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daß ich meinerzeit ein sehr zierliches Körbchen von ihr erhalten habe – mit Achtung und Freundschaft und Sympathie gefüllt und vergoldet – aber ein Korb blieb’s doch! Na? wie ist’s? Haben Sie in Ihrer Künstlerwerkstatt etwa auch so ein Dingelchen stehen? Verstaubt und halb vergessen? aber doch da? –“

„Nein,“ sagte Peter Hansen mit herzlichem Ton, „nein, lieber Herr Doktor, das habe ich nicht! Aber gekannt hab’ ich das Fräulein vielleicht besser als ihr alle – und daß, wer sie gekannt hat, sie auch lieb gehabt hat, das brauche ich Ihnen, wie ich eben höre, nicht zu erzählen. Ja, ich gestehe Ihnen ehrlich, daß die Erinnerung an dieses liebe Mädchen fast das stärkste Band gewesen ist, das mich nach einem wilden Wanderleben hierher zurückgezogen hat, und da braucht es wohl keiner weiteren Worte, um Ihnen zu versichern, daß ich mich gern mit Hand und Herz, mit Pinsel und Farbenkasten in den Dienst der schönen Gefeierten stelle und Ihnen alle Bilder malen will, die Sie nur irgend haben mögen, und sollte ich die Nacht zu Hilfe nehmen. Geben Sie mir Ihre Skizzen und Notizen, und dann lassen Sie mich allein; ich bin jetzt gerade in der richtigen Verfassung und werde schon was Vernünftiges zustande bringen!“

Er nahm die Papierrolle aus den Händen des Doktors entgegen und drängte ihn dann fast zur Thür hinaus.

Der Doktor ging sehr zufrieden seiner Wege, pfiff ein paar Takte und dachte bei sich: „Wenn der um zehn Jahr früher gekommen wäre, da hätten wir am Ende einen Kalaf für unsere Turandot gehabt!“

(Fortsetzung folgt.)


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Aus der Autographenwelt.

Von Hans H. Busse.

Wir leben in einer Zeit, in der das Sammeln blüht und jung und alt sich ihm in gleichem Maße ergiebt. Unter den verschiedenartigen Sammlergebieten ragt als das bedeutendste die „Autographik“ hervor, und nicht mit Unrecht hat man das Sammeln von Handschriften berühmter Menschen als den „königlichen Sammelsport“ bezeichnet. In der That dürfte aus der Beschäftigung mit Handschriften der Sammler die reichsten geistigen Anregungen erhalten; muß er sich doch dabei mit dem Leben und Wirken von Männern und Frauen befassen, die Hervorragendes geleistet haben auf den Gebieten der Politik, der Kunst und der Wissenschaft; unwillkürlich wird er durch diesen „Sport“ zum Studium der Geschichte geleitet. Kein Wunder darum, daß die Autographik mit der zunehmenden Verbreitung der allgemeinen Bildung sich auf immer weitere Kreise ausdehnte, daß die Zahl der Sammlungen zunahm und neben einer Speziallitteratur für die Autographik sich auch ein bedeutender Handel mit Autographen ausbildete.

Das Interesse für die Selbstschriften irgendwie bedeutender Menschen dürfte wohl so alt sein wie das Schreiben selbst; in China hat es schon seit etwa 2000 Jahren zum Sammeln geführt, allerdings einseitig und mehr aus einem Kultbedürfnisse: die Wände der Tempel sind mit den Handschriften der Kaiser bedeckt.

Das Antographensammeln im engeren Sinne läßt sich ungefähr 300 Jahre zurückverfolgen, zumeist blühte es früher in den Stammbüchern. Der erste bekannte Autographensammler war Antoine Loménie de Brienne († 1638), dessen großartige Sammlung in der Pariser Bibliothek als „Fonds de Brienne“ in 340 Foliobänden aufgestellt ist. Seit dieser Zeit finden wir, zunächst in Frankreich, immer häufiger Autographensammler. Um 1800 verbreitete sich die Sammelliebe für Handschriften auch nach Deutschland, England und später nach Italien, und gegenwärtig ist die Autographensammlergilde über die ganze gebildete Welt verbreitet und zählt wohl Tausende von Anhängern. Einer der ersten Autographensammler Deutschlands war unser Altmeister der Dichtung, Wolfgang Goethe. Auch Metternich und Napoleon I. sammelten Handschriften. Um aus der jüngeren Zeit und aus der Gegenwart nur einige Namen von Weltklang zu nennen, seien unter anderen erwähnt an Fürsten: die Königin von England, Kaiser Friedrich und Herzog Ernst II. von Coburg, an Künstlern und Dichtern: Alex. Dumas, Johannes Brahms, an Gelehrten: die Professoren Carrière und Weinhold. Das sind doch wohl Namen, die auch dem Laien Respekt einflößen vor der Thätigkeit des Autographensammelns und die es ihm unmöglich machen, fürderhin über die Anhänger desselben zu lächeln und zu witzeln; bekanntlich ist ja die Figur des Autographenjägers, der alle hervorragenderen Zeitgenossen um Handschriftliches anbettelt, die beliebte Zielscheibe vielfacher Spötteleien, und der Laie meint, in völliger Verkennnng der Sache, in dieser Figur die Thätigkeit alles Autographensammelns zu treffen! Jenes Handschriftenerbitten gilt dem richtigen Sammler ganz und gar nicht für ein sachgemäßes Sammeln.

Die Autographik faßt den Begriff der Berühmtheit nicht eng, es handelt sich bei ihr um das Sammeln von Handschriften berühmter oder auch berüchtigter Personen. Die Wertung allerdings, wer eines dieser Prädikate würdig sei, ist zuweilen recht schwer; soll z. B. jeder deutsche Jüngling als handschriftlich unsterblich betrachtet werden, wenn er ein Bändchen Gedichte verbrochen und in die Welt geschickt hat? Gewiß nicht! Im allgemeinen dürfte die Aufnahme eines Namens in ein Konversationslexikon wie Brockhaus, Meyer oder Pierer als Zeichen der Berühmtheit oder Berüchtigtheit gelten. Handschriften von solchen Personen sind des Sammelns würdig und gewinnen demgemäß Wert, je nachdem sie gesucht sind. Denn bei weitem nicht alle Sammler sammeln alle Berühmtheiten; Beruf und Neigung führen die meisten zur Wahl von Spezialgebieten als da sind Fürsten und Herrscher, Staatsmänner, Militärs, Dichter, Künstler, Philosophen, Frauen; und selbst hier werden wieder und wieder Unterabteilungen gebildet, so z. B. bei den Dichtern nach den Nationalitäten und dann nach dem Zeitabschnitt und dann womöglich noch enger; so ist „Weimars Musenhof“ ein sehr beliebtes Spezialgebiet in der Autographik, freilich ist dasselbe, wegen seiner Beliebtheit, nicht gerade so kostenlos anzubauen wie manches andere.

Der rechtmäßige Erwerb von Autographen geht hauptsächlich durch Tausch und Kauf vor sich; die Fälle sind selten, wo jemand durch günstige Verbindungen Autographen geschenkt erhält oder gar – wie es zuweilen vorgekommen ist – in alten Familienbücherkisten oder unter dem Wurstpapier der Fleischer wahre Handschriftenschätze entdeckt. Der Tauschhandel in Autographen bietet für den Laien nichts Interessantes: wohl aber thut dies der eigentliche Autographenhandel mit seinen auch zuweilen der Mode unterworfenen Angeboten und Nachfragen, sei es zu festen Preisen, sei es in dem unsicheren halben Glücksspiel der Auktionen. Die ersten Anfänge eines Autographenhandels haben sich in Paris während der Jahre 1801 und 1803 nachweisen lassen. Welche Entwicklung aber hat dieser Handel bis heute genommen, wo vor kurzem sogar in Paris eine eigene Autographenbörse eingerichtet werden konnte!

In alten Antiquariatskatalogen finden wir die ersten Angebote, als da sind Handschriften von Heinrich IV., Sully, Marie von Medici; Nachricht über die erzielten Preise giebt es leider nicht, sie würde sonst zu charakteristischen Vergleichen führen, da die Preise von Jahrzehnt zu Jahrzehnt gestiegen sind. Jenen Katalogsnotizen folgte bald der erste Versuch einer Auktion; die Sammlung des Marschalls Richelieu kam 1801 unter den Hammer. Doch wollte der Handel noch nicht so recht in Schwung kommen. Erst nach einer Auktion der Pariser Buchhandlung Pluquet von Villenaves 550 Dublette-Autographen (24. bis 27. Mai 1822), zu der Villenave selbst den ersten Katalog hergestellt hatte, begann der junge Handelszweig sich weiter zu entfalten. Zunächst trugen besonders hierzu bei die Sammler und Händler Charon und Laverdet, später die nach Paris übergesiedelten Mitglieder der Lyoneser Familie Charavay; Jacques Charavay gründete 1843 das erste große Autographengeschäft, das gegenwärtig (seit 1867) von seinem Sohne Etienne Charavay geleitet wird und sich eines Weltrufes erfreut. Etienne Charavay gilt für den gewiegtesten Autographenkenner, was, wie wir später sehen werden, von Bedeutung ist. Seine Publikationen, besonders die Kataloge über die von seinem Handelshause veranstalteten Auktionen, zeugen in ihrer Uebersichtlichkeit von einem ebenso enormen Fleiße wie von einem bewunderungswürdig tiefen, allseitigen historischen Wissen. Etienne Charavays Meisterwerk in dieser Hinsicht ist wohl der umfangreiche und prächtig ausgestattete Katalog über die Autographensammlung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 852. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0852.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2023)