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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

dabei lächeltest Du und drehtest den Schnurrbart, sieh: so – mit der rechten Hand!“

„Und Du saßest auf diesem kleinen Sessel, in dem hellblauen Kleide so zierlich anzusehen wie ein Püppchen, und über das erhitzte Gesicht hing das wilde Löckchen, das da eben wieder hängt und sich nie ordentlich einfangen läßt. – Und dann plaudertest Du so kindlich fröhlich – und dazwischen wieder solche merkwürdig verständige, altkluge Worte, die mich sehr überraschten – aber das war ja immer so – meine Annie hat mich ja immer überrascht mit ihrer Klugheit, die man bei dein kleinen Mädchen gar nicht vermutet und dann fing ich an, Dir ein wenig tiefer in die blauen Augen zu scheu, trotz Papa und Mama, und Du wurdest rot und röter - - “

„Ich weiß es, Du böser, böser Leo, Du hattest ordentlich Spaß daran, wie ich fast verging vor Verlegenheit über diese Blicke!“

„Und dann, als ihr fortginget – ich begleitete euch bis auf den Flur – da drehtest Du Dich auf der Treppe noch einmal nach mir um, und ich frecher Gesell benutzte es, daß niemand auf uns achtete, und warf Dir eine Kußhand zu!“

„Still,“ rief sie und sah sich ganz ängstlich um, „ganz still – das darfst Du niemand erzählen! Das war sehr dreist von Dir, ich hätte danach nie mit Dir tanzen dürfen, aber ich zitterte mir, daß jemand es gesehen haben und mich nun daran hindern könnte, mit Dir zusammen zu kommen.“

„Und weißt Du, was ich sagte, als Du fort warst?“

„Nun?“

„Ach, ist das einmal ein süßer kleiner Fratz!“

Sie lachten und sie küßten sich und lachten wieder, und er mußte es ihr wiederholen – zwei – dreimal. Es war doch ein zu schönes Liebeswort!

Dann aber wurde Leo mit einem Male ernsthaft und drückte sie an sein Herz.

„Ich weiß noch viel schönere, Annie: meine geliebte Braut, mein süßes angebetetes Weib!“

Und die Glücklichen hielten sich selig festumschlossen.


15.

In einer Seitenallee des Berliner Tiergartens ging um die Mittagsstunde eines wundervollen Sommertages ein junges Paar eifrig redend auf und nieder: Frau von Walden und Lieutenant Lüdeke.

Elfes Gestalt und ihre Bewegungen zeigten wieder die Elastizität der Gesundheit und ihr Antlitz hatte die zarten Farben, welche die feingeschnittenen Linien desselben so wunderbar ausdrucksvoll belebten. Sie trug ein Helles Promenadenkostüm in blaßlila Farbe vom elegantesten Stoff und Schnitt, ein Hütchen aus mattrosa Rosen zusammengestellt und einen Sonnenschirm, der beide Farben vereinigte. Der kostbare und doch unauffällige Schmuck, den sie angelegt, ihre Handschuhe und Stiefelchen alles an ihr verriet die Dame, die, ohne Rücksicht auf den Kostenpunkt, ihre Toilette nur nach ihrem Geschmack besorgt.

Herr Lieutenant Lüdeke war in einen dunkeln Civilanzug gekleidet und hatte den braunen Filzhut etwas tief in die Stirn gedrückt. Auf seinem ernsten, blassen Gesicht lag ein gequälter Ausdruck, und die warmen Blicke und das sonnige Lächeln, mit denen die junge Frau ihre Mitteilungen begleitete, fanden in seinen Augen mir einen schwachen Widerschein. Eben ging ein stutzerhaft gekleideter Herr an den beiden vorüber, klemmte sein Monocle in die Augenhöhle und blickte Elfe, sich in ihren Weg drängend, in dreister und zudringlicher Weise an. Lüdeke zuckte zusammen und warf demselben einen so herausfordernden Blick zu, daß jener sich veranlaßt sah, mit einigen unverständlich gemurmelten Entschuldigungsworten auf die Seite zu treten.

„Ich wollte, Sie hätten zu diesem Spaziergange eine weniger elegante Toilette gewählt,“ sagte er nun, zu Elfe gewendet. „Sie fallen schon ohnehin genug durch Ihre Erscheinung auf, einer Unterstützung bedarf Ihre Schönheit nicht, und es ist Ihnen doch sicher nicht erwünscht, wenn irgend jemand, vielleicht gar einer Ihrer näheren Bekannten, hier auf uns aufmerksam wird.“

„Es ist mir absolut gleichgültig,“ sagte sie schnell, „in der That ganz gleichgültig; meinetwegen können wir auch die ,Linden’ entlang gehen. Ich habe nicht die Absicht, mich zu verbergen, und habe auch gar keine Ursache dazu. Aber Sie denken anders darüber, der Civilrock gilt doch wohl meiner Gesellschaft?“

„Ja,“ erwiderte er, „ich glaubte, es würde Ihnen so lieber sein. Man weiß doch, wie es in der Welt zugeht. Es heißt von ihr schon, sie ist klein, wenn sich zwei ausweichen wollen, und wollen gar hier in Berlin zwei nicht zusammen gesehen werden, dann laufen sie gewiß an der nächsten Straßenecke dem am wenigsten herbeigewünschten Bekannten in die Arme. Sie sagten mir einmal, Ihr Gatte beeifersüchtele mich, ohne mich zu kennen. Ich glaubte also, dadurch Ihnen wenigstens die Ungelegenheit zu ersparen, daß jemand ihm sagen könnte, er hätte Sie mit einem Artillerieoffizier promenierend gesehen.“

„Sehr vorsichtig – wirklich! Aber, wie gesagt, meinetwegen durchaus nicht nötig. Walden erlaubt es sich gar nicht, mich in Bezug aus meinen Umgang zu beschränken, ich kontrolliere ja auch den seinen nicht, und Anlaß zu öffentlichem Aergernis geben wir doch wohl nicht, wenn wir uns zuweilen hier treffen.“

Er zuckte nervös die Schultern.

„Zuweilen?! Es wäre mir um Ihretwillen doch sehr peinlich, wenn wir von meinen Kameraden hier zusammen gesehen würden. Ich kann für etwaige Bemerkungen darüber nicht einstehen und –“

„Nun, so mögen sie reden,“ rief Frau Elfe ganz erregt, „ich werde ihr Urteil zu ertragen wissen.“

Ihr Antlitz war wie in Purpur getaucht, und nach ein paar Augenblicken des Schweigens stieß sie plötzlich heftig hervor:

„Und wenn Du so vorsorglich bist, warum thust Du nicht das einzige, das alles andere unnötig machen würde, und suchst mich in meinen: Hause auf?“

„Ich denke, diese Frage ist durchgesprochen,“ sagte er kurz abwehrend.

„Du gehst zu weit darin,“ rief sie anklagend, „auch auf eine ganz offizielle Einladung zum Diner bekommen wir eine Absage! Das fällt um mit Deinen Worten zu reden – Walden jedenfalls mehr auf als eine ganze Reihe von Besuchen.“

„Ich kann nicht,“ sagte er und der gequälte Ausdruck in seinem Gesicht verschärfte sich, „es geht mir gegen die Natur. Ich kann die Gastfreundschaft eines Mannes nicht annehmen, für den ich so empfinde wie für Walden.“

„Wie empfindest Du denn für ihn?“

„Elfe!“ Er sah sie mit großen, traurigen Augen an und schwieg.

„Ich meine,“ sagte sie dann, unsicher gemacht durch seinen Blick, „man könnte sich das Leben erträglicher gestalten, wenn Du nicht gar so skrupulös wärest.“

Er zuckte zusammen, sah sie von der Seite an, und ein düsterer Schatten flog über sein Gesicht.

„Ich kann nicht,“ sagte er noch einmal, „es kann niemand weg über die Schranke, die ihm die Natur gezogen.“

„Und da sagst Du mir, daß Du mich schrankenlos liebst!“

„Das thue ich,“ erwiderte er heftig, aber mit unterdrückter Stimme, „leider thue ich das. Es ist mein Unglück, und ein noch größeres, daß ich’s Dir sagen mußte! Ich liebe Dich grenzenlos, ewig, ich werde nie mein Herz von Dir lösen können! Ich leide unsagbar und habe in den letzten Jahren unsagbar gelitten, ich würde mit Freuden für Dein Glück sterben, aber mich mir selbst verächtlich machen – das kann ich nicht!“

„Fredi, aber, Fredi - - ich kann nicht leben, ohne Dich zu sehen! Kostet Dir das schon die Selbstachtung, wenn Du zuweilen zu mir kommst und mich durch diese Minuten Kraft gewinnen läßt, dies öde Leben weiter zu ertragen?“

„Und die Lügen, mit denen ich mich bei Deinem Gatten einführen, die Verstellung, die ich in seinem Hause üben müßte? Ja, die würden mich vor mir selbst verächtlich machen!“

Sie preßte die Lippen aufeinander und wandte das erbleichende Antlitz von ihm ab.

„Sieh, Elfe, ich mache Dir keinen Vorwurf, Dich sollten meine Worte nicht treffen! Es ist das Gefühl, das in mir wühlt, die Gedanken und Wünsche, die immerfort, Tag und Nacht, die Frau Deines Mannes umkreisen – das verstehst Du nicht! Was ist eure zahme Empfindung gegen die Leidenschaft des Mannes! Ich kann und will keine persönliche Berührung mit ihm haben!“

Sie hatte den Kopf gesenkt und schwere Thränen liefen über ihre Wangen.

„Aber, Fredi,“ schluchzte sie leise, „ich kann ohne Dich nicht leben!“

„Das hast Du auch damals gesagt, damals, als Du noch frei warst,“ stieß er rauh hervor, „und wenige Monate später wähltest

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 842. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0842.jpg&oldid=- (Version vom 22.12.2016)