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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

befahren, und dann wieder elegante Salondampfboote. Unterschiedlich waren sie in Form und Größe, alle aber aufs schönste und reichste geschmückt, und von allen schollen der Kaiserin, sobald ihr Schiff sich nahte, begeisterte Zurufe und Grüße entgegen. Es dauerte fast eine halbe Stunde, bis der Kaiserdampfer die Parade abgenommen und die Linie der aufgestellten Schiffe passiert hatte. Ein Schauspiel von solchem Glanz und Umfang ist auf dem Niederrhein bisher noch nicht zu sehen gewesen; Ruhrort darf auf diesen Tag und die Rheinfahrt der Kaiserin stolz sein.

Nach beendigter Parade begaben sich die hohen Herrschaften zu dem unfern der Landestelle liegenden Stahlwerk der Aktiengesellschaft Phönix, das besichtigt wurde, worauf um 61/2 Uhr die Weiterfahrt auf der Eisenbahn nach Essen folgte. Der 8. August war der eingehenden Kenntnisnahme der Kruppschen Werke gewidmet; mit besonderem Interesse ließ sich die Kaiserin namentlich die verschiedenen Wohlfahrtseinrichtungen zum Besten der Beamten und Arbeiter zeigen, über die sie sich mit hoher Befriedigung äußerte. Damit war die glanzvolle Rheinreise der Kaiserin und des Prinzen Heinrich, die in der Erinnerung der Bewohner des Niederrheins noch lange fortleben wird, zum Abschluß gebracht; am Abend traten die hohen Gäste ihre Rückreise an. P. G.     

Pfui! Haas! (Zu dem Bilde S. 593.) In früheren Jahren liebte man es, mit einem ruhigen, langsamen Hunde, der dicht vor dem Jäger hin und her trottete, Hühner und Hasen zu suchen. Heute aber, wo man es für unweidmännisch hält, auf der Hühnerjagd Hasen zu schießen, sind solche Hunde fast verschwunden. In feuriger, flüchtiger Suche sollen die Felder abreviert und doch darf kein Huhn überlaufen werden, die Nase soll mit den Läufen in Einklang stehen. Die elegante Arbeit des Hundes, die Kunst, einen feurigen Hund führen zu können, und schließlich auch das Erlegen des Wildes, das sind auf der Hühnerjagd die drei Momente, welche dem Jäger den höchsten Jagdgenuß bereiten. Die Arbeit des Hundes steht vielen Jägern aber höher als das Schießen.

Der Hund muß hasenrein sein, d. h. er darf auf der Hühnerjagd hinter keinem Hasen herhetzen. Aber es hält oft sehr schwer, diese Tugend einem Hunde anzudressieren, in dessen Brust es vielleicht leidenschaftlicher vor Jagdeifer pocht als in der des Jägers. Da steht ein Junghase vor ihm auf, und alle guten Lehren sind vergessen. Ihm nach geht’s, was er winden kann, trotz des donnernden „Downs!“[1] seines Führers, das ihn bei der Dressur auf hundert Schritt Entfernung, als wäre er vom Blitz getroffen, auf die Erde warf; vergessen ist, was der schrille Pfiff bedeutet – in seinem Jagdeifer verwechselt er „Pfui! Haas!“ mit „Hui faaß!“ und gestreckten Laufs geht’s über Wiesen, Stoppeln und Sturzäcker, durch Rübenbreiten und Kartoffelstücke immer in sausender Eile hinter dem armen Löffelmann her, der zwar von seinem Vater gute Läufe ererbt hat, dessen Lungen aber solchen Strapazen noch nicht gewachsen sind. Endlich ist Hektor ihm zum Greifen nahe – aber Lampe drückt sich blitzschnell – der Hund überschießt ihn und der arme jugendliche Biedermann hat wieder zwanzig Schritt Vorsprung. Wieder ist ihm Hektor dicht auf der Pelle, wieder drückt sich „der Dreiläufer“ oder er schlägt einen Haken – aber endlich ist doch seine Kraft verbraucht und in Hektors „Fange“ erlischt des armen Lämpchens Lebenslicht.

Stolz ob seiner Großthat trabt Hektor mit seiner Beute zu seinem Herrn zurück – je näher er aber herankommt, je langsamer werden seine Schritte – er scheint zu überlegen, daß das „Pfui! Haas!“ doch wohl nicht gleichbedeutend mit „Hui faaß!“ sei – – – und sein Herr wird gewiß auch nicht versäumen, ihn über diesen Punkt nicht im unklaren zu belassen, sondern ihm mit Frakturschrift die Bedeutung jener Worte auf den Rücken schreiben. Ich fürchte jedoch, daß Hektorchens Gedächtnis nur kurz ist und er beim nächsten Hasen die Lehren seines Gebieters schon wieder vergessen hat. Karl Brandt.     


  1. Down“ („nieder“) wird dem Hunde zugerufen, wenn er sich legen soll.

Neues von den Roentgen-Strahlen. Die Verwendung der Roentgenstrahlen zu praktischen Zwecken gewinnt immer mehr an Bedeutung. Namentlich zieht die Medizin aus der Durchleuchtung des menschlichen Körpers immer größeren Nutzen. Es ist in jüngster Zeit der „Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft“ in Berlin gelungen, neue wirksamere Vakuumröhren herzustellen, welche selbst die Durchleuchtung des Rumpfes ermöglichen. Ueber die Erfolge, die man damit erzielt hat, berichtet Dr. Max Levy in einer Broschüre „Die Durchleuchtung des menschlichen Körpers mittels Roentgen-Strahlen“ (Berlin 1896, Aug. Hirschwald). Mit Hilfe der neuen Apparate ist es möglich, einen Einblick in das Innere des Brustkorbes beim lebenden Menschen zu erhalten. Hierbei wird die Stellung gewählt, daß die zu untersuchende Person ihren Rücken der Röhre zukehrt, weil in dieser Stellung das Herz am deutlichsten und am wenigsten vergrößert auf dem Fluorescenzschirme hervortritt.

Zunächst sieht man in der Mitte des Schirmes einen breiten dunklen Streifen senkrecht von oben nach unten verlaufen; er stellt die Wirbelsäule dar. Unten erscheint diese Säule gestützt durch eine nach oben gewölbte Kuppe, deren obere Grenze durch das Zwerchfell gebildet ist. An der linken Seite des Bildes erscheint vom Zwerchfell bedeckt die obere Lebergrenze in dem größten Teile ihrer Ausdehnung, während rechts unterhalb des Zwerchfells, je nach dem Lichtfüllungszustand, kleinere oder größere Teile des Magens sichtbar sind. Bei der Atmung bewegen sich Zwerchfell und die mit diesem verbundene Leber senkrecht auf und nieder in einer Ausdehnung, welche bei Tiefatmung und gesunden Menschen 5 bis 7 cm beträgt und jedenfalls mit Leichtigkeit zu messen ist. Oberhalb der Zwerchfellkuppe erkennt man deutlich ein Schattenbild, welches der bekannten Form des Herzens entspricht und im wesentlichen aus einem dunklen centralen und einem helleren den ersteren umgebenden Teile besteht. Man beobachtet auch rhythmische Bewegungen, die man unschwer als Zusammenziehungen und Erweiterungen erkennen kann.

Mit Hilfe der verbesserten Röhren ist es in der That gelungen, verschiedene krankhafte Veränderungen im Innern des menschlichen Körpers zu ermitteln. So wurden Stellen, an welchen Arterien verkalkt waren, genau festgestellt. In anderen Fällen war es möglich, bösartige Geschwülste, die durch die bisherigen Methoden nicht ermittelt werden konnten, sichtbar zu machen; so z. B. eine bösartige Magengeschwulst, die sich bereits in den Brustraum fortgepflanzt hat. – Wir sehen also, daß die epochemachende Roentgensche Entdeckung in der That berufen ist, der Menschheit die größtem Dienste zu erweisen. Seit ihrem Bekanntwerden sind erst wenige Monate verflossen und schon sind die kühnsten Hoffnungen, die man anfangs schüchtern an sie knüpfte, verwirklicht! *      

Ferien auf dem Lande. (Zu dem Bilde S. 589.) Wer je schöne Ferienwochen im bayrischen Gebirge verlebt hat, der kennt die Scenerie dieses Bildes: das wohlhäbige und geräumige Bauernhaus mit weißen Wänden und grünen Läden, dessen oberer Stock für „die Herrschaften“ hergerichtet ist und sehr bescheidenen Ansprüchen an Schlaf- und Wohnbequemlichkeit genügt, dann aber die übrigen Herrlichkeiten, deren Zauber die frugale Unterkunft mehr als aufwiegt: den schattigen Grasgarten, als unschätzbaren Spielplatz der Stadtkinder, dahinter den blauduftig ansteigenden Bergwald mit seinen Alpenrosen und Erdbeerschlägen, das Bad im nahen See, die ganze glückliche Ungebundenheit des auf das Land verlegten eigenen Haushalts, der seine Gäste am gemütlichen Kaffeetisch bewirten kann und den Kindern ein anderes Heimgefühl gewährt als die Unterkunft in einem eleganten Riesenhotel. Glücklich, wer, wie die beiden jungen Frauen hier, sorglose Wochen in dem grünen Schatten am Tegernsee oder Berchtesgaden verleben darf! Es ist dem Maler des hübschen Bildchens geglückt, die besondere Stimmung solcher herrlichen Augustnachmittage voll Blumenduft und Sonnenglanz festzuhalten und eine Ahnung davon auf den Beschauer zu übertragen, der sich wohl gerne ebenfalls eine solche Sommerfrische wünschen mag! Bn.     


manicula Hierzu Kunstbeilage X: „Herzblättchen.“ Von Th. Grust.


Inhalt: Der laufende Berg. Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer (11. Fortsetzung). S. 58l. – Der neue Lukas Cranach in Leipzig. Bildnis. S. 581. – Die Parade der Rheinflotte im Hafen von Ruhrort vor der Kaiserin Auguste Viktoria und dem Prinzen Heinrich (7. August 1896). Bild. S. 584 und 585. – Fritz Reuters Briefe an seine Braut. Nach den Originalen im Nachlaß der Witwe. Erläutert von Johannes Proelß. S. 587. – Ferien auf dem Lande. Bild. S. 589. – Jocko. Humoristische Erzählung von Joachim v. Dürow. S. 592. – Pfui! Haas! Bild. S. 593. – Blätter und Blüten: Der neue Lukas Cranach im Leipziger Museum. S. 595. (Zu dem Bildnis S. 581). – Niederrheinische Feste. S. 595. (Zu dem Bilde S. 584 und 585.) – Pfui! Haas! Von Karl Brandt. S. 596. (Zu dem Bilde S. 593.) – Neues von den Roentgenstrahlen. S. 596. – Ferien auf dem Lande. S. 596. (Zu dem Bilde S. 589.)




In dem unterzeichneten Verlag ist soeben erschienen und durch die meisten Buchhandlungen zu beziehen:

Auf der Sonnenseite.
Geschichten von Ernst Lenbach.
Inhalt: Stropp der Hund. – Mäuschen. – Der erste Patient. – Des Glückes eingedenk. –
Maien. – Nur ein Baum. – Die Chronik des Klausners.

Illustriert von C. Reichert, A. Mandlick, O. Bluhm, R. Reinicke, P. Rieth,
G. Buchner, B. Hohlfeld.

Mit farbigem Umschlag von Fritz Reiß.

Preis geheftet 2 Mark.

Den vielen Verehrern des beliebten Erzählers bieten wir hiermit die in der „Gartenlaube“ und dem „Gartenlaube-Kalender“ verstreut erschienenen heiteren Geschichten in einem Bande gesammelt dar, der sich infolge seiner reizenden Ausstattung besonders auch zu Geschenkzwecken für Freunde frischen, fröhlichen Humors eignen dürfte.

Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.

Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner in Stuttgart. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig.
Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 596. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0596.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)