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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

den Weg, um näheres zu erkunden, während Johansen zurückblieb, um das Lager zu bewachen. Da vernahm auch er Hundegebell. Eine unendliche Freude erfüllte ihn. Er richtete ein Bambusrohr mit einem Hemd an der Spitze auf, damit Nansen oder die Fremdlinge sehen konnten, wo er war. Drei Stunden hatte er geharrt, da sah er einen Mann mit einem langen Gewehr in der Ferne vorübergehen. Um die Aufmerksamkeit mehr auf sich zu lenken, richtete nun Johansen eine weitere Stange mit einer kleinen norwegischen Flagge auf (vergl. unsere untenstehende Abbildung). Bald kam der Fremde auf ihn zu. … Es war ein Mitglied der Jackson-Expedition, die sich gerade auf Franz Josefland aufhielt. Johansen wurde in das Lager der Expedition geführt, wo sich Nansen bereits befand. Auf Jacksons Schiff „Windward“ dampften nun die Polarforscher heimwärts und bereits am 13. August gelangten sie nach Vardö. –

Die „Fram“ im Eise.

Mit 10 Gefährten war Kapitän Sverdrup auf der „Fram“ geblieben. Die Eistrift trug sie hin und her, bis am 16. Oktober 1895 das Schiff seine höchste Breite mit 85° 57’ erreichte. Eisschraubungen bedrohten wiederholt das Fahrzeug, hatten es aber nirgends beschädigt. Im Frühjahr 1896 trat nun auch die „Fram“ ihre Heimfahrt an. Unter Dampf strebte sie vorwärts, wo freieres Wasser war, und wo Eisbänke den Weg versperrten, da wurde die Bahn mit Pulver und Schießbaumwolle freigesprengt. Am 4. August kam man aus dem Eise heraus und begegnete einem Schiff, dessen Kapitän zwar über Nansens Geschick keine Auskunft geben, aber von dem Aufenthalt der Andreeschen Luftballonexpedition auf der dänischen Insel berichten konnte. Dorthin wandte sich die „Fram“. Aber auch hier hatte man keine Kunde von dem Schicksal Nansens. Betrübt faßte nun die Mannschaft der „Fram“ den Entschluß, nach Norwegen zu fahren und dort Erkundigungen einzuziehen. Waren Nansen und Johansen noch nicht zurückgekehrt, dann wollte Sverdrup nur etwas Kohlen einnehmen und ohne Verzug nach Franz Josefland dampfen, um die Kameraden zu suchen. Das Schiff kehrte von einer Polarexpedition zurück, aber es war unbeschädigt, es hatte noch Proviant für drei Jahre an Bord, es war zu einer neuen Polarfahrt bereit! Am 20. August kam die „Fram“ nachts in Vardö an. Sverdrup ging sofort ans Land und klopfte den Telegraphenbeamten heraus. Von ihm erfuhr er die hocherfreuliche Nachricht, daß Nansen und Johansen schon seit acht Tagen in der Heimat sich aufhielten. Nun eilte Nansen seinem Schiff entgegen und bald war er mit seinen Kameraden an Bord der „Fram“ vereinigt. Unser Bild auf Seite 653 stellt die tapfere Schar nach einer Photographie dar; Nansen, sitzend, in der Mitte, neben ihm, an der hellen Mütze kenntlich, steht Sverdrup.

Johansens Begegnung mit der „Jackson-Expedition“ auf Cap Flora

So endete die glorreiche Forscherfahrt, deren Einzelheiten noch lange die öffentliche Meinung beschäftigen werden. Groß sind die wissenschaftlichen Ergebnisse der Expedition. Die Betrachtung über dieselben schließen wir jedoch von unserer heutigen Darstellung aus. Da sie bis jetzt noch in zu knappen Umrissen vorliegen, haben wir uns nur mit den Heldenthaten unseres Polarfahrers beschäftigt. Wenn aber erst ausführliche Berichte vorliegen, werden wir Gelegenheit nehmen, darauf zurückzukommen. Nur eine Frage möchten wir zum Schlusse schon jetzt aufwerfen: ist es möglich, Nansens Leistung noch zu überbieten, ist es wahrscheinlich, daß ein anderer Forscher dem Pole noch näher kommt? Der eingeschlagene Weg, durch Eistrift auf den Pol geführt zu werden, hat sich, wenigstens in der versuchten Weise, als irrig erwiesen. Darum wird Nansen ihn nicht weiter verfolgen. – Aber wenn wir, und sei es auch nur für unser Jahrhundert, die Entwicklung der arktischen, besonders der Polforschung überblicken, erkennen wir einen stetigen Fortschritt. Man rückt dem Pole immer näher. Nansen hat einen gewaltigen Schritt gethan, der ihm die Bewunderung der ganzen Welt erwirbt. Wird er der letzte bleiben?


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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 656. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0656.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2023)