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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

oder weniger auffallende Aehnlichkeiten mit amerikanischen Sprachen zu finden geglaubt, Aehnlichkeiten, auf die näher einzugehen uns hier allzu sehr in das Gebiet der Fachgelehrsamkeit führen würde. Daß solche Aehnlichkeiten in der That vorhanden sind, hat schon Wilhelm von Humboldt in einer im Jahre 1821 veröffentlichten Schrift über die Urbewohner Spaniens anerkannt, ja er hat diese Vergleichung „in sich treffend und in hohem Grade merkwürdig“ genannt. Sein Bedenken, daraus Schlüsse zu ziehen, hat andere Forscher nicht abgehalten, sich mit Entschiedenheit für die Annahme bestimmter Beziehungen des Baskischen zu Amerika auszusprechen. Man hat bald die Sprachen des alten Inkareiches Peru, bald die centralamerikanischen Sprachen (der Azteken in Mexiko u. a.), bald die der nordamerikanischen Indianer, so verschieden alle diese selbst wieder untereinander sind, als verwandt mit dem Baskischen bezeichnet.

Naturgemäß entsteht bei allen diesen Versuchen nebenher die Frage: wie sollen amerikanische Völker nach Europa gelangt sein? Indessen solche Fragen haben die Vertreter gewagter Hypothesen entweder einfach dahingestellt sein lassen oder durch weitere noch mehr gewagte Hypothesen beantwortet. Wir besitzen keinen zuverlässigen Anhaltspunkt dafür, daß jemals vorgeschichtliche Völker die großen Oceane überschritten haben, welche die Erdteile trennen, und es ist uudenkbar, daß amerikanische Völker in früher Zeit auf Schiffen den gewaltigen Atlantischen Ocean durchquert haben sollten. Der amerikanische Mensch ist dem ganzen Altertum fremd gewesen, und wenn auch jüngst ein Forscher in einem Bildwerk aus der Römerzeit, welches einen Barbaren darstellt, die Merkmale des amerikanischen Typus hat finden wollen, so ist das lediglich eine Hypothese auf zufällige Aehnlichkeiten hin. Keine Spur deutet auf die Anwesenheit des amerikanischen Menschen im damaligen Europa hin. Aber man hat versucht, diese Bedenken mittels einer anderen, noch unsichereren Annahme zu entkräften.

Es ist bekannt, daß nach sagenhaften Ueberlieferungen im fernen westlichen Ocean eine große, von gesitteten Völkern bewohnte Insel Namens „Atlantis“ gelegen haben soll, die von den Wogen des Meeres verschlungen wurde. Man hat darin die Reste der Erinnerung an das thatsächliche Vorhandensein eines untergegangenen Erdteils im Atlantischen Ocean vermutet. Diese Annahme mußte die Brücke bilden, auf der sich Amerika mit Europa in frühen Zeiten verbinden ließ, und zwar wurde diese Verbindung des näheren in der Weise bewerkstelligt, daß man lehrte, die Bewohner jenes untergegangenen Landes hätten Amerika bevölkert, und ein kleiner Teil von ihnen wäre nach Europa ausgewandert, ein Teil, von dem uns Reste eben in den Basken erhalten seien.

Der Gedanke, daß einst ein Erdteil im Atlantischen Ocean die Beziehungen zwischen Europa und Amerika vermittelt habe, ist von vielen Gelehrten als eine Grundlage für kühne Vermutungen benutzt worden. Karl Vogt, der den Lesern der „Gartenlaube“ wohlbekannte Genfer Naturforscher, einer der ersten, der die Theorie von dem amerikanischen Ursprung der Basken zu begründen suchte, hat sich bemüht, auch noch andere als sprachliche Gründe dafür beizubringen, er hat einzelne Uebereinstimmungen in körperlichen Eigentümlichkeiten und in Gebräuchen betont. Nach seiner Meinung bestand in der Tertiärzeit eine Landverbindung zwischen der Halbinsel Florida und Europa, auf welchem Wege eine Einwandernng amerikanischer Völker in Europa stattgefunden habe.

Allein schon früher war, wie gesagt, Wilhelm von Humboldt der Theorie von dem amerikanischen Ursprung der Basken entgegengetreten, er meinte, daß die Uebereinstimmungen zwischen dem Escuara und den amerikanischen Sprachen zu gering seien, um eine Verwandtschaft darauf begründen zu können. Er hat eine andere Lehre aufgestellt, von der man sagen kann, daß sie die einfachste und natürlichste ist, sie wird denn auch heutzutage als die herrschende angesehen.

Danach sind die Basken die Reste eines europäischen Urvolkes, derjenigen Bevölkerung Europas, die in grauer Vorzeit in unserem Erdteil ansässig war, bevor noch die Indogermanen und die übrigen europäischen Völker einwanderten, lange vor dem Beginn unserer geschichtlichen Ueberlieferungen. Sie sind danach die ältesten Bewohner Europas, die letzten Trümmer der unbekannten Rasse, die bei der Einwanderung verdrängt und vernichtet wurde, und stehen demnach zu den europäischen Völkern etwa in dem Verhältnis wie der aussterbende Indianer Amerikas zu den weißen Eindringlingen.

Nach den Berichten antiker Schriftsteller haben zur Römerzeit in Spanien die „Iberer“ gesessen, ein Volk, welches ehemals das Land vollständig beherrschte. In diesen hat man die Urbevölkerung Spaniens vermutet. Als ein Stamm von ihnen werden die „Vasconen“ genannt, in denen man danach die unmittelbaren Vorfahren der Basken zu sehen hätte. Sie tauchen in der Geschichte zum erstenmal auf zur Zeit des zweiten Punischen Krieges, wo Vasconen in den Heeren des Hannibal dienten. Daß ganz Spanien einstmals baskische Bevölkerung hatte, dafür spricht schon die bedeutsame Thatsache, daß der Name des Landes selbst, „Hispania“, spanisch „España“, aus dem Baskischen stammt. Die Iberer wurden von den einwandernden Kelten verdrängt und vermischten sich zum Teil mit diesen, ihre Volksstämme verschwanden schließlich gänzlich bis auf den kleinen Rest, der noch heute in den Basken erhalten ist.

Gegen diese an sich gewiß unbedenkliche Lösung der Frage haben freilich wieder andere Gelehrte nicht ohne Grund eingewendet, daß die alten Schriftsteller, wenn sie von Iberern sprechen, nur rein geographisch die vielleicht sehr verschiedenartigen Bewohner Spaniens meinen, ohne damit bestimmte ethnographische Begriffe zu verbinden. In der That war man ja im Altertum bei der Unterscheidung von Völkerschaften weit entfernt von der heutigen wissenschaftlichen Gründlichkeit; ist doch die Ethnologie eine der jüngsten Wissenschaften.

So bleibt denn auch die befriedigendste und wahrscheinlichste Lösung des Rätsels nicht ohne Bedenken. Und selbst wenn man diese Lösung annimmt, so setzt sie auch nur ein Unbekanntes an Stelle eines anderen. Denn es bleibt immer noch die Frage übrig: welcher Völkergruppe gehörten die Iberer an? Waren sie ein isoliertes Volk wie die heutigen Basken, oder besaßen sie Verwandte, und wenn dies der Fall ist, giebt es heute noch Nachkommen dieser Verwandten und wo sitzen sie?

Wie dem nun auch sei, wenn man nicht ganz in das Gebiet unsicherer Hypothesen geraten will, so befriedigt doch nur die eine Annahme: die Basken sind der letzte Rest eines europäischen Urvolks, ganz abgesehen davon, ob man sie mit den alten Iberern in Verbindung bringen will oder nicht.

Endgültig gelöst ist also die Frage noch nicht. Das Baskenvolk aber schwindet unaufhaltsam dahin, seine Sprache ist amtlich und in Schule und Kirche verboten, seine so lange zäh festgehaltenen Eigentümlichkeiten verwischen sich, und das merkwürdige Volk wird in nicht allzu ferner Zeit von der Erde verschwunden sein, ohne daß das Rätsel seiner Herkunft seine Deutung gefunden haben wird.



Blätter und Blüten.


Am Togosee. (Zu dem Bilde S. 765.) Die große Masse der deutschen Leser begann sich für Specialkarten von Afrika[WS 1] erst zu interessieren, als die Besitzergreifungen in Afrika deutscherseits stattfanden. Auf den ersten Karten, die beim Beginn der Kolonialbewegnng herausgegeben wurden, bildete das deutsche Schutzgebiet Togoland nur eine schmale Nehrung, hinter der sich ein ungeheurer, etwa 3000 Quadratkilometer großer See erstreckte: die Avonlagune genannt, weil sie von den Offizieren des englischen Kriegsschiffes „Avon“ zum erstenmal in die Seekarten eingetragen wurde.

Bis zum Jahre 1884 hatte keiner von den an der Küste ansässigen Europäern diese Lagune befahren oder gesehen. Man drang damals nicht gern in den Busch vor, und ein paar Kilometer landeinwärts von der Küste war noch das ganze Togogebiet völlig unbekannt. Kaum aber waren auch an dieser Stelle die deutschen Flaggen gehißt, als sich sofort der Forschergeist regte. Hugo Zoeller war der erste, welcher Lagunenfahrten im Togogebiet anstellte. Nach vielen Mühen, langen Fahrten durch schmale Kanäle konnte er feststellen, daß die Avonlagune lediglich in der Einbildung der englischen Offiziere bestanden hat; dagegen entdeckte er eine etwa 7 Kilometer breite und 9 Kilometer lange Ausbuchtung, der er den Namen „Togosee“ gab. Er selbst schilderte seine Entdeckung mit folgenden Worten: „Die Lagune hatte sich inzwischen zu einem wirklichen und wahrhaften, allerwärts von niedrigen Höhenzügen eingeschlossenen See erbreitert .... Zwar waren die Ufer ringsherum sichtbar, aber doch zu entfernt, als daß man ohne Fernglas Einzelheiten, wie Bäume oder Häuser, hätte entdecken können. Von Süden her wehte eine, nicht unbedeutende Dünung erzeugend und mehrfach tüchtige Spritzer über unser Boot hinüber entsendend, erfrischende Seebrise. Sobald wir uns nur ein wenig dem Lande näherten, zeigten sich stets die gewöhnlichen Bewohner der Lagune, nämlich Habichte, Reiher und Krähen; auch wurde die Scenerie durch über ein Dutzend halsbrecherischer Kanoes belebt, die, mit Waren vollgepfropft, vom heute abgehaltenen Markte von Gbome herkommend, nach allen Richtungen hin den See durchfurchten.“

Undurchdringliche Schilfdickichte, Grasbarren, wie sie nur in den Tropen zu beobachten sind, verhinderten Zoeller, vom See aus dessen

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Asrika
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 771. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0771.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)