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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 37. 1896.



Zur Verlobung in Cetinje. In der Hauptstadt Montenegros, in dem etwa 2500 Einwohner zählenden Cetinje, hat sich am 18. August der Schlußakt eines Romans abgespielt, der die gesamte Welt interessiert. Ist doch der Held derselben ein Prinz und die Heldin eine Prinzessin, und beide sind berufen, dereinst in Rom die Königs- und Königinkrone zu tragen. Dem Fürsten Nikola I. von Montenegro hat seine Gemahlin Milena im Laufe der Jahre zehn Kinder, drei Söhne und sieben Töchter, geschenkt. Eine dieser Prinzessinnen, Zorka, die inzwischen gestorben ist, heiratete im Jahre 1885 Peter Karadjordjewitsch aus dem serbischen Fürstengeschlechte, zwei andere vermählten sich mit russischen Großfürsten und zwar Prinzessin Militza mit dem russischen Großfürsten Peter Nikolajewitsch und Prinzessin Stana mit dem Herzog Georg von Leuchtenberg. Ein noch höheres Los sollte indessen der viertältesten Tochter, der Prinzessin Helene, beschieden sein, die am 8. Januar 1873 in Cetinje das Licht der Welt erblickt hat. Diese Prinzessin gilt als eine hervorragende Schönheit, man rühmt ihren herrlichen Wuchs, ihre tiefschwarzen Augen und ihr prachtvolles schwarzes Haar, aber noch mehr preist man ihre Herzensgüte, die sie bei allen möglichen Bitt- und Gnadengesuchen zur Vermittlerin zwischen dem Volk und ihrem fürstlichen Vater gemacht hat. Nicht minder hervorragend ist ihre Bildung, zu der eine deutschschweizerische Lehrerin den Grund gelegt hat und die in dem adeligen Damenstift zu Petersburg vervollständigt wurde. Als Montenegrinerin versteht die Prinzessin trefflich zu reiten und zu schießen, aber sie hat auch künstlerische Neigungen, sie spielt nicht nur Klavier und Violine, sondern ist auch geschickt in der Malerei! Die Kunst blüht ja am Hofe von Montenegro, ist doch Fürst Nikola selbst ein Dichter, der unter anderem auch ein Drama, die „Kaiserin vom Balkan“, geschrieben hat.

Kronprinz Viktor Emanuel von Italien und seine Braut,
Prinzessin Helene von Montenegro.

Es war im vorigen Jahre, daß Prinzessin Helene, da sie mit ihrer Mutter die Kunstausstellung in Venedig besuchte, in persönliche Beziehungen zu dem italienischen Königshause trat. Sie erregte damals Aufsehen und wurde vom König Humbert ausgezeichnet. Während der Krönungsfeste in Moskau traf sie mit dem italienischen Thronfolger, Viktor Emanuel, Prinz von Neapel, zusammen. Dort bei den rauschenden Festen lernten sich die beiden näher kennen und schlossen den Herzensbund. Viktor Emanuel wnrde am 11. November 1869 zu Neapel geboren, ist also etwa drei Jahre älter als die Prinzessin. Das glückliche Liebespaar hatte keine Schwierigkeiten zu überwinden; dem allgemeinen Fürstenbrauche folgend, erklärte sich Prinzessin Helene bereit, vom griechisch-orthodoxen Glauben zu dem ihres künftigen Gemahls, zum katholischen, überzutreten. Am 17. August erschien der Prinz von Neapel in Cetinje und wurde jubelnd von den Tschernagorzen in ihrer bunten Nationaltracht empfangen. Tags darauf erfolgte in Cetinje und Rom die öffentliche Bekanntmachung der Verlobung.

Ein neuer Dampfer auf Rädern. In dem Artikel „Eildampfer der Zukunft“ (vergl. Gartenlaube, Jahrgang 1895, S. 660) haben wir bereits auf ein Projekt des französischen Ingenieurs Ernst Bazin hingewiesen. Derselbe trat mit der Ansicht hervor, daß Schiffe, die sich auf Rädern bewegen, eine größere Geschwindigkeit erreichen müssen als unsere bisher üblichen Schiffe mit Rumpf und Kiel. Bazin verstand, für seine Ideen einige Kapitalisten zu begeistern, und ist neuerdings in die Lage gekommen, ein derartiges Rollschiff zu bauen, das am 19. August in St. Denis auf der Seine vom Stapel gelassen wurde. Wie unsere Abbildung zeigt, bildet das neue Schiff eine Art Wasserwagens. Eine 38,5 m lange und 12 in breite Plattform ruht auf sechs Rädern. Jedes der letzteren hat einen Durchmesser von 10 m, ist linsenförmig gewölbt und erreicht an den breitesten Stellen eine Dicke von 3,6 m. Auf der Plattform werden Maschinen sowie Räume für Passagiere und Waren untergebracht. Die Räder tauchen nur 3,3 m ins Wasser, so daß die Plattform nirgends die Wasserfläche berührt. Die drei Räderpaare werden durch Dampfmaschinen von je 50 Pferdestärken in Umdrehung versetzt, außerdem ist zum Vorwärtstreiben des Fahrzeugs an dessen hinterem Ende eine Schraube angebracht, die von einer Maschine von 550 Pferdestärken bewegt wird. Bazin behauptet, daß sein Schiff im Vergleich zu den alten Schiffen weniger Reibung auf dem Wasser erzeugt, und darum rascher vorwärts kommen wird. Die Schnelligkeit soll von der Größe der Räder abhängen. Der von uns abgebildete Dampfer wird voraussichtlich in der Stunde 18 bis 20 Seemeilen zurücklegen; mit Rädern von 22 m Durchmesser soll aber die Geschwindigkeit auf 32 Seemeilen gesteigert werden können, wobei der Kohlenverbrauch verhältnismäßig gering sein würde.

Ein neuer Dampfer auf Rädern.

Das Bazinsche Probeschiff wird in Rouen seine Maschinen erhalten und dann im Kanal mehrere Probefahrten machen. Es wird sich also schon in den nächsten Monaten zeigen, ob die Berechnungen des Erfinders zutreffen und sein Modell berufen ist, alle bisherigen Eildampfer zu verdrängen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 628a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0628_a.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)