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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 32. 1896.


Luise Fuhrmann, die jüngst verstorbene Oberin des Viktoria-Pflegehauses im Friedrichshain, Berlin, ist nicht minder berechtigt als manche bekannte Namen, unter die besten Pioniere der Frauenarbeitsbewegung gezählt zu werden, denn ihrem aufopfernden und unermüdlichen Streben entsprang die Pflegeorganisation des weltbekannten großen Krankenhauses und die Schule, welche jährlich eine Anzahl vortrefflich gebildeter Pflegeschwestern in den öffentlichen und Privatdienst entsendet. Luise Fuhrmann selbst hatte sich ihre Kenntnisse vormals mühsam erwerben müssen; sie war Erzieherin in England, aber zugleich eine so hervorragend begabte und tüchtige Persönlichkeit, daß die damalige Kronprinzessin Viktoria sie veranlaßte, sich dem Pflegeamt zu widmen, um dann, in den besten englischen Spitälern gründlich vorgebildet, 1882 die Leitung des damals noch kleinen und wenig vermögenden Viktoriahauses zu übernehmen. Bald zeigte es sich, daß zur Erreichung größerer Resultate der Anschluß an ein großes Krankenhaus nötig sei, und deshalb ergriff die Vorsteherin mit Freuden die sich darbietende Gelegenheit, mit ihren Schwestern die Pflege in dem großen städtischen Krankenhaus im Friedrichshain zu übernehmen, wo man vorher mit den ewig wechselnden, unzuverlässigen Privatpflegerinnen schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Nun begann unter der Leitung der hochbegabten Oberin mit dem sicheren Blick und der unverwüstlichen Arbeitskraft eine neue Aera des Wohlbefindens für die Kranken, der vortrefflichsten Organisation für das Ganze. Staunend sahen im Anfang die vorhandenen, gegen die kleine Schar der Eindringlinge feindseligen Wärterinnen, wie diese im voraus verspotteten „feinen Damen“ arbeiten konnten, wie es überall hell und behaglich wurde, wie die Oberin das Größte und das Kleinste in unermüdlicher Pflichttreue und warmer Menschenliebe besorgte. Solchem ungewöhnlichen Streben fehlte denn auch der Erfolg nicht: längst ist das Spital im Friedrichshain als Musteranstalt bekannt, seine Pflegeschule wird von allen Seiten in Anspruch genommen und sieht ihr Arbeitsfeld sich stets erweitern, kann aber trotz der Zahl von 200 Schwestern den von Städten und Privaten ergehenden Forderungen häufig nicht genügen. Das körperliche und geistige Wohl der Schwestern lag der Oberin stets nahe am Herzen, sie sorgte dafür in mütterlicher Treue und hat noch die Genugthuung erlebt, daß der Verein eine Altersversorgung für seine Invaliden gründete. Der am 31. Mai d. J. erfolgte Tod dieser seltenen, für ihre Pflicht begeisterten, hochbefähigten Frau, im Alter von erst 52 Jahren, bedeutet für die Anstalt einen schweren Verlust, aber keine Veränderung der Richtung. Nach wie vor können Schülerinnen sich bei der provisorischen Vertreterin, Oberschwester Fräulein Lina Quinke, Berlin NO., Landsberger Allee 19, melden, und im Interesse der leidenden Menschheit sowohl als der vielen nach einem Beruf sich sehnenden Mädchen ist zu wünschen, daß dies recht zahlreich geschehe. Bn.     

Luise Fuhrmann.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph J. C. Schaarwächter in Berlin.

Die Verfasserin von „Onkel Toms Hütte“ †. Am 2. Juli d. J. starb zu Hartford in Connecticut Frau Harriet Beecher-Stowe, die weltberühmte Verfasserin von „Onkel Toms Hütte“. Es gibt nur wenige Bücher, die eine so große Verbreitung erlangt haben wie diese gegen die Härten der Sklaverei gerichtete Erzählung. In den Jahren 1851 und 1852, als die Sklaverei in Nordamerika noch zu Recht bestand, erschienen in der Zeitschrift „National Era“ einige Skizzen aus der Feder von Beecher-Stowe, in welchen das traurige Los der Sklaven ergreifend geschildert und die Sklaverei als unmenschlich gegeißelt wurde. Sie erregten Aufsehen, so daß die Verfasserin die Skizzen erweiterte und im Jahre 1852 ein zweibändiges Buch „Uncle Tom’s cabin“ in Boston herausgab. Das Buch wirkte durch den edlen menschenfreundlichen Ton; in drei Jahren wurden von ihm in Amerika allein 313000 Exemplare abgesetzt; es fand auch den Weg ins Ausland und wurde in etwa zwanzig Sprachen, darunter auch ins Arabische, Chinesische und Japanische, übersetzt. Anhänger der Sklaverei warfen Beecher-Stowe vor, daß sie die Zustände übertrieben und das Elend der Sklaven zu grell geschildert habe. Daraufhin veröffentlichte sie im Jahre 1853 einen „Schlüssel zu Onkel Toms Hütte“, in dem sie nachwies, daß ihre Erzählungen bis auf die kleinsten Einzelheiten sich auf wirkliche Ereignisse stützten. Heute, da die Sklaverei in Amerika längst aufgehoben ist, hat das Buch, das die Befreiung der Sklaven so wesentlich gefördert hat, nur noch geschichtliches Interesse. Wohl aber wirkt es noch weiter im pädagogischen Sinne. Schon im Jahre 1853 hat die Verfasserin selbst „Onkel Toms Hütte“ für Kinder bearbeitet, und Jahrzehnte hindurch ist dieses Büchlein eine der beliebtesten Jugendschriften in der Neuen und der Alten Welt geblieben. Auch später war Beecher-Stowe in reger Weise litterarisch thätig, und besonderes Aufsehen erregten ihre Arbeiten über Lord Byron. – Harriet Elisabeth Beecher wurde am 14. Juni 1812 zu Litchfield in Connecticut geboren als Tochter des Pastors Lyman Beecher und Schwester des berühmten Predigers Henry Ward Beecher. Sie wirkte zunächst als Lehrerin und heiratete 1836 Professor Calvin E. Stowe. In den letzten Jahren lebte sie zurückgezogen bald in Hartford, bald in Florida, wo sie eine Orangenpflanzung besaß.

Harriet Beecher-Stowe.

Neue Reisebücher. Die Reiselust erfaßt in unserer Zeit immer weitere Kreise und dementsprechend blüht auf dem günstigsten Boden die Litteratur der „Reiseführer“. Wer würde auch heutzutage ohne ein Büchlein reisen, das in knapper Form ihm die wichtigste Auskunft über Land und Leute, Reiseverbindungen, Unterkunft und Verpflegung gewährt! Die Reiseführer schießen darum allsommerlich wie Pilze nach einem warmen Regen aus der Erde hervor. Jedes Städtchen, das sich einer nur etwas anziehenden Umgebung rühmt, hat seinen „Führer durch die Umgegend“. Von den „Neuigkeiten“ des Buchhandels auf diesem Gebiete möchten wir nur einige hervorheben, die ein allgemeineres Interesse verdienen. Vor allem sind da die neuen, auf das sorgfältigste durchgesehenen, verbesserten und erweiterten Auflagen der altbewährten Reisehandbücher von K. Bädeker (Leipzig) hervorzuheben. In der siebenundzwanzigsten Auflage liegt uns „Südbayern, Tirol und Salzburg“ vor; „Nordost-Deutschland“, die Gebiete von der Elbe und der Westgrenze Sachsens an umfassend, hat in diesem Jahre die fünfundzwanzigste Auflage erlebt; während von „Bädekers Berlin und Umgebung“ die neunte Auflage nötig wurde. Von der Anziehungskraft, die Italien immerfort auf deutsche Reisende ausübt, zeugt die Thatsache, daß von „Bädekers Mittelitalien und Rom“ die elfte Ausgabe veranstaltet werden konnte. Bädekers Kartenmaterial erweist sich auch in diesen Auflagen vorzüglich und den neuesten Veränderungen im Verkehrswesen auf das genaueste angepaßt. – Auch von „Meyers Reisebüchern“, die sich des besonderen Vorzugs großer Handlichkeit erfreuen, sind mehrere in neuen Auflagen erschienen: „Dresden und die Sächsische Schweiz“ in vierter, „Schwarzwald“ in siebenter, „Riesengebirge“ in zehnter und „Thüringen“ in dreizehnter Auflage. Der letztere Führer hat durch die Route „Der Kyffhäuser“ eine sehr zeitgemäße Bereicherung erfahren. Bildet doch das neue Kaiserdenkmal auf dem sagenumwobenen Berge das Reiseziel zahlloser Touristen! Eine Lücke in der Litteratur der Reisebücher füllt der handliche Band des ersten der neuen „Unionführer: Württemberg und Hohenzollern“ in zweckmäßigster Weise aus. Derselbe ist von der Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart herausgegeben und bringt außer den üblichen Plänen und Karten noch eine große Fülle von Illustrationen, welche die schönsten Gegenden und denkwürdigsten Bauten Württembergs veranschaulichen. – Der Schar der Reisenden, die sich nach Tirol wendet, wird ein neues Bändchen von „Bruckmanns illustrierten Reiseführern“ (München, A. Bruckmanns Verlag) „Tirol. Süd-Westlicher Teil“ sehr willkommen sein. Dasselbe ist mit einer großen Touristenkarte und einigen Illustrationen ausgestattet. Neu sind auch die „Rundreisen in der Schweiz“ erschienen, ebenfalls illustriert und übersichtlich angeordnet, mit einem Verzeichnis empfohlener Bäder, Hotels u. s. w., in denen der Reisende Preisangaben und manchen nützlichen Fingerzeig findet. – Noch weiter südwärts geleitet uns der „Illustrierte Führer durch Dalmatien“ (A. Hartlebens Verlag, Wien). Derselbe bringt 67 Abbildungen und 6 Karten und ist in dritter, gänzlich umgearbeiteter Auflage erschienen. Das beweist uns wohl, daß Reisen nach dem schönen Dalmatien, nach Korfu und den Ionischen Inseln in den letzten Jahren wesentlich an Beliebtheit gewonnen haben. – Schließlich möchten wir noch auf ein neues Buch, „Illustrierter Oceanführer“ von Heinrich Lemcke (Gustav Weigel, Leipzig), hinweisen. Der Verfasser teilt in demselben allerlei Wissenswertes über den Ocean-Reiseverkehr mit und berücksichtigt auch besonders die Orient-, Nordland- und Westindienfahrten. Das Buch eignet sich zur Belehrung und Unterhaltung für Reisende und Touristen. *     

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 548a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0548_a.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)