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Blätter und Blüten.


Das Kaiser Wilhelm-Denkmal an der Porta Westphalica. (Zu dem Bilde S. 773.) Bereits im Jahre 1889 bewilligte der westfälische Provinziallandtag eine halbe Million Mark, um auf der Roten Erde das Andenken Kaiser Wilhelms I. durch ein Denkmal zu verherrlichen. Die berühmten Künstler Architekt Bruno Schmitz in Berlin und Bildhauer Kaspar von Zumbusch in Wien gingen aus dem Wettbewerb um den Denkmalsentwurf als Sieger hervor und im Jahre 1892 begann man an der Porta Westphalica mit den Vorarbeiten zu dem Kunstbau, der nun am 18. Oktober in Gegenwart des Deutschen Kaisers und der Kaiserin enthüllt worden ist.

Porta Westphalica, die westfälische Pforte, heißt das Thal, in welchem der Weserstrom die Kette des nach ihm benannten Gebirgs durchbricht, um sich in das norddeutsche Flachland zu ergießen. Gleich Riesenpfeilern erheben sich an diesem Thor zwei Berge. Auf dem rechten Ufer steigt der Jakobsberg 140 m über den Stromspiegel der Weser empor, ihm gegenüber erhebt sich der um 100 m höhere Wittekindsberg, dessen Haupt Buchenwälder krönen. Von den Zinnen dieser Berge bieten sich dem Auge prachtvolle Fernsichten, bald auf die zurückliegenden Gebirgsketten, bald auf das weite in nebliger Ferne verschwimmende Tiefland. Die Gegend der Porta Westphalica ist auch reich an geschichtlichen Erinnerungen, die auf die Kämpfe der Sachsen gegen die Römer und die Franken zurückweisen.

Auf der Flanke des Wittekindsberges wurde nun von den Söhnen der Roten Erde das große Denkmal für Kaiser Wilhelm I. errichtet. Seinen Grund bildet die untere Ringterrasse mit dem Treppenaufbau; an ihrer Vorderseite ist die Tafel mit Inschriften angebracht. Darüber wölbt sich ein baldachinartiger Aufbau, dessen Spitze von der Kaiserkrone gekrönt wird. Inmitten des von Säulen getragenen Baues steht das 7 m hohe, von Professor von Zumbusch modellierte und aus Erz gegossene Standbild des Kaisers; in der Uniform des Gardeducorps-Regiments, die Linke auf den Pallasch gestützt, erhebt der greise Held die Rechte, um das weite Land zu seinen Füßen zu segnen.

Vom Fuße der Treppe bis zum Kreuz der Kaiserkrone beträgt die Höhe des Denkmals 88 m; das ist der dritte Teil der Gesamthöhe des Wittekindsberges. Dank diesen Größenverhältnissen kommt der Monumentalbau in dem Bilde der Landschaft zur kräftigsten Geltung und übt schon aus der Ferne einen überwältigenden Eindruck aus. *      

Aus der Franzosenzeit. (Zu dem Bilde S. 776 und 777.) Es ist ein trübes Bild aus der Zeit der schwersten Not und der tiefsten Erniedrigung Deutschlands im Anfange dieses Jahrhunderts, das uns E. Henseler auf seinem Gemälde mit packender Anschaulichkeit vorführt. Der Künstler versetzt uns in ein Bauernhaus der Neumark, wie früher der im Norden an Pommern grenzende und gegen Westen durch die Oder von der Mittel- und Ukermark geschiedene Teil der Mark Brandenburg hieß. Ganz Deutschland war bereits von Napoleon I. unterjocht, als der Weltbezwinger im Frühjahr 1812 eine halbe Million Krieger der russischen Grenze zu in Bewegung setzte. In jener Zeit der immerwährenden Truppendurchzüge hatten sich in einem neumärkischen Bauernhofe Krieger der französischen alten Garde, denen auch ein Kürassier zugesellt war, einquartiert. Sie hausten dort, wie die Franzosen in Deutschland es überall thaten, gleichviel ob sie als Feinde oder als Freunde kamen. Das von den biederen Neumärkern bereitete Essen behagte dem Gaumen der Fremden nicht; was man ihnen vorsetzte, warfen sie voll Hohn samt dem Geschirr auf den Boden und gaben es den Hunden preis. Dann revidierten sie selbst die Geflügelhöfe und Ställe und kochten und brieten, was die Franzosen überhaupt meist vortrefflich verstanden; oft genug sah man Truppen, die Hühner, Enten und Gänse auf ihre Bajonette gespießt trugen. Wie die Krieger der „großen Armee“ auf dem Hof in der Neumark ihr Wesen getrieben, veranschaulicht der Zustand der sonst so ordentlich und reinlich gehaltenen Bauernstube auf unserem Bilde gar lebensvoll. Zum Teil haben sie sich’s jetzt nach Lust und Laune bequem gemacht und rauchen und plaudern. Einer steht links am Herdfeuer, mit der Zubereitung des Mahles beschäftigt, und an dem Tische rechts putzt ein Gardist mit der mächtigen Bärenmütze auf dem Kopfe sein Gewehr. Mit schwerem Herzen sehen die Bewohner, wie die Fremdlinge in ihrem Heim schalten und walten, aber sie dürfen nicht einmal eine unzufriedene Miene machen, wenn sie sich nicht den brutalsten Mißhandlungen aussetzen wollen. In dem alten Manne im Hintergrunde des Gemaches erblicken wir noch einen Zeitgenossen des „Alten Fritz“, dessen Bild dort an der Wand hängt. Wie tief gesunken war der Staat des großen Königs, dessen Nachfolger auf seinen Lorbeeren ruhen zu dürfen geglaubt hatten, ohne den Bedürfnissen einer neuen Zeit Rechnung zu tragen! Schon aber hatte sich im stillen jener Umschwung zum Besseren vorbereitet, der bald so glänzend zu Tage treten sollte. Doppelt mögen wir uns beim Rückblick auf diese „Franzosenzeit“ der vor fünfundzwanzig Jahren erfolgten Einigung Deutschlands erfreuen, die eine Wiederkehr solch trauriger Zustände so Gott will für immer unmöglich gemacht hat! F. R.     

Diana. (Zu dem Bilde S. 781.) Ein einsamer Felsenstrand der jonischen Inseln, von Pinien und Steineichen überschattet, in dessen ausgehöhlten Grotten die Brandung schäumt, während fernhin sich Küste und Meeresspiegel in lichter Bläue dehnen: so zeigt uns Meister Kanoldt das Jagdgebiet der Diana. Die Göttin steigt einsam, nur von dem treuen Hunde geleitet, aus dem Bergwald herab; ihre lichte Figur hebt sich scharf von der tiefen Schattenmasse der Bäume ab. – Das Bild wird eine Freude sein für alle jene, die auch heute noch sehnsuchtsvoll die Gedanken nach der südlichen Ferne richten und sich gern durch die Kunst aus dem nordischen Winter hinwegtäuschen lassen nach den sonnigen Gestaden des Mittelmeeres, wo Kraft und Schönheit der Natur sich zur unvergänglichen Herrlichkeit der „homerischen Landschaft“ vereinigen! Bn.     

Der Kea-Nestor.
Nach dem Leben gezeichnet von W. Kuhnert.

Ein räuberischer Papagei. (Zu dem nebenstehenden Bilde.) Unter den Vögeln Neuseelands zählen zu den bemerkenswertesten die Nestorkakadus, von denen ein Exemplar, ein Kea-Nestor, neuerdings vom Zoologischen Garten in Berlin erworben wurde. Diese Vögel, welche in den Gebirgswäldern Neuseelands leben, haben etwa die Größe unserer Dohlen oder Raben; in der Färbung ihres Gefieders wiegt das Olivengrün vor, jede Feder ist dabei mit einem halbmondförmigen braunen Flecken gezeichnet; scharlachrote und mattgrüne Farben in den Schwanz- und Flügelfedern vervollständigen die bunte Tracht.

Die Eingeborenen nennen den Vogel Kea und halten ihn gern in Gefangenschaft in ihren Dörfern. Die Europäer sind ihm weniger gewogen. Die Ansiedler hatten nämlich unter anderen Haustieren auch Schafe nach Neuseeland gebracht. Eines Tages bemerkten sie, daß die Schafe, die im Gebirge weideten, sehr übel zugerichtet wurden; auf verschiedenen Stellen ihres Felles zeigten sich handgroße Wunden, die tief in das Fleisch hineinreichten und oft den Tod des Tieres zur Folge hatten. Als der Uebelthäter wurde bald der Kea-Nestor ermittelt. Die Kea-Papageien erschienen in Scharen bei den Schafherden und fielen über die Tiere her, die, geängstigt, sich nicht zu wehren wußten und den Angriffen ihrer Feinde erlagen.

Eine solche Raubnatur ist bei einem Vogel von der Familie der Papageien etwas Unerhörtes und um so merkwürdiger, als Neuseeland vor der Besiedeluug durch Weiße keine Schafe, ja nicht einmal größere Säugetiere beherbergte. Die Kea haben somit das Morden erst in jüngster Zeit gelernt! Die Naturforscher erklären sich diesen Wandel in den Lebensgewohnheiten des Vogels in folgender Weise. Die Kea haben seit jeher neben ihrer pflanzlichen Nahrung Insekten als Leckerbissen bevorzugt. In den Bergen Neuseelands wächst nun eine Immortellenpflanze, die, von weitem gesehen, täuschend einem runden Schafe gleicht. In dem Blätterwerk derselben verbergen sich viele Insekten und die Kea pflegen darin mit Vorliebe nach Kerbtieren zu suchen. Als nun die Schafe nach Neuseeland eingeführt wurden, begannen die Kea auch das Vließ der Schafe mit ihrem harten Schnabel zu untersuchen und entdeckten unter demselben das Fleisch, an dem sie Wohlgefallen fanden. So wurde der Kea-Nestor zu einem Mordgesellen und als solcher hat er sich, da er auch als Dieb in die Fleischkammern eindringt, eine unerbittliche Feindschaft der Ansiedler zugezogen. Er wird verfolgt, und bald wird auch er ausgerottet werden, mit so vielen anderen seltenen und eigenartigen Vogelarten Neuseelands das gleiche Schicksal teilend. *      


Inhalt: Das Kaiser Wilhelm-Denkmal an der Porta Westphalica. Bild. S. 773. – Die Geschwister. Roman von Pilipp Wengerhoff (8. Fortsetzung). S. 774. – Aus der Franzosenzeit. Bild. S. 776 und 777. – Schutz den kindlichen Arbeitern! Von C. Falkenhorst. S. 779. – Ein Künstlerschicksal und seine Sühne. Aus den Papieren eines alten Weimaraners. S. 780. – Diana. Bild. S. 781. – Kinderfüßchen. Novelle von Victor Blüthgen. S. 783. – Ein lustiger Geselle. Bild. S. 785. – Blätter und Blüten: Das Kaiser Wilhelm-Denkmal an der Porta Westphalica. S. 788. (Zu dem Bilde S. 773.) – Aus der Franzosenzeit. S. 788. (Zu dem Bilde S. 776 und 777.) – Diana. S. 788. (Zu dem Bilde S. 781.) – Ein räuberischer Papagei. Mit Abbildung. S. 788.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 788. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0788.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)