hauseingang führte links nach dem Garten, rechts auf die Grossachstraße. Ein schweres schmiedeeisernes Thor schloß hier das Grundstück ab. Nach kurzem Besinnen wandte sich Hildegard rechts und drehte dies Thor in den Angeln.

Die Straße war staubig. Hier und da stiegen im leichten Wind grauqualmende Wirbel empor. Das lockte nicht sehr. Weiter draußen war das vielleicht noch schlimmer.

Eben wollte das Fräulein wieder das Thor schließen und kehrt machen, als ein stattlicher junger Mann in schwarzer Gelehrtentracht des Weges daher kam und mit ehrerbietigem Gruß sein sammetenes Barett lüpfte. Der junge Mann war Doktor Gustav Ambrosius, ein Glaustädter von Geburt wie Hildegards Vater. Im vorigen Jahr, kurz vor der Wiederansiedlung des Magisters, hatte er sich in Glaustädt als Arzt niedergelassen, nachdem er zu Heidelberg und Bologna mit Auszeichnung seine Examina absolviert hatte. Als Sohn einer altangesehnen Familie – von der übrigens außer ihm selbst niemand am Leben war – hatte er bei den sogenannten Geschlechtern Glaustädts, den Patriziern, Ratsherren und Großkaufleuten rasch Eingang gefunden, zumal sich der sechzigjährige Honoratiorenmedicus am Lynndorfer Steinweg mehr und mehr von der Praxis zurückhielt.

Die Beziehung zu Leutholds fußte freilich auf anderer Grundlage. Der erste Stadtpfarrer von Glaustädt, Herr Melchers, ein Jugendfreund des Magisters und gleichzeitig ein guter Bekannter des Hauses Ambrosius, hatte den jungen Arzt aus rein geselligen Gründen bei Franz Engelbert Leuthold eingeführt, weil er voraussetzte, daß die beiden klassisch gebildeten, dabei aber einem heiteren Lebensgenuß keineswegs abholden Männer trotz der Verschiedenheit ihres Alters ganz besonders einander zusagen würden. An den Verkehr mit Hildegard hatte der ernste, oft von weltflüchtigen Anwandlungen heimgesuchte Stadtpfarrer bei dieser Einführung nicht gedacht. Um so angenehmer empfand Doktor Ambrosius die unerwartete reizvolle Zugabe.

(Fortsetzung folgt.)




Ein neues Mittel gegen Insektenstiche.

Von M. Hagenau.

Sie summen und surren in den Lüften, tanzen im hellen Sonnenschein und ihre Bewegungen sind so flink und zierlich, ihre Flügel schillern in allen Farben. Wir bewundern sie das eine Mal und bald darauf wünschen wir diese Insekten zum Kuckuck, denn gar viele von ihnen sind mit Stacheln bewaffnet, die obendrein noch vergiftet sind, und geschickt handhaben sie diese Waffen gegen uns Menschen.

Die Stechmücken können uns alle Freude am Naturgenuß vergällen und in wasserreichen Gebieten werden sie zu einer unerträglichen Plage. In Nord und Süd hausen sie mit gleicher Zudringlichkeit. Alexander von Humboldt hat behauptet, daß nicht Indianer, nicht Schlangen, Krokodile und Jaguare die Reise auf dem Orinoko furchtbar machen, sondern die Scharen der Stechmücken, und von dem blutgierigen Treiben dieser Geschöpfe in den Tundren Sibiriens hat Brehm in seinen Vorträgen eine abschreckende Schilderung geliefert. So schlimm ist es bei uns in Deutschland mit dieser Plage nicht bestellt, aber wie lästig Mückenstiche werden können, davon weiß wohl fast jeder unserer Leser aus eigener Erfahrung.

Zu den Mücken gesellen sich als Plagegeister die Scharen der Bremsen. Diese blutgierigen Fliegen peinigen zwar vor allem das Vieh, werden aber auch dem Menschen lästig und gefährlich. Die Stechfliegen, die Tiere besuchen, werden mitunter zu Verbreitern schwerer tödlicher Krankheiten. Ist das Tier, an dem sie Blut gesaugt haben, krank, so können sie, wenn ihr Stechrüssel verunreinigt wurde, Krankheitskeime auf andere Tiere und Menschen übertragen. In gewissen Gegenden des tropischen Afrika sind z. B. die Rindviehzucht und das Halten der Pferde unmöglich, die Tiere erliegen in der Regel den Stichen einer Bremse, die man Tsetsefliege nennt. Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß die Tsetsefliege an sich ungiftig ist, daß sie aber mit ihrem Stechrüssel todbringende mikroskopische Parasiten in das Blut der Rinder und Pferde einimpft. In derselben Weise werden bei uns Stechfliegen zu Verbreitern des Milzbrandes. Stiche der Fliegen haben bei Menschen wiederholt Blutvergiftungen verursacht.

Vergiftete Waffen führt auch das Heer der Bienen und Wespen. Unter ihnen werden am meisten die Hornissen gefürchtet und ein Sprichwort besagt, daß zwei Hornissen einen Menschen und drei ein Pferd töten können. Richtig ist dieses Sprichwort nicht. Das Gift der Bienen und Wespen ist nicht so stark, daß unter gewöhnlichen Umständen einige dieser Tiere durch ihre Stiche den Menschen umbringen könnte. Anderseits kommt es auf die Art der Stiche an und diese kann sich so ungünstig gestalten, daß schon ein einziger Stich lebensgefährlich wird. Trifft der Stich z. B. die Zunge, so kann die Anschwellung so stark werden, daß sie auch die tiefer liegenden Teile des Halses um den Kehlkopf angreift und Erstickung herbeiführt. Versenkt die Biene den Stachel in ein Blutgefäß und ergießt sie in dasselbe ihr Gift, so wirkt dieses besonders stark, dann treten schlimme Erscheinungen ein, Ohnmacht, Herzschwäche usw. In diesem Falle aber kann auch das Gift eine Gerinnung des Blutes herbeiführen, das Gerinnsel wird von dem Blutstrom fortgerissen, kann nach dem Gehirn getragen werden und, wenn es hier Arterien verstopft, Lähmungen und Tod verursachen. Schließlich sei noch erwähnt, daß ein ganzer Bienen- oder Wespenschwarm einen Menschen so furchtbar zurichten kann, daß er an den Wunden zu Grunde geht. Glücklicherweise sind solche Zufälle äußerst selten, in der Regel legt sich die Entzündung, die der Stich verursacht hat, nach einigen Tagen.

Selbst die ungefährlichen Stiche vieler Insekten sind jedoch oft so lästig und schmerzhaft, daß der Wunsch, Mittel zu erfinden, welche die Heilung beschleunigen, durchaus gerechtfertigt erscheint. Das Volk kennt eine ganze Reihe derselben, in verschiedenen Gegenden werden verschiedene Linderungsumschläge empfohlen. Bald soll man feuchte Erde, bald frische Blätter, bald geriebene Kartoffeln oder Milchumschläge auf die Stichwunde legen. Was an diesen Mitteln hilft, das ist weiter nichts

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1897). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1897, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1897)_330.jpg&oldid=- (Version vom 15.1.2018)