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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

und starrte verdrießlich durch die von rotem Weinlaub umgitterten Scheiben hinaus.

„Das Geld brauchen Se! Nix sechzig … aber fufzigtausend Mark. Und denken Se dabei nix an den armen Wald da droben. Für den kriegen Se, wie heut’ die Sachen stehn, keine vierzig, keine dreißig, keine zwanzig mehr!“

„Daß ich net lach’!“

„Ich hab’ gedacht, daß Se mich wollen reden lassen? … Wer den Wald heut’ kaufen soll, der schaut sich nur zur Hälft’ den Wald, zur anderen Hälft’ den meschuggenen Berg an. Was heut’ noch steht … wer sagt ihm, daß es auch morgen noch stehen wird? Vor dem Winter, eh’ nix der Boden gefroren is, kann er nix anfangen zu schlagen … und bis zum Frühjahr kann er das ganze Holz nix herunterbringen ins Thal. Und da liegt nu das geschlagene Holz auf dem laufenden Boden … und wo steht’s geschrieben und protokolliert, daß im Frühjahr, wenn, Gott behüt, de großen Wasser kommen, der laufende Boden nix einschluckt die schönen Stämm’ und die fertigen Klaftern?“

Purtscheller drehte sich vom Fenster und warf die Jacke von der Brust zurück, als wäre ihm heiß geworden. „Jetzt hab’ ich’s aber g’nug … das unsinnige G’red’ da! Gelt? Möchtest mir den Wald gern abdrucken um ein’ Pappenstiel! Aber da brennen S’ Ihnen, mein verehrter Herr Jud! Ich brauch’ kein’ Holzhandler nimmer … so ein’ Rauberskerl! Jetzt treib’ ich den Wald selber ab … jetzt grad’ mit Fleiß … bloß daß ich beweisen kann, wieviel einer aus dem Wald noch ’rausbringt!“

Stolpernde Schritte kamen über die Treppe herauf, und in die Stube trat ein alter Knecht, atemlos, das Gesicht mit Schweiß bedeckt. „Herr Purtscheller …“

„Um Gott’swillen, was is denn? Wo kommst denn her?“

„Im Wald bin ich droben g’wesen … D’ Frau hat mich ’nauf g’schickt, ein bißl nachschauen … und schlecht schaut’s aus … schlecht, Herr! Ein Paar Tagwerk Holz sind ins Laufen ’kommen … und ich schätz’ auf tausend Klaftern, was der Boden im Nachrutschen zu’deckt hat.“

Fahle Blässe rann über Purtschellers Gesicht. So stand er ein paar Sekunden schweigend und ratlos. Dann schoß ihm das Blut wieder in die Stirne, und mit aufbrausendem Zorn, als wäre der Bote an dem Unglück schuld, fuhr er auf den Knecht los und schrie ihn an: „Du Depp, Du gottverlorener! Wie kannst mir denn jetzt g’rad ins Haus fallen … mit so einer Nachricht!“

„Aber Herr …“

„’Naus, sag’ ich! Mein’ Fried’ will ich haben!“ Und als der Knecht erschrocken über die Schwelle zurückwich, packte Purtscheller die Thüre und warf sie ins Schloß. „Alles kommt über mich! Alles! Alles!“ Da war ihm nun plötzlich das Weinen näher als das Schelten. Zitternd an allen Gliedern ging er zu einem Lehnstuhl und ließ sich in die Polster fallen.

Rufel hatte sich erhoben; er war blaß und schien nicht zu wissen, was er sagen sollte. Zögernd schlich er gegen den Lehnstuhl und räusperte sich.

Purtscheller blickte auf. „Du? So? Du bist noch allweil da?“

„E harter Schlag, mein lieber Herr Purtscheller, der Sie da hat getroffen. Aber er soll nix ändern an dem, was ich Ihnen hab’ sagen wollen! Und nu erlauben Se gefälligst, daß ich Ihnen meinen Rat …“

„Ich brauch’ kein’ Rat! Von gar kei’m Menschen net!“

Purtscheller sprang auf. „Und wenn alles über mich kommt, der Berg und der Schloßbräu und die ganze knoflige Judenschaft … der Purtscheller macht ein’ Ruck, und grad’ steht er da, daß ihm keiner net ankann!“

Rufel verlor seine Ruhe nicht. „Ja, Herr Purtscheller, machen Se den Ruck! Und lassen Se den Knofel in Ruh’ … Knofel is en unschuldig Gewächs … hören Se lieber an, was ich Ihnen sagen will.“ Geduldig ging er Trittlein um Trittlein hinter Purtscheller her, der in kochendem Zorn durch die Stube wanderte. „Ich verschaff’ Ihnen die fufzigtausend zu ehrlichen Zinsen, damit Sie löschen können die Hypothek. Und was Se sonst noch schuldig sind, soll bezahlt werden. Aber den armen Wald da droben wollen wir lassen in Ruh’. Was an Holz schon liegt, machen wir im Winter zu Geld und tragen ein schönes Bröckl ab von der Hypothek. Was aber droben stehen bleibt, wollen wir lassen stehen. So schneiden Se nix ins Fleisch Ihr Kind und Ihre Kindeskinder … die brauchen auch noch e bißl e Holz. Und nu passen Se emal auf … aber bitt’ ich, schreien Se nix gleich wieder e so! De Leut’, von denen ich will beschaffen das Geld, verlangen e bißl e Sicherheit, daß der Hof, so lang’ se drauf liegen haben ihre Hypothek, nix wird entwertet, und daß de Zinsen werden in der Ordnung bezahlt … nix e so, wie die letzten Jahr’ her, wo der Herr Schloßbräu gehabt hat ein’ Verdruß um den andern … verzeihen Se gefälligst!“

„No ja! Ein bißl Stockung kann doch überall eintreten!“

„E Stockung kann eintreten! Da haben Se recht! Aber so e Stockung kann auch werden vermieden! Und nu weiß ich, Se sennen e feiner und e vornehmer Mann, Herr Purtscheller!“ Rufel lächelte zufrieden, als er die Wirkung dieses Komplimentes gewahrte. „Und so e feiner Mann kann sich nix abgeben mit der groben Bauernarbeit … und soll lassen arbeiten die andern!“

„’s erste g’scheite Wörtl, das ich hör’!“ sagte Purtscheller besänftigt.

„Nu also! Und da können Se doch nix einwenden, wenn ich sag’: ich will en tüchtigen, verläßlichen Menschen besorgen, dem Se de Wirtschaft vertrauensvoll übergeben können!“

„Was! Soll ich mich gleich gar unter Kuratel stellen lassen!“

„Hab’ ich e Wörtl gesagt von Kuratel? Wir machen bei en Notar en stillen Vertrag unter uns, und ich hab’ das Vertrauen zu Ihnen, daß Se den halten … Se sennen e feiner, e vornehmer Mann!“

„Ja, Rufel! Mein Wort is Eisen! Da giebt’s nix. Und ganz offen sag’ ich Dir: an so was hab’ ich selber schon ’denkt. Weißt, den Simmerauer-Mathes hätt’ ich gern g’habt!“

„Den Mathes?“ Rufel kam in sprudelnden Eifer. „Herr Purtscheller! Da haben Se gehabt de feinste Idee, was man kann haben! Der Mathes is e Mensch wie Gold. Den halten Se fest! Lassen Se den Mathes nimmer aus! Der Mathes, sag’ ich Ihnen … wenn er gebracht hat de Wirtschaft e bisselche in Ordnung … der bringt heraus aus dem schönen Hof unsere fufzehntausend Mark e Jahr’!“

„Mehr, sag’ ich!“

„Sagen wir fufzehn! Is eh schon genug! Und nu denken Se emal de schöne Rechnung: mit siebentausend Mark bezahlen wir de Zinsen und amortisieren alle Jahr e Bröckelche vom Kapital. Da sennen Se fertig in zehn, zwölf Jahr! Und wenn Se emal hinaufkommen in Ihren christlichen Himmel, können Se sagen zu Ihrem guten Vater … ‚Vaterleben,‘ können Se sagen, ‚ich hab’ hinterlassen meinem Sohn en schuldenfreien Hof, wie ich ihn hab’ übernommen von Dir!‘ Das können Se sagen! Und dabei haben Se gehabt das schönste Leben! Achttausend Mark e Jahr!“

Die Rührung, von welcher Purtscheller angeflogen schien, war beim Klang dieser Ziffer jählings verschwunden. „Ja Mensch! Was fallt Dir denn ein? Wie soll denn ich mit achttausend Mark auskommen?“

„Mit achttausend Mark werden Se haben e Leben wie e Fürst! Und wollen Se nu gar leben wie e Kenich … so geben Se das Geld in die Hand Ihrer guten, braven Frau! Die wird verköstigen alle Leut’ im Hof, wird Ihnen gönnen jedes Vergnügen und wird noch ersparen dabei!“

„So ein Siemandl sollt’ ich abgeben? Ah na, mein Lieber!“

„Herr Purtscheller! Sie sennen nicht nur e feiner und e vornehmer Mann … Sie sennen auch e gescheiter Mann!“ Rufel haschte Purtschellers Hand und streichelte sie. „Und nu beweisen Se das emal … daß de Leut’ vor Staunen sollen Augen machen wie Wagenräder e so groß! Zeigen Se emal: ‚e so e Mann bin ich!‘ Machen Se den Ruck, den Se mir haben versprochen als e Mann von Wort! Mit achttausend Mark können Se leben wie e Kenich, hab’ ich gesagt. Und wie e Kaiser können Se leben, wenn Se wollen e bißl abstoßen von sich de unnötigen Geldfresser! Wozu brauchen Se zum Exempel e Jagd? Was rennen Se da umenander auf die steilen Berg’, wo man sich kann brechen Hals und Füß’? Bleiben Se doch lieber daheim bei Ihrer guten Frau, die Se lieb hat und Ihnen machen wird e schöns Leben. Und wozu wollen Se erschießen die unschuldigen Tier’? Lassen Se de armen Viecher doch ihr bißl Leben! Schießen Se lieber auf de geduldige Scheiben! Scheibenschießen is e Vergnügen, was sich paßt für so en feinen und en vornehmen Mann!“

Purtscheller lachte.

„Nu ja, lachen Se! Lachen im Haus is e schöne, gesunde

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 535. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0535.jpg&oldid=- (Version vom 20.7.2023)