Seite:Die Gartenlaube (1896) 0772.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Zuflüsse zu entdecken. Es gelang ihm aber später, zu Lande den größten derselben, den Hahofluß, zu erreichen – das erstentdeckte fließende Gewässer in jenem deutschen Schutzgebiet. Das Landschaftsbild war von entzückender Schönheit. Das Waldesdickicht der den Fluß beschattenden Riesenbäume ließ den 25 bis 40 Meter breiten, sehr tiefen, aber zur Zeit bloß wenig Strömung zeigenden Wasserweg tiefdunkel erscheinen. Stellenweise versperrten umgestürzte Baumstämme einen Teil des Flusses, an anderen Stellen beugten sich elegante Palmen herüber und hinüber, allerwärts aber spendeten laubreiche und blühende, von Lianen und Schlinggewächs überwucherte Tropenbäume Schatten und Kühlung. Die Mündung des Flusses war vollständig mit Schilf verwachsen, an ein Eindringen in dieselbe war nicht zu denken, und erst in späterer Zeit gelang es, die Barre zu öffnen und so einen Wasserweg einige Kilometer weit ins Innere zu bahnen.

Auf der Nehrung des Togosees liegt an der Meeresküste Porto Seguro, und Expeditionen, die von hier aus in das Innere aufbrechen, pflegen über den Togosee nach dem Negerorte Abobo zu setzen. Unser Bild auf S. 765 zeigt uns den Landungs- oder Einschiffungsplatz mit den niedrigen Hütten der Eingeborenen und einigen Booten aus dem weichen Holze des Affenbrotbaumes. Im Hintergründe dehnt sich die Spiegelfläche des Togosees aus.

Bei klarem, freundlichem Wetter ist die Landschaft an der Lagune recht lieblich und anmutend zu nennen. Im Norden erblickt man leichte Hügelketten, mit Wald und Gebüsch bestanden; die Lagune selbst ist mit hohen Schilfgräsern und anderen Wasserpflanzen bestanden, welche die beträchtliche Höhe von 6 Metern und mehr erreichen. Darüber ragen überall vereinzelt mächtige Fächerpalmen empor, die bei dem geringsten Luftzug ein eigenartiges Geräusch erzeugen, wie wenn mit Blechtafeln zusammengeschlagen würde. Meist jedoch ist der Himmel bleiern und schwer, die Luft erdrückend; wohl brennt die Sonne, doch die schwüle heiße Luft läßt das klare Blau des Himmels nicht sichtbar werden; die Farbe der Pflanzen des Wassers ist grau, alles eintönig und tot, nur belebt von den Eingeborenen, welche in ihren Kanoes die stille Wasserfläche durchstreifen, mit wohlgearbeiteten Netzen dem Fischfang obliegen oder am Ufer baden, waschen und sonst ihr Wesen treiben.

Seefahrten werden im allgemeinen als Vergnügen betrachtet. So beschaffen ist eine Fahrt über den Togosee nicht. Es dauert 5 bis 6 Stunden, bis man den gegenüberliegenden Landungsplatz erreicht, von dem die Karawanen nach dem Innern aufbrechen. Die Kanoes der Eingeborenen sind an und für sich nicht bequem, und dann giebt es kurz vor Abobo eine stundenlange Strecke, auf welcher das Boot keineswegs auf glattem Wasserspiegel schaukelt. Wasserpflanzen, faulende Zweige und Blätter verwandeln den See in einen vollständigen Sumpf. Nur langsam, Schritt für Schritt, kann das Boot mit Stangen vorwärts geschoben werden. Dem dicken schmutzigen Brei entsteigen wahrhaft betäubende Miasmen, wahre Pestgerüche, die den Reisenden mitunter veranlassen, die Nase zuzuhalten, während dicht hinter dem Boote sichtbare dunkle Massen langsam nachfolgende Krokodile verraten. Die oft herrlich blühenden riesengroßen Wasserblumen haben alsdann keinen Reiz, umsomehr als Myriaden von Moskitos mit wütender Gier über den Reisenden herfallen.

Kein Wunder, daß trotz der frischen Seebrise in diesen Niederungen das Fiebergift heimisch ist und der Reisende sich sehnt, wieder an die Seeküste zurückzukehren oder bald das landeinwärts aufsteigende Gebirge zu erreichen. *      

Der Kampf um das Glück. (Zu dem Bilde S. 760 und 761.) Das rastlos gierige Streben der Menschheit nach Glück, Erfolg und Gold in einem Brennpunkt zusammengefaßt, das ist der Gegenstand des vorliegenden Bildes. In packender Realistik ringt sich der wütende Menschenknäuel übereinander empor nach der Höhe, wo das flatternde Gewand der Glücksgöttin schwebt. Künstler, Arbeiter, Dichter, Politiker, Frauen, alles schiebt und drängt aufwärts, rücksichtslos grausam einander niedertretend, oder selbst getreten – ein entsetzliches Schauspiel! Von rückwärts her, aus der Region der Fabrikschlöte und Werkstätten, führt der Weg zu diesem Gipfel des Erfolges; zu seinen Füßen aber liegt der Abgrund, aus dem die weißen Kreuze heraufschimmern. In seine Tiefe stürzt, wer oben strauchelt; verzweifelnd fallen die meisten, nur das junge Liebespaar hält sich noch im Absturz innig umschlossen – sein letztes Glück wird das gemeinsame Grab sein. Und immer Neue drängen nach, aller Augen sind in Hoffnung, Angst und Gier nach dem Phantom emporgerichtet, das in seelenloser Gleichgültigkeit seinen Flug über ihre Häupter wegnimmt, ohne sich von den ausgestreckten Händen haschen zu lassen, oder den ersehnten Goldregen niederzustreuen. – Die einzelnen Köpfe des figurenreichen Bildes sind vortrefflich charakterisiert, es wirkt mit viel massenhafteren Mitteln als die uns Deutschen wohlbekannte tiefsinnige Allegorie Hennebergs „Die Jagd nach dem Glück“. Aber beide Künstler, der Franzose wie der Deutsche, sprechen, jeder aus seine Weise, denselben Gedanken aus und predigen so vernehmlich, als dies durch ein Kunstwerk möglich ist, ihrer über der Begierde nach äußeren Glücksgütern des besten Glückes, der inneren Zufriedenheit vergessenden Mitwelt! Bn.     

Deutschlands merkwürdige Bäume: die „Armleuchterfichte“ bei Offenbach a. M. (Zu dem Bilde S. 757.) In Nr. 19 dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“ haben wir unseren Lesern die Priorlinde an der Kluse bei Dahl a. d. Volme in Bild und Wort vorgeführt, heute bringen wir die Abbildung eines anderen merkwürdigen Baumes, der durch seine seltsame Erscheinung das Auge des Beschauers fesselt. Ungefähr eine Stunde von der Stadt Offenbach a. M. entfernt, befindet sich in einem herrlichen Waldreviere die sogenannte Armleuchterfichte. Es ist dieses eine ausgewachsene Fichte von ziemlich beträchtlichem Umfang, deren Krone von seltsamer Form ist. In der Höhe von ungefähr 8 Metern läuft der Baum in 4 starken Seitenästen von je 2 bis 3 Metern Länge aus, auf denen sich insgesamt 14 wohlgeformte, kräftig entwickelte schlanke Fichten erheben, die kerzengrade zum Himmel streben. Man hat den Eindruck, als ob in den alten Aesten neue selbständige Bäume Wurzel geschlagen hätten. Von weitem hat der merkwürdige Baum das Aussehen eines riesigen Armleuchters. Ueber die Entstehung dieses Naturspiels war leider bisher nichts in Erfahrung zu bringen, doch ist wohl anzunehmen, daß durch ein elementares Ereignis die Krone einstmals zerstört wurde, daß hierauf die ihr zunächst stehenden Seitenäste sich zu Hauptästen entwickelten und durch Emportreiben der 14 Fichten eine neue 14fache Krone bildeten. Es ist wahrscheinlich, daß auch menschliche Hilfe noch mitwirkte, dem Baume seine jetzige Gestalt zu geben, doch ließ sich bis jetzt Bestimmtes darüber nicht feststellen. L. A.     


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Hedwig B. in Hamburg. Wir müßten eine eigene Abhandlung schreiben, um Ihre Frage nach den Hauptfabrikmarken der alten Porzellanmanufakturen zu beantworten. Sie sind viel zahlreicher, als die meisten Käufer von Antiquitäten nur ahnen. Diese begnügen sich häufig mit der Kenntnis, daß zwei gekreuzte Schwerter Meißen bedeuten, die verschlungenen L Sèvres, der Namenszug C T Frankenthal. Aber was würden sie wohl sagen bei der Entdeckung, daß es im ganzen über 200 Porzellanmarken giebt, wovon allein 25 auf die Fabrik Sèvres, 31 auf Paris und das übrige Frankreich fallen? England hat 40 Zeichen, darunter 20 alte der Fabriken von Staffordshire, Liverpool, Swansea, Bristol etc.; Meißen-Dresden besitzt 6 alte Zeichen, welche für den Kenner genau die kurfürstliche, königliche und Marcoliniperiode anzeigen. Den interessantesten Geschichtskommentar jedoch liefern die Zeichen der Fabrik Sèvres. Von 1753–93 herrschten die beiden verschlungenen L der Bourbonen. Dann folgt bis 1799 R. F. (République Française), um alsbald durch M. N. (Manufacture nationale) zu M. I. (impériale) und dem napoleonischen Adler zu gelangen. 1814 kehrt dann das majestätische Bourbonenzeichen wieder, 1848 aber aufs neue R. F. und hinterher wieder der Adler sowie das gekrönte N. Alle diese und noch viel mehr Zeichen und Buchstaben muß kennen, wer beim Ankauf von altem Porzellan nicht betrogen werden will! Wollen Sie sich genau über dieses trotz seiner Beschränktheit sehr interessante Gebiet unterrichten, so empfehlen wir Ihnen das Werk von Jännicke „Grundriß der Keramik in Bezug auf das Kunstgewerbe“. Dazu gehörig, besonders gebunden, „Jännicke, Marken und Monogramme auf Fayence, Porzellan und Steinzeug“. Stuttgart, 1877–78.


Inhalt: Die Geschwister. Roman von Philipp Wengerhoff (7. Fortsetzung). S. 757. – Deutschlands merkwürdige Bäume: die „Armleuchterfichte“ bei Offenbach a. M. Bild. S. 757. – Der Kampf um das Glück. Bild. S. 760 und 761. – Moderne Goldmacher. Von W. Berdrow. S. 763. – Ein Verbot. Kulturbild von Marie von Ebner-Eschenbach. S. 764. – Am Togosee. Bild. S. 765. – Dunkle Gebiete der Menschheitsgeschichte. Die Banken. Von Dr. P. Schellhas. S. 768. – Gute Fastenspeise. Bild. S. 769. – Blätter und Blüten: Am Togosee. S. 771. (Zu dem Bilde S. 765.) – Der Kampf um das Glück. S. 772. (Zu dem Bilde S. 760 und 761.) – Deutschlands merkwürdige Bäume: die „Armleuchterfichte“ bei Offenbach a. M. S. 772. (Zu dem Bilde S. 757.) – Kleiner Briefkasten. S. 772.



[ Verlagswerbung für E. Werners Werk-Ausgabe – hier nicht dargestellt]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 772. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0772.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)