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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Verlassen wir jedoch die Ufer der Elbe; noch weiter nordwärts müssen wir unsere Leser führen, denn am Gestade der Ostsee, in Kiel, hat sich gleichfalls die Ausstellungslust bethätigt.

Dort hat auch Schleswig-Holstein eine Provinzialausstellung veranstaltet, neben ihr ist aber an der Kieler Bucht und auf deren weitem ruhigen Spiegel der Plan für einen internationalen Wettbewerb eröffnet worden. Hier findet eine Fachausstellung statt, wie sie Deutschland noch nicht geschaut hat – die Internationale Ausstellung für Schifffahrt und Fischerei. Schon die Thatsache, daß sie überhaupt ins Leben gerufen werden konnte, ist in hohem Maße erfreulich; denn sie beweist, daß Deutschland auf dem Gebiete des Seewesens und des Schiffsbaues sich getrost mit anderen Völkern messen kann.

Kieler Ausstellung: Vordersteven von „Ersatz Leipzig“. Im Hintergrund die Marinehalle.

Schiff mit Rammsteven. 

In unmittelbarer Nähe der Stadt Kiel und des Kanaleinganges bei Holtenau liegt auf einem sanft abfallenden Gelände der weite Ausstellungsplatz, in breiter Ausdehnung von den Wellen der Ostsee bespült. Hier können in geschütztester Lage Fahrzeuge aller Art ankern und interessante Darstellungen auf dem Wasser selbst vorgeführt werden. In der That ist die Beteiligung an der Internationalen Schiffahrtsausstellung eine durchaus rege geworden. Die Kaiserliche Marine, welche im Verein mit der Deutschen Seewarte und einigen ständig für sie liefernden Firmen in einer eigenen, großen, über und über mit Flaggen und Wimpeln ausgeschlagenen Halle ausgestellt hat, bietet dem Beschauer einen lehrreichen Ueberblick über die Entwicklung des modernen Kriegsschiffswesens. Sämtliche ehemalige und gegenwärtige Schiffstypen sind in Modellen vertreten. Hochinteressant ist das Stück des Vorderstevens von dem z. Z. im Bau begriffenen Kreuzer „Ersatz Leipzig“. Es ist der unterste Teil des Vorderstevens, der im Kriegsfall als Rammsporn dient und, in einem Guß aus Bronze hergestellt, 12000 kg wiegt. Wandern wir weiter durch die Ausstellung, so fesseln uns neben der trefflichen Gruppe der „Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger“ allerlei Seezeichen. Darunter befindet sich auch eine gewaltige Leuchtboje. Sie enthält einen Brennvorrat von 60 cbm komprimierten Fettgases, der genügt, um die starke Flamme der Boje 250 Tage und Nächte brennend zu erhalten.

Nicht minder gelungen ist die Schleswig-Holsteinische Provinzial-Gewerbeausstellung. Meilenweit ins Land hinaus leuchtet die rote Riesenkuppel des Hauptgebäudes dieser Abteilung, das einen Raum von 5000 qm bedeckt. In erfreulicher Eintracht haben hier Land und Stadt die Erzeugnisse ihres Fleißes ausgestellt. Besonders sehenswürdig sind aber die Sonderausstellungen, die Abteilung für Frauenarbeiten, die Landeskunstausstellung und die historische Abteilung. Letztere führt uns in Bild und Wort, in Waffen und Trophäen fünfzig Jahre aus der Geschichte der Herzogtümer Schleswig-Holstein vor; fünfzig Jahre schwerer Kämpfe von 1815 bis 1865, „den Zeitgenossen zur Erinnerung, den jüngeren Geschlechtern zur Belehrung“. Da sehen wir die Verteidiger der verfassungsmäßigen Rechte der Herzogtümer: Dahlmann, den streitbaren Schriftführer der „Ritterschaft“, Uwe Jens Lornsen, den heldenmütigen Rufer im Streite, wir sehen die alte schleswig-holsteinische Armee in lebensgroßen Modellen jeder Waffengattung zu einer Feldwache gruppiert, da schauen wir alle wechselvollen Ereignisse bis zum siegreichen Kriege Preußens und Oesterreichs gegen Dänemark. Die Zeit der Kämpfe ist beendet; wiedervereinigt mit dem Mutterlande erfreut sich Schleswig-Holstein eines tiefen Friedens und, wie die Ausstellung es deutlich bezeugt, einer neuen Blüte. Möge der Segen der Arbeit weiter auf dem herrlichen meerumschlungenen Lande ruhen!

Kieler Ausstellung: Leuchtboje, links davon Spitztonne.
Im Hintergrund Ausstellungsgebäude und Hafen.

Das sind die wichtigsten deutschen Ausstellungen zu Lande und zu Wasser, die uns das Jahr 1896 gebracht hat. Aber auch jenseit unserer Grenzen hat man Ausstellungen ins Leben gerufen, die unser lebhaftes Interesse verdienen.

Ungarn feiert in diesem Jahre ein Erinnerungsfest, wie es nur selten den Völkern beschieden wird. Tausend Jahre sind verflossen, seit die Magyaren unter Arpads Führung an den Ufern der Donau erschienen und hier ihren Staat gründeten. Am 2. Mai wurde eine große Reihe von Festlichkeiten eröffnet, deren Mittelpunkt die Millenniumsausstellung in Budapest bildet. Ungarn hat kein Opfer gescheut, um diese Tausendjahrausstellung zu einer möglichst glänzenden zu gestalten, und in der That ist es den Schöpfern derselben gelungen, selbst weitgehende Erwartungen zu erfüllen; dafür betragen auch die Gesamtkosten der Ausstellung über zehn Millionen Gulden. In einem Riesenpark am Nordostende der Stadt sind auf dem Raume von etwa 530000 Quadratmetern gegen 200 Gebäude aufgeführt worden. Zwei Ziele verfolgt die Tausendjahrausstellung. Sie will zunächst zeigen, was Ungarn war, dem Besucher die zehn Jahrhunderte ungarischer Geschichte vorführen, dann aber ist sie bestrebt, ein genaues Bild der heutigen Kultur in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 440. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0440.jpg&oldid=- (Version vom 11.3.2024)