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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Auf unserem Bilde stehen die Sieder vor der auf ebener Erde ruheuden eisernen Pfanne, in welcher die durch eine unterirdische, hier nicht sichtbare Röhrenheizung erhitzte Sole brodelnd kocht und qualmt. Zunächst erhalten sie die Flüssigkeit im Sieden und lassen immer frische Sole nachfließen, bis sich auf der Oberfläche ein dünnes, aus kleinen Salzkrystallen gebildetes Häutchen zeigt. Dann wird dieser Vorgang (das „Stören“) unterbrochen und der Zufluß wird abgestellt. Nun läßt der Sieder bei mäßiger Hitze das Salz auskrystallisieren, das sich dabei am Boden der Pfanne ansammelt, bis die Flüssigkeit zum größten Teile verdampft ist. Dieser Teil der Arbeit heißt „das Soggen“. – Will man feines Salz haben, so unterhält man das Wasser in gelindem Sieden; will man grobkörniges Salz, so erniedrigt man die Temperatur.

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Im Trockenraum für grobes Salz.

In der vordersten Pfanne auf unserem Bilde ist nur noch wenig Flüssigkeit, die „Mutterlauge“, vorhanden, denn der Sieder schaufelt bereits das gewonnene Salz auf den über der Pfanne befindlichen schrägen Holzkasten, der bis zum Dache hinanreicht. Auf dieser Bretterunterlage tröpfelt noch ein Teil der Flüssigkeit aus dem Salze ab, wieder in die Pfanne zurück, die dann aufs neue mit Sole gefüllt wird.

Jede Sole enthält Gips. Dieser scheidet beim Sieden aus und bildet den auf dem Boden der Pfanne sich ansetzenden „Pfannenstein“, der stets noch einen Teil Kochsalz enthält. Er dient in gepulvertem Zustande als ein vorzügliches Düngemittel, liefert auch die sogenannten „Lecksteine“, eine dem Landwirte für sein liebes Vieh sehr schätzbare Ware, da sie allen Grasfressern zur hochwillkommenen „Leckerei“ im buchstäblichen wie im bildlichen Sinne des Wortes dient.

Daß die Arbeit des Sieders keine leichte ist, liegt auf der Hand; schon der in diesen Räumen herrschende hohe Wärmegrad bedingt das. Es muß ununterbrochen Tag und Nacht geschafft werden, denn bekanntermaßen dulden Krystallisationsvorgänge keine Unterbrechung, und daher gab es hier früher auch an Sonntagen keine Pause. Die Arbeiterschutzgesetzgebung der Neuzeit hat bewirkt, daß jetzt alle drei Wochen ein Sonntag vorkommt, an dem die Feuer erlöschen und die Pfannen erkalten.

Das soeben im Siedehause gewonnene Salz ist durch das Abtröpfeln noch lange nicht genügend trocken geworden. Es wird daher auf Karren geladen und nach den Trockenräumen geschafft.

Unsere obenstehende Abbildung der Darre für grobe Salze bedarf kaum der Erläuterung: auf einer fast den ganzen Raum einnehmenden eisernen Pfanne, unter der sich die mit heißer Luft gefüllten eisernen Röhren entlang ziehen, verliert das Salz auch noch den letzten Rest Feuchtigkeit. Hier herrschen etwa 40° R, und wenn draußen Hundstagsschwüle obwaltet, mag der Aufenthalt im Trockenraume wohl nur äußerst frostigen Leuten gemütlich vorkommen.

Gleiches gilt für den Trockenraum für Tafelsalz, den unser Bild nebenan veranschaulicht. Hier dient die unmittelbare Einwirkung der stark erhitzten Luft zum Darren des auf sogenannten Holzhorden ausgebreiteten Salzes. Das Austrocknen wird denn auch so gründlich hierdurch besorgt, daß, wie unser Führer mit Genugthuung betonte, Lüneburger Tafelsalz in den zierlichen Näpfchen, die auf wohlgedeckter Tafel den Gästen beim Mahle zur Hand stehen, sich nicht zusammenballt, sondern unübertrefflich locker bleibt.

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Im Trockenraum für Tafelsalz.

Die fertige Ware wandert in die Niederlagen, wo sie in Säcke zu 75 kg oder in Fässer zu 150 kg gefüllt wird, um dann hinauszuziehen, zum kleineren Teil auf der Ilmenau, zum größeren auf den Schienenwegen, und weiter von den Hafenplätzen aus über das Meer in alle Welt. – In den Niederlagen wacht ein uniformierter Beamter darüber, daß mittels der Salzsteuer auch der Staat seinen Anteil empfange vom Segen der Lüneburger Solquelle.

Wir wanderten nunmehr nach den ein Viertelstündchen Weges von der Saline entfernten, in der Stadt belegenen Geschäftsräumen der Königlichen Direktion; sie tragen an der Thür die bescheidene, wohl althergebrachte Inschrift: „Salzschreiber“.

Hier prangt im Zimmer der leitenden Herren eine reichhaltige Sammlung aller Arten des erzeugten Salzes in schmucken hohen Krystallgefäßen, dem Prunkgewand für Ausstellungszwecke. Zunächst schneeweißes Salz in feiner, gröberer und großer Körnung, dann eine schwach ziegelrötlich schimmernde Mischung mit Wermut und Eisenoxyd, nämlich Viehsalz, sowie in hellbläulicher Masse das Gewerbesalz, Zusätze von Kupfervitriol und Ultramarin enthaltend. Die beiden soeben genannten Salze sind „denaturiert“, von welcher Eigenschaft die Befreiung von der Salzsteuer bedingt wird. Noch zu einer erwähnenswerten Nebenverwendnng dienen Sole und Mutterlauge: mit der Saline ist eine Solbadeanstalt verbunden, die 4000 bis 5000 Bäder jährlich verabfolgt; sie wirken günstig bei skrophulösen Krankheitszuständen, chronischen Rheumatismen, Gicht, Bleichsucht und manchen anderen Leiden.

„Und all diesen Segen,“ fügte mein Freund hinzu, „verdankt die hier geheilte Menschheit im allgemeinen und unser Lünebnrg im besonderen dem nützlichen Haustiere, das auch die Bäder von Teplitz entdeckt haben soll; es ist nicht zu verwundern, daß es in der Sprache der Herren Studenten die Fülle des Glücks bedeutet!“

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 749. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0749.jpg&oldid=- (Version vom 1.4.2023)