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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Anton von Werner.

Von Ludwig Pietsch. Mit einem Selbstporträt A. v. Werners und Abbildungen von C. Stoeving.
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Der Treppenflur im Hause A. von Werners.

Die Tage dieses Winters, welche der Erinnerung an die vor 25 Jahren geschehenen, für die Geschicke Deutschlands entscheidenden großen geschichtlichen Ereignisse gewidmet waren, sind auch wichtige Gedenktage im Dasein eines deutschen Künstlers gewesen, der eben jenen Ereignissen den hohen Flug und Glanz seiner Lebensbahn und das Aufsteigen zu der künstlerischen Stellung dankt, die wir ihn heute einnehmen sehen. Anton von Werner, der Direktor der Akademischen Hochschule der bildenden Künste zu Berlin, hat alle Ursache gehabt, das Jubiläum der Belagerung von Paris und des 18. Januars 1871 nicht nur wie jeder andere sein Vaterland liebende Deutsche, sondern noch ganz besonders als Person und Künstler zu feiern. Haben sie ihm doch die großen Gegenstände gegeben, durch deren malerische Behandlung er vor allem seinen Ruhm in der Heimat und im Auslande erwarb, und wurden sie doch die Veranlassung dazu, daß er in jene nahen menschlichen Beziehungen zu den deutschen Herrschern, den glorreichen Führern der deutschen Heere und den Leitern der deutschen Politik trat; Beziehungen, durch die ihm die Wege zu der rasch von ihm erreichten Höhe geöffnet und geebnet worden sind.

An der Wiege ist ihm die Zukunft, die ihn von 1871 ab in Berlin erwartete, jedenfalls nicht gesungen worden. Sein Vater, der einem alten adligen Geschlecht entstammte, das sich schon im Dreißigjährigen Kriege militärisch ausgezeichnet hat, war ein Handwerker in sehr bedrängter Lebenslage. In dessen Hause zu Frankfurt a. d. O. wurde dieser Sohn im Jahre 1843 geboren. Der körperlich zarte und schwächliche Knabe entwickelte sich geistig ungewöhnlich rasch. Seine sich früh schon bekundende Lust am Zeichnen ging mit der lebhaften Lernbegierde in allen Schulfächern Hand in Hand. Mit dreizehn Jahren war er in den Klassen bereits so weit vorgerückt, daß seine Eltern es als kein gar zu frühes Abbrechen seines Bildungsganges ansehen zu können glaubten, wenn sie ihn von der Schule nahmen. Da er nun doch einmal ein Maler werden wollte und sollte, gaben sie ihn zu einem Frankfurter Meister der Stubenmalerei in die Lehre. Die erste Lehrzeit mag dem Knaben mit der anscheinend so gebrechlichen zarten Gestalt hart genug angekommen sein. Besonders die Nötigung, mit den schweren Malleitern zu hantieren, hat ihm sicher viele Not und Plage bereitet. Und doch hat er später eigentlich nie mit Bedauern auf diese Lehrzeit zurückgeblickt, sondern im Gegenteil die Vorteile dankbar anerkannt, welche er dieser Art seines ersten Kunstunterrichtes und der dabei empfangenen technischen Schulung schuldet. Dazu gehören unter anderem die handwerkliche Rüstigkeit und die Geschicklichkeit in der Beherrschung großer Wandflächen wie das Verständnis für das Dekorative in der Malerei. Alles das erwirbt sich jedenfalls viel leichter und sicherer in der Jugend auf diesem Wege als auf dem der akademischen Bildung.

Talent und Ehrgeiz waren diesem Stubenmalerlehrling indes in zu reichem Maß gegeben, als daß er in der Thätigkeit auf solchem bescheidenen Kunstgebiet seine Befriedigung hätte finden können. Er setzte es mit zäher Energie durch, nach Berlin zu gehen und auf der Akademie das höhere künstlerische Studium zu beginnen.

Seine außerordentliche Leichtigkeit im Erfinden und Entwerfen aller Arten von Kompositionen ließ ihn hier unschwer seinen Lebensunterhalt durch Illustrationszeichnen und andere künstlerische Arbeiten finden. In den Zeichen- und Malklassen setzte er Lehrer und Genossen durch seine rapiden Fortschritte in Erstaunen. Seine glückliche Erfindungsgabe bewies er besonders auch in jenen Kompositionen, in welchen Ranken und Arabesken mit figürlichen Darstellungen zu einem phantastisch reizenden Ganzen verflochten sind.

In dieser künstlerischen Gattung galt um die Mitte des Jahrhunderts Adolf Schrödter, der damals, mit seinem Schwager C. F. Lessing, Düsseldorf mit Karlsruhe vertauscht hatte, als der erste Meister unter den Deutschen. Seine humoristischen Randzeichnungen, Frieskompositionen und Einzelblätter hatten auf A. von Werner eine starke Wirkung ausgeübt. Der junge Akademieschüler entwarf Zeichnungen verwandter Art in großer Zahl. Von dem dringenden Wunsch getrieben, zu dem von ihm so verehrten Meister in persönliche Beziehungen zu treten, sandte er diesem im Jahre 1861 eine Auswahl seiner Entwürfe und Studien zur Ansicht, mit der Bitte, ihn sein Urteil darüber wissen zu lassen. Mit der Antwort A. Schrödters, der in diesen Arbeiten das große Talent und bereits merkwürdig gereifte Können des jungen Malers erkannt hatte, war die Aufforderuug an ihn verbunden, seine Studien in Karlsruhe fortzusetzen, wo die großherzogliche Kunstschule die beste Gelegenheit dazu böte. A. von Werner folgte 1862 dieser Einladung, und bald hatte er, von Lessing und Schrödter freundlichst aufgenommen, in der badischen Hauptstadt Wurzel geschlagen. Sein Talent entwickelte sich hier mit überraschender Schnelligkeit. Er zeichnete treffliche Illustrationen zu deutschen Dichterwerken, uralte geschichtliche Genrebilder, große Historien und Schilderungen selbsterlebter Vorgänge, Bildnisse, ornamentale Kompositionen in buntem Wechsel.

Auf den Ausstellungen der sechziger Jahre lenkten immer wieder Werke aller dieser Gattungen die Aufmerksamkeit auf den so mannigfach begabten Künstler. Ich erinnere mich noch deutlich seines „Georg und Lerse im Dachfenster der Burg Jaxthausen“, seiner „Zechenden Landsknechte“ und seines „Götz von Berlichingen vor dem Rat von Heilbronn“. Eine der geistreichsten und fesselndsten unter seinen damaligen Schöpfungen war die Gruppe zweier verwegener Strolche aus dem 17. Jahrhundert, die in „vertraulicher Unterhaltung“ beisammen sitzen. Daran reihen sich noch die heitern und lebensvollen Darstellungen von Scenen aus der eigenen Werkstatt, wie das „Quartett im Maler-Atelier“ und der „Geburtstag im Atelier“. In denselben Jahren 1865 bis 1868 entstanden die großen geschichtlichen Bilder Werners „Luther und Cajetan“ in lebensgroßen Halbfiguren, „Konradin empfängt sein Todesurteil beim Schachspiel“ und die „Entführung Kaiser Heinrichs IV. als Knaben durch Erzbischof Hanno“. Ueberraschend in diesen Werken eines so jugendlichen Künstlers war nicht nur die dramatische Kraft der Komposition, sondern auch die Energie des Ausdrucks der Empfindungen wie die der Farbe und die

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0316.jpg&oldid=- (Version vom 22.10.2021)