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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


miteinander! … Und weil ich in der Hitz’ heut gar so grob g’wesen bin und weil mir so schön verziehen hast … das muß ich Dir doch vergelten! Geh, Linerl, sag’ mir, mit was ich Dir eine Freud’ machen könnt’? Hast kein’ Wunsch?“

Sie schüttelte stumm den Kopf.

„Aber geh, so red’ doch! Machst mir selber eine Freud’ damit!“

Da sah sie ernst zu ihm auf.

„No also? Was soll ich Dir geben?“

„Dein’ Erlaubnis, daß ich in der Wirtschaft d’Arbeit überschau’ und zugreif, wo’s nötig is!“ Sie vermochte kaum zu sprechen.

„No ja, meinetwegen … wenn ich net daheim bin!“

„Und wenn’s was z’reden giebt, ich bitt’ Dich, Toni, so hör’ mich an in Geduld und Ruh’! Schau, Dein’ Frau is ja doch Dein bester Freund … und ich rat’ Dir doch g’wiß in nix zum Schlechten!“

„Ja, ja, ja, das weiß ich schon! … Aber jetzt mußt mir noch was anders sagen! Was Dir Freud’ macht! Magst ein seidnes Kleid? Oder ein Armband mit Hirschgranln? Meine schönsten gieb ich her dazu! Oder magst ein altdeutsch Kupferg’schirr in Dein Kucherl?“ So zählte Purtscheller noch eine lange Reihe von Dingen auf, die ihm für eine Frau begehrenswert erschienen.

Aber Karlin’ schüttelte zu allem still den Kopf, so daß er schließlich fast unwillig wurde.

„Linerl! Wenn mir jetzt net auf der Stell’ was sagst, mit was ich Dir eine Freud’ machen kann … meiner Seel’, so bin ich Dir bös!“

Da nahm sie seine Hand.

„Toni?“ Matte Röte glitt über ihre Wangen.

„No also, was?“

„Darf ich mir alles wünschen?“

„Alles!“

„Und nimmst mir ein offenes Wörtl net übel?“

„Auf Ehr’ und Seligkeit … alles kannst sagen!“

„So thu mir den G’fallen … net mir … na, Toni, Dir selber thu den G’fallen und schick die Zäzil fort von unserm Hof!“

„Aber geh! Wie kommst mir denn jetzt mit so was!“ Geärgert sprang er auf und rief über die Schulter zurück: „Traust mir vielleicht net?“

„Ja, Toni, ich trau’ Dir blind!“ sagte Karlin’ ruhig und erhob sich. „Wie könnt’ ich Deine Frau sein und glauben, daß Du net einmal Respekt hättst vorm eigenen Haus! Aber schau, Toni, wenn Du so Deine Spassetteln mit die Dienstboten machst … und gar nix denkst dabei … aber schau, da merkst halt oft net auf, was Dir über d’Lippen kommt. Aber d’Leut haben Ohren . . und sie reden schon drüber!“ Es zuckte um ihre Lippen. „Dir ins G’sicht sagt’s freilich keiner … aber mir tragt man’s zu in aller Freundschaft … und das ung’schickte Madl, statt daß sie sich wehren that dagegen, hat noch ihr Freud’ an dem G’red’ … und lacht, so oft s’ an mir vorbeigeht.“

Als Karlin’ dieses Letzte sagte, unterbrach Purtscheller seine Wanderung durch die Stube und sah seiner Frau ins Gesicht. In einem Gefühl des Unbehagens bewegte er die Schultern unter dem Sammetflaus und brummte verdrossen: „No also, meinetwegen … damit ich ein’ Fried’ hab’ … morgen sag’ ich der Zäzil auf! Soll sich um ein’ anderen Platz umschauen! … Und Du geh schlafen! Gut’ Nacht! … Schon wieder halb eins vorbei! In keiner Nacht kommt man zu seiner Ruh’!“ Er ging auf das Ledersofa zu und warf sich nieder, daß das Möbel in allen Fugen krachte.

Mit zitternden Lippen stand Karlin’ am Tisch, regungslos, den von Thränen verschleierten Blick auf ihren Mann geheftet, als müßte sie noch ein freundliches Wort von ihm zu hören bekommen. Aber sie wartete vergebens.

„Gut’ Nacht, Toni!“ lagte sie leis und ging zur Thür. Auf der Schwelle wandte sie das Gesicht. „Geh, ich bitt’ Dich, bleib’ nimmer gar z’lang! Den ganzen Tag am Berg droben … es muß Dich ja müd’ g’macht haben!“

„In Ruh’ laß mich!“ murrte er und drehte das Gesicht gegen die Wand. „Ich geh’ schlafen, wenn’s mir paßt!“

Karlin’ verließ die Stube.

Eine Weile lag Purtscheller, ohne sich zu regen. Dann stieß er mit dem Ellbogen das Polster zurück.

„So verdirbt s’ mir aber jedesmal den besten Hamur! Um den Finger hätt’ s’ mich wickeln können, wie ich heim’kommen bin! Und jetzt …“

Er seufzte, streckte sich bequemer und blickte verdrossen zur Stubendecke auf. Aber die unmutigen Gedanken, die ihn erfüllten, schienen nicht lange anzuhalten. Er begann zu lächeln. Denn im Geiste malte er sich das Bild des nächsten Trabrennens aus: ein milder, schöner Tag im Vorfrühling; die Rennbahn trocken und gut; rings um die Barrieren Tausende von Menschen, Kopf an Kopf gedrängt; sie schreien „Hoch!“ und „Bravo!“ und all ihre Blicke folgen dem Ersten, der keck und flott auf dem leicht dahinfliegenden Gig schaukelt und den mit Schaum bedeckten Braunen sicher durch das Ziel führt, während der Schloßbräu mit seinem amerikanischen Halbblut weit hinter ihm zurückbleibt …

Bei diesen wohligen Gedanken überkam den Purtscheller, ohne daß er es merkte, ein gesunder Schlaf. Er schnarchte mit offenem Munde.

Gleichmäßig zählte die Wanduhr mit ihrem Ticktackschlag die fliehenden Sekunden, und in der Hängelampe begann der Docht zu rußen.

(Fortsetzung folgt.)




Die Perle der Antillen.

Von Gustav Diercks.


Der Befreiungskampf, welchen die eingeborene Bevölkerung Cubas mit zäher Kraft und wachsendem Erfolg gegen die Vorherrschaft der Spanier auf der Insel führt, hat neuerdings durch die Stellungnahme der Vereinigten Staaten von Nordamerika an allgemeinem politischen Interesse gewonnen. Das Verhältnis der letzteren zu Spanien ist infolge dieses Eingreifens ein gespanntes geworden, und mit Teilnahme verfolgt man in Europa die Entwicklung des Konfliktes, der sich auf das Schicksal einer Insel bezieht, die als Spenderin des besten Tabaks der Welt ohnehin in Europa besonderer Beachtung sich erfreut. Ein Charakterbild derselben dürfte daher gerade jetzt vielen Lesern willkommen sein.

Als der Entdecker der Neuen Welt, Columbus, auf seiner ersten Reise im Oktober 1492 zu der großen Antilleninsel Cuba gelangte, die er für eine Halbinsel Ostasiens hielt, soll er geäußert haben, daß er dieses Land für das schönste halte, das die Sonne bescheine, das menschliche Augen je erblickt haben, daß Cubanacan, wie die Eingeborenen es nannten, das irdische Paradies sei.

Dieses Urteil ist wohl etwas überschwenglich, und hätte Columbus mehr von der Neuen Welt gesehen, die er entdeckte, wäre es ihm vergönnt gewesen, andere Teile der Erde kennenzulernen, die uns heute leicht zugänglich sind, so hätte er vielleicht seine Meinung geändert; immerhin ist es nicht zweifelhaft, daß Cuba zu den schönsten Ländern der Erde gehört und in manchen Teilen wirklich paradiesisch ist. Gerade diese letzteren aber sind schwer zu erreichen, befinden sich in den Gebirgsgegenden, von denen selbst jetzt noch große Strecken völlig unerforscht, von europäischen Reisenden nie betreten sind. Dieser letztere Umstand mag bei der scheinbaren Kleinheit Cubas überraschen, denn, da die Maßstäbe der Karten unserer Atlanten sehr ungleich sind, so sind wir Europäer über die Größenverhältnisse der fernen Außenwelt häufig in völlig irrigen Vorstellungen befangen, die erst durch genauen Vergleich und durch Heranziehung statistischer Daten beseitigt werden können. Die scheinbar so kleine schmale eidechsenförmige Antilleninsel Cuba, von der wir uns nur schwer vorstellen können, daß sie in irgend einem Teile noch nicht völlig bekannt sei, erstreckt sich in Wahrheit über elf Längengrade, mißt vom Kap Antonio bis zum Kap Maifi an 1200 km Länge, hat zusammen mit der Nebeninsel de Pinos ein Areal von beinahe 119000 qkm und ist somit so groß wie ganz Süddeutschland oder wie ein Viertel des spanischen Mutterlandes. Nun ist das Eiland im Vergleich zu seiner außerordentlichen Länge zwar sehr schmal, denn seine Breite beträgt an einigen zu Landengen eingeschnürten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 455. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0455.jpg&oldid=- (Version vom 14.7.2023)