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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


der ja an den Abhängen des „Hohenklingen“ mit so ganz eigenartiger Würze gedeiht, so sind die Freuden der Mahlzeit köstlich vorbereitet. An Wildbret hat es in den Forsten dort auch keinen Mangel, kommt noch die stumme Brüt der Fische hinzu, die Blaufelchen und schönen Seeforellen, die Rhein und Bodensee in zahllosen Scharen beleben, so giebt das ein Bild, wie Meister Grützner sich kein verlockenderes zum Malen denken kann.

Indes zurück zur ernsten Betrachtung! Da führt uns der Rundgang in die stattliche alte Waffensammlung von Stein, die sonst einen Saal des Rathauses ziert und zum Klosterfrieden nicht recht stimmen will. Aber Abt David war auch bei aller Kunstbegeisterung ein gewandter und energischer Herr, der, körperlichen Uebungen keineswegs abhold, gern an der Spitze seiner jungen Mönche auszog, um einen Sumpf in urbares Land zu verwandeln und ähnliche praktische Kulturarbeit zu verrichten, der auch einen frevelnden Fischer aus dem Rheine überfiel, beim Kopfe nahm, als Gefangenen ins Schiff warf und entführte. Zudem bestieg er, wie Vetter berichtet, den Abtsstuhl in der alten Rheinstadt zu einer Zeit, da nicht nur draußen im Hegau zu Füßen der einstigen Herzogsburg Hohentwiel, sondern auch rings um die grauen Klostermauern selbst der wildeste Waffenlärm tobte. Dabei handelte es sich keineswegs um „Späne“, die unser Kloster nicht berührten; oft genug hatten seine Leute mit den Waffen in der Hand für die Sicherheit ihrer Besitzungen einzutreten.

Keine der Künste ist im Kloster leer ausgegangen; Architektur, Skulptur und Malerei, Musik wie Poesie haben in den engen Zellen einst ihre Pflege gefunden und im Bunde mit der Wissenschaft jenen Boden vorbereitet, der unserer heutigen Kulturentwicklung unerläßlich war. Da vertiefte sich in der ersten, der Architektenzelle, Bruder Fridunant in die Gesetze der Baukunst; allerlei Baupläne und Reliefs, ein Grundriß des Klosters sind Spuren seiner Thätigkeit. Des Klosters Bildhauer war Bruder Georgius.

In seiner Zelle treten uns Werke der Holzskulptur aus dem 16. bis 18. Jahrhundert entgegen; Gotik wie Renaissance und Rokokozeit haben ihre Tribute geliefert. Beim Bruder Hartmut hat die Malerei, die Zeichenkunst und Stickerei ihr Heim aufgeschlagen. Die Malerei tritt hier freilich weder in leuchtendem Kolorit noch selbständig auf. Welch untergeordnete Stellung ihr als Tafelmalerei (von der Wand und Glasmalerei haben wir schon ausführlich gesprochen) in den Klöstern angewiesen war, läßt sich sehr wohl in dieser Mönchszelle erkennen. Die Ausgabe der Malerei besteht hier fast lediglich darin, den mittelalterlichen Schnitzwerken in Holz durch die Polychromie die Strenge ihrer Form zu nehmen und sie durch den Schmelz der Farbe zu mildern. Daß ein energisches Himmelblau im Bunde mit kräftigem Rot die herrschende Rolle dabei spielt, ist allgemein bekannt. Aufrichtig bedauert haben wir, daß uns für die schönen Frauenklosterarbeiten, Seidenstickereien auf Pergament, gewebte Kleider, Häckelarbeiten, kurz die mannigfachsten Erzeugnisse weiblicher Kunstfertigkeit, die sich hier und in der nächsten Zelle beim Bruder Kleinkünstler finden, das richtige Verständnis abging. Frauenaugen hätten hierauf sicherlich mit Entzücken verweilt.

Hofansicht der Abtswohnung.

Auch die Musik hat in den Klosterhallen ihre Pflege gefunden: davon zeugt Bruder Martins Zelle. Angeheimelt fühlten wir uns in dem traulichen, mit den Symbolen der Musik durch Malerei charakteristisch ausgeschmückten idyllischen Raume, der ausgestattet ist mit Musikinstrumenten aus alter Zeit, zu denen sich die sonstige moderne, allerdings alten Originalen abgelauschte Zimmereinrichtung nicht ganz „stilgemäß“ reimen will.

In den ganzen Hokuspokus der Alchimistenzunft läßt uns die Zelle Bruder Faustus’, des Alchimisten, blicken. Es war eine originelle Idee, ein solch „verfluchtes, dumpfes Mauerloch“ ausstellungshalber mit dem ganzen Apparat der alten Goldmacherleute auszurüsten.

Wohnlicher sieht es in der daran stoßenden „Bürgerstube“ aus, wo der Sage nach einst Herr Isaak, der Schulmeister, gehaust haben soll. Hier fallen uns auch hübsche Trachtenbilder ins Auge. Silberne und wollene Hauben, gestickte Herrenröcke, gesteppte Seidenkleider, altertümlicher Goldschmuck mit Smaragden und blauem Email zeigen uns nebst mannigfachen anderen Schmuck- und Kleidungsgegenständen, woran man in Jürg Jenatsch’ Landen einst seine Freude hatte.

So haben wir in genußreichen Stunden unsern Rundgang durch diese Stätten beschaulich stiller Geistesthätigkeit beendet und werfen nur noch einen kurzen Blick in die geräumige, gegenwärtig reich ausgestattete Halle, wo auch die Erholung und Erquickung zu ihrem Rechte kam, ins Refektorium. Zahlreiche Weinkannen aus Zinn, Pokale, Bierkrüge, Teller und Platten stehen auf den schön gedeckten Tischen umher. Im Weggehen durchschreiten wir noch den gotischen Kreuzgang, der den Klostergarten im Viereck umgiebt. Hier erging sich einst, über schöne Pläne sinnend, ein David von Winkelsheim, hier tummelte sich der Klosterschüler frohe Schar im Spiele, hier auch schläft so mancher Tote vom St. Georgenkloster den ewigen Schlaf.

Der Erfolg der Klosterausstellung im vorigen Jahre, wie wir sie im Vorstehenden geschildert haben, hat den Besitzer zu dem Entschluß geführt, ihr einen dauernden Charakter zu geben. Eine Anzahl der geliehenen Kunstgegenstände ist mit dem Einverständnisse ihrer Eigentümer weiterhin im Kloster verblieben und die mit dem 9. August dieses Jahres eröffnete zweite Ausstellung, die bis Mitte Oktober währen soll, enthält namentlich an alten schönen Möbeln und Stickereien manches, in dessen Schmuck die alten Räum erst recht ihren stimmungsvollen Zauber ausüben. Die moderne Malerei ist durch verschiedene Genrebilder aus dem Mönchsleben vertreten, deren hauptsächlichste von Leuenberger und Linderum stammen. Im Vorhof zur Prälatur hat C. W. Allers die Mauerwand mit einem Gemälde geschmückt, das in beziehungsreicher Symbolik den Gästen Willkommen bietet.


Der laufende Berg.

Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer.

 (15. Fortsetzung.)

Am folgenden Mittag kam Purtscheller von der Jagd zurück, in sehr guter Laune. Er hatte bei der Abendpirsch eine Dublette auf Gamsböcke gemacht; und es stand ihm ja für heute noch eine Freude bevor: sein neuer Traber sollte den Einzug im Purtschellerhof feiern! Persönlich überwachte Toni die Säuberung des Raumes, der an Stelle des verewigten „Herzbinkerl“ jetzt den edlen „Lüftikus“ beherbergen durfte. Als Purtscheller bei dieser Fürsorge zufällig auch den großen Stall der Milchkühe betrat, bemerkte er die praktische Aenderung. „Brav, Mathes!“ sagte er. „Schau, das hab’ ich selber schon lang allweil machen wollen! Aber natürlich, dazu’kommen bin ich halt net.“

Bei Einbruch der Dämmerung wurde „Lüftikus“ von einem Stallknecht des Händlers aus der Stadt gebracht. Der Bursche hatte eine blutige Hand, der ganze Aermel war ihm aufgerissen, und vor Ermüdung vermochte er sich kaum mehr aufrecht zu halten – so übel hatte das Pferd ihm während der Wanderung mitgespielt. Dazu lachte Purtscheller, und stolz, mit strahlendem Gesicht musterte er das Tier. Es war ein Rappe von edlem Blut und ausgesuchter Schönheit. Aber ein scheues Feuer glomm in den schillernden Augen des Pferdes; wenn ihm jemand nahe kam, begann es zu tänzeln oder zitterte an allen Gliedern. Seinen Einstand in „Herzbinkerls“ Stall feierte „Lüftikus“ mit einem wilden Aushieb, der die ganze Holzrampe zertrümmerte. Der Knecht, welcher das Pferd an den Barren hatte legen wollen,


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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 662. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0662.jpg&oldid=- (Version vom 9.10.2022)