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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

„Mir ist die Stätte teuer,“ sprach Elsa leise. „Ich habe Lothar wie einen teuren Vater geliebt und betrauert; er war so gut und edel, er würde sicher keinen Vorwurf für unser Glück haben.“

„O nein, er nicht!“ sagte Reinhart dumpf und schwer. „Er hat Dich mir ja noch sterbend ans Herz gelegt.“

„That er das wirklich?“ In dem Auge der jungen Frau quoll eine heiße Thräne auf. „Ich fand ihn ja nicht mehr lebend und Du wolltest mir damals nichts sagen über seine letzten Augenblicke, Du hattest nur finsteres Schweigen auf all meine Fragen. Auch jetzt noch, Reinhart?“

Ehrwald sah nieder auf das schöne Antlitz, das so bittend, so ahnungslos zu ihm aufblickte, und tiefer und düsterer grub sich jene Falte in seine Stirn, aber er schwieg. Das, was nie ausgesprochen, nie zugestanden worden war und dennoch als furchtbare Gewißheit in seiner Seele stand, das blieb sein Geheimnis. Er trug es ja, allein er brauchte seine ganze eiserne Kraft, um es zu tragen. Elsa durfte nicht ahnen, um welchen Preis ihr Glück erkauft war, ihr hätte es das Leben und die Zukunft vergiftet.

„Erlaß mir das!“ sagte er endlich. „Ich kann nicht darüber sprechen, auch zu Dir nicht. Ich kann nicht, Elsa!“

Es lag eine mühsam verhaltene Qual in den Worten. Elsa wußte, wie sehr er den Freund geliebt hatte, und sie fragte und forschte nicht weiter, sie sah es ja, daß er litt durch ihre Fragen.

Der Mastenwald des Hafens und die Stadt mit ihren weißschimmernden Häusern und Türmen wichen weiter und weiter zurück. Bald war nur noch die Küste sichtbar, die auf den Meereswogen zu schwimmen schien mit ihren ragenden Palmen, aber der rosige Schein war zur dunklen Glut geworden.

Reinharts Blick hing unverwandt daran. So hatte sie ihn einst gegrüßt, die Ferne, der er mit stürmischer Sehnsucht zujubelte. Nun hatte er sie durchmessen und bezwungen, aber was er dort gefunden, war nur Kampf und Streit gewesen, nur heißes, mühevolles Ringen. Jenes Wunderland voll Glanz und Licht, das er zu erjagen träumte, das stand auch heute noch so fern am Horizont wie die leuchtende Küste dort, das stieg nimmer herab zur Wirklichkeit. Aber das Glück, das er in jenem Traumland gesucht, das stand jetzt wieder neben ihm, wie einst, wo er es noch nicht erkannte, und sah ihn an mit den großen leuchtenden Kinderaugen – aus dem Antlitz seines Weibes.

„Da entschwindet uns das Sonnenland!“ sagte die junge Frau leise.

„Aber nicht für immer,“ ergänzte Ehrwald. „Wir werden ja jetzt bald die Heimat grüßen, aber früher oder später mußt Du doch wieder mit mir hinaus in die weite Ferne. Wird Dich das Heimweh nicht verzehren, Elsa? Es lebt sich schwer unter fremdem Himmel, unter fremden Völkern. Du wirst viel vermissen und viel entbehren in jenen heißen Zonen.“

„Aber ich werde bei Dir sein – und wir lieben uns ja!“

Es waren dieselben Worte, die Elsa so freudig, so siegesgewiß der Warnung Zenaidens entgegengesetzt hatte, und sie bannten auch jetzt die düstere Wolke auf der Stirn ihres Gatten. Seine ganze leidenschaftliche Liebe flammte auf und mit ihr der alte feurige Lebensmut, der Mut, glücklich zu sein, trotz der düsteren Erinnerung und ihres Schattens.

„Ja, wir lieben uns!“ wiederholte er fest. „Und damit wollen wir es uns schaffen und erhalten, unser Glück.“

Der ganze östliche Himmel loderte jetzt in purpurner Pracht, die ferne Küste schien in rotem Feuerschein zu stehen. Wie auf flammendem Hintergrunde erhoben sich die Palmen, hinter denen es jetzt emporschoß wie feurige Lohe. In leuchtenden Morgengluten grüßte es noch einmal die Scheidenden und versank dann in den blauen Wogen – das Wunderreich der Fata Morgana.


Dunkle Gebiete der Menschheitsgeschichte.

Von Dr. P. Schellhas.
Die Ruinen von Zimbabye.

Südafrika ist heute das bevorzugte Land, das die Kulturwelt mit einem Goldregen überschüttet. Dem deutschen Reisenden Karl Mauch wird der Ruhm zugeschrieben, die ersten Goldfunde in jenen Gebieten im Jahre 1867 gemacht zu haben. Sicher war er der Entdecker der südafrikanischen Goldfelder für unsere Zeit, aber er selbst hat darauf hingewiesen, daß schon einmal in altersgrauer Vorzeit ein anderes, unbekanntes Kulturvolk jene Länder aufsuchte, um Gold zu gewinnen. Zeugen davon sind Ruinen steinerner Bauten, die in schwer zugänglichen Gebieten noch heute zu schauen sind.

Afrikas Boden ist nicht arm an derartigen Denkmälern der Vergangenheit. An den Ufern des Nils blühte ja eine der ältesten Kulturen der Menschheit auf. Um Jahrtausende reicht ihre Geschichte zurück. Aber die äußersten Vorposten jener alten Kultur reichen nicht weit nach Süden. Jenseit des Aequators fand man lange Zeit hindurch keine Spur von steinernen Bauten, deren Alter ehrwürdig in geschichtlichem Sinne des Wortes wäre. Central- und Südafrika wiesen nur wilde oder wenig entwickelte Völker auf, die leichte, rasch vergängliche Hütten bauten.

Um so größer mußte die Ueberraschung der Forschungsreisenden sein, als sie im Südosten Afrikas, auf einem begrenzten Gebiet, ganz vereinzelt bedeutende Baudenkmäler fanden, die nicht von Naturvölkern herrühren können, Denkmäler, an die keinerlei Ueberlieferung sich knüpft, und deren Ursprung daher unter diesen Umständen völlig rätselhaft ist.

Die ersten Schilderungen dieser Bauwerke stammen aus dem Ende des 16. Jahrhunderts, aus portugiesischen Quellen.

Der Dominikanermönch Juan dos Santos reiste im Jahre 1586 nach Mozambique und Sofala an der Ostküste des südlichen Afrika und besuchte von dort aus elf Jahre lang als Missionar die verschiedenen portugiesischen Niederlassungen in diesen Gegenden. So erfuhr er auch durch arabische Händler von einem tief im Inlande gelegenen Orte Zimbabye, oder nach portugiesischer Schreibung Simbaöe, wo sich nach den Schilderungen seiner Gewährsmänner Ruinen großer Bauwerke befinden sollten, die verlassen waren, und deren Ursprung den umwohnenden Eingebornen unbekannt war. Dos Santos beschrieb diese Ruinen in seinem „Oestlichen Aethiopien“ (1609) mit folgenden Worten: „Auf dem Berge Afura in der goldreichen Gegend sieht man Ruinen von Gebäuden, welche von Stein und Kalk waren, eine Sache, die man sonst keineswegs in dem Lande der Kaffern bemerkt, wo sogar die Häuser der Könige nur von Holz und Erde sind und mit Stroh gedeckt werden. Eine alte Tradition in diesem Lande berichtet, daß diese Ruinen Ueberbleibsel der Vorratshäuser der Königin von Saba sind, und daß diese Fürstin aus diesem Gebirge all ihr Gold bekommen habe. Andere glauben, daß Salomo diese Magazine habe bauen lassen, und daß er von hier dasjenige Gold von Ophir bekommen habe, womit seine Flotte beladen war … Es ist gewiß, daß in dieser Gegend sehr vieles und feines Gold vorkommt …“ Aehnlich lautet der Bericht des Portugiesen de Barros, dessen Schilderung nicht minder interessant ist: „In der Mitte der Ebene, im Reiche Batua, bei den ältesten Goldminen steht eine Feste, vierseitig, von innen und von außen aus harten Werksteinen vortrefflich erbaut … Ueber der Pforte des Gebäudes steht eine Inschrift, welche weder maurische Handelsleute (d. h. Araber), die dort waren, noch andere Schriftkundige lesen konnten; auch weiß man nicht, mit welchen Charakteren sie geschrieben ist … Wann diese Gebäude und von wem sie erbaut sind, davon ist bei den Eingebornen, die keine Schrift haben, auch keine Nachricht. Sie sagen nur, daß sie ein Werk des Teufels seien, da Menschen es nicht zustande bringen könnten.“ De Barros meinte in diesen Ruinen das alte Agysymba des Ptolemäus gefunden zu haben.

Der erste Europäer, der in unsrer Zeit es unternahm, diese merkwürdige Stätte wieder aufzufinden, war der Missionar Merensky, der infolge von Gerüchten über das Vorhandensein von Ruinen im Binnenlande, die von den Eingebornen als heilig verehrt würden, im Jahre 1861 dorthin zu gelangen suchte. Sein Versuch schlug indessen fehl; allerlei Hindernisse zwangen ihn, umzukehren.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 404. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0404.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)