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Die Gartenlaube.

Beilage zu No. 26. 1896.


Jules Simon †. In dem hohen Alter von 82 Jahren ist am 8. Juni in Paris einer der hervorragendsten Staatsmänner Frankreichs gestorben – Jules Simon, der durch den humanen Geist seines sozialpolitischen Wirkens sich auch in Deutschland viele Sympathien erwarb, die auch zum Ausdruck gelangten, als er Frankreich auf der im Jahre 1890 vom Kaiser Wilhelm II. einberufenen Arbeiterschutzkonferenz in Berlin vertrat. Er war am 31. Dezember 1814 in Lorient geboren und hieß eigentlich Jules François Simon Suisse. Seine Eltern waren arm, und so mußte er von der frühesten Jugend an mit Not und Elend kämpfen, hungernd und frierend seine Studien vollenden; aber er arbeitete sich durch und gewann frühzeitig durch Einfluß seines Lehrers Cousin die philosophische Professur an der Sorbonne. Als Napoleon am 2. Dezember 1851 seinen Staatsstreich in Scene setzte, verweigerte ihm Jules Simon den Huldigungseid und verlor infolgedessen seine Stelle. Ueber den daraus sich ergebenden Kämpfen ward er zum politischen Schriftsteller und als solcher einer der ersten, welche die soziale Frage in ihrer sittlichen Bedeutung erfaßten. 1869 wurde er in den Gesetzgebenden Körper gewählt. Als Redner ein glänzender Stilist, zeichnete er sich auch durch Klarheit und Sachlichkeit aus. Treu den liberalen Anschauungen, von wärmsten Sympathien für die Notlage der arbeitenden Klassen beseelt, war er einer der Führer der demokratischen Opposition im zweiten Kaiserreiche. Er gehörte auch zu denjenigen Franzosen, die sich im Jahre 1870 gegen den Krieg mit Deutschland erklärten. Nach dem Sturz des Kaiserreiches war er aber ein eifriges Mitglied der Regierung der nationalen Verteidigung. Unter Thiers war er Minister des öffentlichen Unterrichts und wurde am 16. Dezember 1875 zum lebenslänglichen Senator gewählt. Im Jahre 1876 wirkte er als Präsident eines neuen Kabinetts, in dem er auch das Ministerium des Innern übernahm; sah sich aber bald zum Rücktritt genötigt. Seine maßvolle Denk- und Empfindungsweise gab ihm im politischen Leben der dritten Republik eine ziemlich vereinsamte Stellung, aber die Achtung, die er genoß, war eine allgemeine.

Jules Simon †.

Abreise von Schutztruppen für Deutsch-Südwestafrika. Neuerdings ist wieder ein Verstärkungskommando für die deutsche Schutztruppe in Südwestafrika von Deutschland abgegangen, das aus 15 Offizieren, 2 Aerzten und 402 Soldaten, einschließlich Lazarettgehilfen, besteht. Am 31. Mai schiffte sich das Kommando am Bord des Afrikadampfers „Adolf Woermann“ in Hamburg ein, um die vier Wochen dauernde Fahrt nach dem neuen Bestimmungsorte anzutreten. In den kurzen Stunden vor der Abreise entwickelte sich auf Deck noch ein fröhliches, ungezwungenes Treiben. Eine Anzahl höherer Offiziere, Herren und Damen aus den kolonialfreundlichen Kreisen Hamburgs, hatten sich eingefunden, um von den Männern Abschied zu nehmen, die als Freiwillige zum Schutz deutscher Interessen in die weite Welt hinauswollten. Dann löste „Adolf Woermann“ seine Vertäuungen und stromabwärts ging es unter den Klängen des Volksliedes: „Muß i denn, muß i denn zum Städtle hinaus.“ Eine zahlreiche Menschenmenge bot den Soldaten am Ufer einen lauten Abschiedsgruß.

Unsere Hauptabbildung führt uns eine Gruppe des Kommandos auf dem Dampfer vor Augen. Die Mannschaften tragen graue Uniform mit blauen Aufschlägen und Gardelitzen. Die Unteroffiziere haben silberne Chargeabzeichen, die Offiziere silberne Litzen. Die Soldaten trugen noch Mützen. Diese werden später gegen die weichen Tropenfilzhüte vertauscht, die an einer Seite aufgeklappt und mit der deutschen Kokarde versehen sind. Von den kleineren Abbildungen zeigt uns die eine einen Soldaten, die andere einen Offizier der Schutztruppe.

Für drei Jahre haben sich die Mannschaften des Kommandos verpflichtet, der deutschen Sache in Afrika zu dienen, deutsche Ansiedler vor den etwaigen Uebergriffen der unruhigen Eingeborenen, der Herero und Hottentotten, zu schützen.

Soldat. Offizier.
Einschiffung von Schutztruppen für Deutsch-Südwestafrika im Hafen von Hamburg.
Nach einer Photographie im Verlag von Otto Meißner in Hamburg.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 448a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0448_a.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)