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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Elfe rümpfte leicht das Naschen. „Ich würde ja doch nur heiraten, wenn ich es besser bekäme – das ist doch selbstverständlich.“

„Aber wenn Dein Herz dagegen Einspruch erhebt?“

„Man muß sein Herz mit seinem Verstände in Einklang zu bringen suchen, sagt Mama, und ich finde, sie hat recht. Warum seufzest Du, Lisbeth?“

Die Schwester machte eine ablehnende Bewegung.

„Sieh, Lisbeth,“ fuhr das junge Mädchen fort, „ich habe es gewiß gut hier, das weiß ich ihr liebt mich ja alle so sehr und verhätschelt und verwöhnt mich, und es ist ja auch sehr nett bei uns – aber es ist doch auch vieles, was mir gar nicht gefällt –“

Lisbeth horchte auf und sah sie gespannt an.

„Dieses ewige Komödiespielen, als ob wir reich wären, und dabei das Sparen und Knickern! – Warum müssen die Weingläser auf den Mittagstisch gestellt werden, die man nie gebraucht, und die Flasche dazu, die niemals geöffnet wird? Warum muß der Bureaubote den Diener bei uns vorstellen, während er kaum mehr für uns thut, als die Visitenkarten herein bringen? Und Mamas falsche Diamanten ärgern mich auch so – darum will ich heiraten, damit alles echt bei mir ist: der Diener, auch der Wein und die Diamanten.“

„Und daß das Beste echt sein muß in der Ehe, daran denkst Du nicht?“

„Das beste – was denn?“

„Die echte Liebe muß man in die Ehe mitbringen, ohne die ist kein Glück.“

„Ach,“ meinte Elfe überlegen, „Papa und Mama haben sich aus Liebe geheiratet und lieben sich ja heute noch so sehr - darum sind Mamas Brillanten doch nicht echt geworden! Siehst Du, Lisbeth, weil Du solche altmodischen Ansichten hast, deshalb bist Du auch unverheiratet geblieben, und unverheiratet zu bleiben, das denke ich mir nun als das schrecklichste!“

„Wenn Dein Herz einmal erwacht, Du kleines, dummes Ding, dann wirst Du anders darüber denken, dann wirst Du sagen: Ihn oder keinen – und tausendmal lieber keinen als einen, von dem das Herz nichts weiß.“

Elfe sah sinnend vor sich hin, dann strich sie mit der Hand über die Stirn. „Das hilft nun alles nichts mehr – jeder muß wissen, was er kann,“ sagte sie, „aber wir wollen nicht weiter darüber reden.“

Die kunstvolle Frisur war nun auch vollendet, sie griff nach dem Handspiegel, beschaute sich von allen Seiten, rückte das Kränzchen ein wenig mehr zu Gesichte und schlüpfte dann schnell in das weiße, luftige, über glänzende Seide gearbeitete Ballkleid, das Lisbeth dann an Brust und Schultern mit Blumenranken besteckte.

Da wurde die Thür geöffnet, die Frau Geheimrätin rauschte herein, in hellgrauer Moirerobe mit endloser Schleppe, Taille und Rock reich mit wertvollen Spitzen garniert, und im Haar und an der Brust glänzten Sterne von geschliffenen Steinen, die wohl auch der Sachverständige mit bloßen Augen kaum als Nachahmung erkannte. Sie warf einen befriedigten Blick auf die liebreizende Gestalt ihrer Tochter und reichte ihr mit vielsagendem Lächeln ein unter rosa Seidenpapier verborgenes Bouquet, das diese sofort von seiner Hülle befreite, um eine zwischen die Blumen gesteckte Karte zu lesen. Während dem wandte sich die Mutter an Lisbeth.

„Für Dich ist eben dieses Telegramm angekommen.“

„Aus D.?“ rief diese erschreckt, riß das Blatt auf und stieß dann einen Freudenschrei aus.

„Bei Römers ist ein kleines Mädchen eingetroffen,“ sagte sie, ganz erfüllt von dieser frohen Botschaft.

Die Frau Geheimrätin nahm von dieser Mitteilung keine Notiz, aber Elfe schlang den Arm um die Schultern der Schwester.

„Da freust Du Dich wohl sehr. Zeige einmal her! -– Eine kleine Lisbeth soeben angelangt“ – las sie halblaut; „sieh, Liesel, das ist doch nett, sie haben das Kind nach Dir genannt.“

Die Mutter war indessen an den Tisch getreten, hatte die Karte aufgenommen und blickte in größter Verwunderung und offenbar sehr enttäuscht auf dieselbe.

„Von Lieutenant Lüdeke – wie kommt der dazu?“

„Nun,“ meinte Elfe, „schließlich hat er gerade soviel Recht, sich niedlich zu machen, wie jeder andere. Ein entzückendes Bouquet, nicht wahr? Diese köstlichen Blumen – und nicht zu groß und nicht zu klein, so recht dazu geschaffen, in der Hand getragen zu werden.

„Das darfst Du aber nicht, Elfe!“ rief die Mutter erregt, „er könnte unliebsame Schlüsse daraus ziehen,“ und leiser setzte sie hinzu: „was würde Walden dazu sagen?“

„Das ist mir ganz gleich,“ meinte Elfe kurz und warf den Kopf in den Nacken; „wenn ich nicht die Blumen, die mir ein anderer schickt, tragen soll, müßte er diesem doch mit der gleichen Aufmerksamkeit zuvorkommen.“

Man klopfte – Lisbeth öffnete die Thür und reichte ein zweites Bouquet Elfrieden hin, Wohl dreimal so groß als das zuerst erhaltene und mit überaus kostbarer Manschette von Atlas und Spitzen garniert.

Die Frau Geheimrätin strahlte, als sie die Karte gelesen, doch Elfe zog die Stirne kraus und machte ein böses Gesicht.

„Was fange ich mit dem Dinge an?“ sagte sie kläglich – „Walden scheint noch in seinem Leben kein Ballbouquet gesehen zu haben! Wie könnte ich mich Wohl damit schleppen, das wäre ja die reine Last. Ich bin froh, daß ich schon versorgt war.“

„Aber, Herzchen, was fallt Dir ein?“ rief die Mutter lebhaft, „natürlich mußt Du dieses nehmen. Was geht Lüdeke uns an?

Sage ihm ein paar höfliche Worte, dann hat er seinen Dank.“

„Nein,“ meinte Elfe eigensinnig, „ich thue es nicht; ich habe jenen Strauß zuerst bekommen, er gefällt mir viel besser, und – ich mag Walden nicht verwöhnen.“

„Sei nicht kindisch – Du verdirbst Dir den Abend – ich würde Dich eher zu Hause lassen, als solchen Fehler begehen.“

Sie legte leicht den Arm um Elfe, zog sie näher an sich heran und sprach leise auf sie ein.

„Nun,“ sagte diese darauf, „dann nehmt mir die künstlichen Blumen vom Kleide ab – wenn es denn sein muß, will ich alle tragen.“

Und mit zierlicher Handhabung zerpflückte sie das große Bouquet, bog sehr geschickt kleinere Sträuße zusammen, die sie selbst am Kleide und im Haar befestigte, und nickte nun wieder heiter ihrer Mutter zu, die völlig befriedigt diesem Wechsel zugesehen hatte.– Im Ballsaal ertönte bereits die Musik und die Gesellschaft war fast vollzählig versammelt, als die Familie Brückner eintrat.

Regierungsrat von Walden erwartete sie am Eingänge und reichte nach den üblichen Begrüßungen der Frau Geheimrätin den Arm, während Elfe, trotz aller anderen Aufforderungen, den ihres Vaters genommen hatte.

„Sie sehen, ich habe mich mit Ihren Blumen geschmückt,“

lachte Elfe dann Walden an, „noch dankbarer kann man doch wahrlich nicht sein.“

Er blickte entzückt auf sie und den Blumenschmuck, murmelte einige Worte und machte sein Recht auf ihre Tanzkarte geltend.

Sie guckte auf das Blättchen, als er seinen Namen schrieb.

„Nicht zu unbescheiden,“ mahnte sie schelmisch, als er einen zweiten Tanz notieren wollte, und legte den Fächer hindernd auf die Karte, um, nach einem bittenden Worte von ihm, denselben zögernd zurückzuziehen.

„So sagen wir also noch: die erste Quadrille,“ gab sie zu und erwiderte dann das freudige Aufleuchten seiner Augen mit solchem tiefen und zärtlichen Blick, daß er ein plötzliches Herzklopfen verspürte.

Ueber den Saal kam soeben mit federnden Schritten ein jugendlich schöner Offizier auf sie zu. Ihn erblickend trat sie von Walden fort und wendete sich um, damit dieser bei ihrem Gespräch mit jenem nicht ihr Gesicht beobachten könne. Sie hatte Lieutenant Lüdeke ihre Tanzkarte hingereicht und machte ihn auf verschiedene Zeichen aufmerksam, die sie an den einzelnen Stellen gemacht hatte.

„Das sind Ihre Tänze. Sind Sie nun zufrieden?“

„Glücklich bin ich, grenzenlos glücklich! – Und Sie tragen auch mein Bouquet -– ich danke Ihnen tausendmal! Hier auch,“ er zog verstohlen ein Papier hervor, „ein Poem, das die Blumen begleiten sollte, aber ich fürchtete Ihren Zorn.“

Sie lächelte, schlug die Augen auf und ließ diese eine Sprache reden, die er übersetzen konnte, wie er es sich wünschte.

„Stecken Sie nur das interessante Blatt weg,“ sagte sie lächelnd, „es findet sich später wohl Gelegenheit, es mir zu geben.

Wir stehen ja gerade wie auf dem Präsentierteller. Und darum möchte ich auch bitten, strahlen Sie mich nicht so verliebt an -- der ganze Saal sieht es ebensogut wie ich.“

„Wenn Sie wüßten, wie bezaubernd Sie sind, Elfe!“ und ganz leise hauchte er: „meine süße Elfe.“

Sie zog mißbilligend die Stirn zusammen.

„Das alles dürfen Sie mir morgen Nachmittag sagen, wenn wir uns zufällig um fünf Uhr in den Anlagen begegnen sollten.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 671. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0671.jpg&oldid=- (Version vom 18.12.2016)