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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

als hätte er Sorge, daß ein Föhn im Anzug wäre. Doch der Himmel war ohne Wolken, sonnig und blau. Am Saume des nahen Wäldchens schlug eine Drossel, und in das eintönige Rauschen der Bäche, die aus den Hohlen des laufenden Berges rannen, klang vom Dorf herüber das Hammertrio der Daxenschmiede.

Die Sonne begann zu sinken, und es kam ein Abend, lau und windstill, leuchtend in allen Farben.

Gegen fünf Uhr wurde Mathes fertig mit der Saat. Am Rain des Ackers stehend, nahm er den Hut ab und drückte ihn an die Brust. „Lieber Herrgott, gelt, leg’ halt Dein’ Segen drauf!“

Dann hob er den Sack mit dem Rest des Samens auf die Schulter und trat den Heimweg an. Als er bei einer Hecke vorüberkam, spürte er zarten Wohlgeruch – den Duft der ersten Veilchen. Er pflückte die kleinen, blauen Blüten, welche halb noch Knospen waren, und steckte sie hinter das Hutband.

Auf der Straße vor dem Purtschellerhof begegnete ihm Karlin’, die mit kleinen Schritten ihren Knaben an der Hand führte, damit das Kind den schönen Frühlingsabend und die linde Luft genießen möchte – es war ja um diese Zeit im Freien wärmer als in den Häusern, aus deren Mauern noch die feuchte Kälte des Winters hauchte.

„Guten Abend, Frau Purtschellerin!“ sagte Mathes, ohne den Schritt zu verhalten.

Da fiel ihr zum erstenmal seine gebeugte Haltung auf, und sie vergaß, den Gruß zu erwidern. Als er schon vorüber war, fragte sie mit beklommener Stimme: „Mathes? … Trägst denn so schwer?“

Er blieb stehen und schüttelte den Kopf. „Bloß ein’ halben Metzen! Den hab’ ich sparen können bei der Saat.“

Mit besorgtem Blick betrachtete sie sein hageres Gesicht. „Sag’, Mathes? Thust denn net ein bißl gar z’viel schaffen? So viel müd schaust aus!“

„Ah na! Gott bewahr’!“ sagte er hastig, während matte Röte seine Züge überflog. „Das hab’ ich halt so im Frühjahr! Da druckt mich ’leicht der Winter ein bißl! Ja! Die ganzen Jahr’ her hab’ ich’s allweil so g’habt! Das vergeht schon wieder und thut mir nix! Ah na!“ Er hatte den Sack zu Boden gestellt und die Veilchen vom Hut genommen. Sich niederbeugend, drückte er dem Kind die Blumen ins Händchen. „Da schau, Tonerl! Was ich Dir mit’bracht hab’! Gelt, die sind lieb! Und schmecken so viel gut!“ Er roch an den Blüten und stellte sich, als ob er von der Stärke ihres Duftes niesen müßte: „Hazzi!“

Das gefiel dem Bürschlein; eifrig grub es sein Rüschen in die Blumen und machte „Hazzi!“

Lächelnd erhob sich Mathes und nahm den Sack wieder auf.

Doch er zögerte zu gehen – es drängte ihn, Karlin’ zu sagen, daß er heute von Purtscheller Urlaub für so lange nehmen wollte, als der Vater ihn nötig hätte. Aber er brachte es nicht über die Lippen. Sie hatte ja Kummer genug im eigenen Hause weshalb sollte er auch noch eine fremde Sorge auf ihr Herz legen und ihr sagen, wie schlimm es dort oben in der Simmerau um das kleine Häuschen stand.

„B’hüt Ihnen Gott, Frau Purtschellerin!“ murmelte er und ging davon.

Langsam strich Karlin’ die losen Härchen hinters Ohr, blickte ihm mit sinnenden Augen nach und atmete tief.

Als Mathes den Hof betrat, sah er Purtscheller, der für die Jagd gekleidet war und die Schrotflinte auf dem Rücken trug, vor einer Stallthür stehen und lachend mit Zäzil schwatzen. Die Magd schien ihren Herrn auf die Heimkehr des Knechtes aufmerksam zu machen, denn er blickte über die Schulter; dann sagte er der Dirne ein leises Wort und ging auf das Thor zu.

Mathes vertrat ihm den Weg. „Grüß Gott!“

„Grüß Gott auch! Bist endlich fertig mit der Aussaat?“

„Ja!“

„No also! Aber lang g’nug hast ’braucht!“

„Gute Saat will ihr’ Zeit haben.“

„Natürlich! Solche Sprüch’ haben die Langsamen allweil bei der Hand! … B’hüt’ Dich Gott!“

„Ich hätt’ was z’reden, Herr Purtscheller.“

„Ein andersmal!“

„Es muß heut’ noch sein!“

„Oho! Soll ich mir ’leicht Vorschriften von Dir machen lassen? Jetzt grad’ mag ich net! Und wenn’s gar so pressiert, so wart’ halt, bis ich heimkomm’! Jetzt hab’ ich kein’ Zeit! Heut’ is der erste schöne Abend – da muß ich schauen, ob net der Schnepf schon am Strich is. Wenn ich Glück hab’, schieß’ ich heut’ den ersten!“ Ohne sich darum zu kümmern, was Mathes noch sagte, wanderte er zum Thor hinaus und brummte: „Hoffentlich begegnet mir kein alts Weib net.“ Als er auf der Straße seine Frau gewahrte, machte er ärgerlich einen Umweg.

Er hatte nicht weit zu gehen. Gleich bei den aus dem laufenden Berg hervorströmenden Bächen, in den mit dichtem Buschwerk durchsetzten Moorwiesen war seit Jahren der beste Schnepfenstrich. Als Purtscheller seinen Stand gewählt hatte und die Flinte schußbereit machen wollte, merkte er, daß er die Patronen vergessen hatte. Mit einem Fluch begann er zu schimpfen: „Natürlich! Weil einem das Frauenzimmer aber auch allweil die Patronen aus’m G’wehr und aus der Joppen nehmen muß! Als ob was passieren könnt’, wenn’s G’wehr am Rechen hängt!“ Aber da half ihm nun alles Schelten nichts; er mußte den Heimweg wieder antreten. (Fortsetzung folgt.)


Blätter und Blüten.

Die Kaiserbegegnung in Breslau. (Zu dem Bilde S. 660 und S. 661.) Für die ersten Septembertage hatte die Residenzstadt Breslau einen festlichen Schmuck angelegt. Sollte doch in ihren Mauern das russische Zarenpaar von dem deutschen Kaiserpaar gastlich empfangen werden. In dieser Begegnung kam die friedliche Gesinnung der regierenden Häupter der beiden mächtigen Nachbarreiche zum Ausdruck und diese Zuversicht erfüllte das Volk mit um so größerer Freude. Während das russische Kaiserpaar in dem eigens dazu hergerichteten Ständehause abstieg, nahm Kaiser Wilhelm Wohnung im königlichen Palais – jener denkwürdigen Stätte, von der im Jahre 1813 Friedrich Wilhelm III. den „Aufruf an mein Volk“ erließ. Bevor jedoch das Zarenpaar eintraf, wollte Breslau noch einer patriotischen Pflicht genügen; am 4. September wurde in Gegenwart des Landesherrn das Denkmal für Kaiser Wilhelm I. enthüllt. Breslau stand ja dem Begründer der deutschen Einheit besonders nahe. In Zeiten schwülen Druckes hatten am 15. Mai 1866 die Breslauer städtischen Behörden eine patriotische Adresse an den König erlassen, die sich für die deutsche Politik Bismarcks aussprach, in weiten Kreisen zündete und der treuen Stadt den Dank des Königs sicherte.

Die jüngsten Kaisertage in Breslau waren vom „Kaiserwetter“ begünstigt, was natürlich das festliche Gepräge in dem glänzenden Straßenbilde noch wirksamer hervortreten ließ. Den Höhepunkt der Empfangsfeierlichkeiten bildete zweifellos die Parade des VI. Armeekorps, die am 5. September auf dem Gandauer Felde stattfand. Dasselbe liegt etwa eine Stunde von der Stadt entfernt, aber der ganze Weg war von dichtgedrängten Menschenmassen wie von einer lebenden Mauer umsäumt. Auf dem Paradefelde angelangt, stiegen die beiden Kaiser zu Pferde, während die Kaiserinnen, von einer glänzenden Suite gefolgt, im Wagen blieben. Die Zarin trug ein weißes Seidenkleid mit Silberbrokat und ein weißes Cape, die deutsche Kaiserin ein Kleid von rosa Seide mit meergrüner Garnitur. Kaiserin Anguste Viktoria saß im Wagen zur Linken der Zarin. Zunächst ritten die Majestäten die Fronten der beiden Treffen ab, wobei die Kapellen der einzelnen Regimenter, zu denen die Herrscher gerade gelangten, die russische Nationalhymne anstimmten. Darauf erfolgte ein zweimaliger Vorbeimarsch der Truppen. Der Zar trug dabei die Uniform des Kaiser Alexander-Garde-Grenadier-Regiments Nr. 1, dessen Chef er ist, während der deutsche Kaiser die große Generalsuniform angelegt hatte. Als nun das Grenadier-Regiment Kronprinz Friedrich Wilhelm Nr. 11 anmarschierte, sprengte Kaiser Wilhelm an dessen Spitze und führte es seinem Gaste vor. Bald darauf wurde dieser Akt der Höflichkeit von Kaiser Nikolaus erwidert, indem er sein Alexander-Garde-Grenadier-Regiment zweimal an Kaiser Wilhelm vorbeiführte. Diesen interessantesten Augenblick der Parade hat der Maler W. Pape anf unserer Abbildung in trefflicher, lebenswahrer Weise wiedergegeben. – Am 7. September fand noch vor den vereinigten Herrschern die Parade des zu Manöverzwecken bei Görlitz versammelten V. Armeekorps statt. Bald darauf trennte sich das russische Kaiserpaar von seinen hohen Gastgebern. *      

Das Sammeln von Abfällen für wohlthätige Zwecke. Mit großem Eifer werden überall in Deutschland die verschiedensten Abfälle, wie Cigarrenspitzen, Staniolflaschenkapseln, alte Lederhandschuhe etc., gesammelt, in der wohlmeinenden Absicht, den baren Erlös dieser Sammlungen für wohlthätige Zwecke zu verwenden. Es muß jedoch nicht so leicht fallen, für diese Kleinigkeiten Käufer zu finden, denn von Zeit zu Zeit erhalten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 667. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0667.jpg&oldid=- (Version vom 29.7.2023)