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versuchten. Da kam eine neue, meterhohe Welle – die vierte! die überzeugt zu sein schien, daß der Unausstehlius noch nicht zufrieden sei, und schlug ihn sehr freundschaftlich auf die Schultern und über den Kopf. Der Direktor, empört über dies kurwidrige Verfahren, wußte nun nicht, ob er sich gegen Männe oder gegen die Wellen zuerst verteidigen sollte. Männe aber hatte beim Anblick des Elementes sein Heil in der Flucht gesucht und war dem Badekarren zugerannt.

Dort die gelbgeringelten Socken des Direktors erblicken und mit dem linken Exemplare davon rennen, war Eins für Männe! Ohne sich umzusehen, jagte er in wahren Hechtsätzen davon, nach dem sogenannten „neutralen Strand“ zu, wo ein großer Teil der Badegesellschaft sich in Strandkörben und auf Plaids beschaulich niedergelassen hatte.

Der Anblick des wohlbekannten Männe mit der wohlbekannten Siegestrophäe wirkte so erheiternd auf alle Anwesenden, daß ein Sturm von Gelächter ertönte, wie bei einer Clownvorstellung im Cirkus. Sogar der „eingehakte Pastor“ lachte bis zu Thränen mit, und der alte Herr, der in der eiligsten Toilette, seine vier Haare gen Himmel gesträubt, hinterher gerannt kam, um seinen Strumpf wieder zu holen, wurde mit ungeteilter Heiterkeit empfangen, was ihm nicht oft passierte.

Diese Heiterkeit sollte, wie es dem echten Gelächter zukommt, erlösend wirken. Der alte Herr hatte es so übelgenommen, daß nicht allein Männe seinen Strumpf eskamotiert hatte, sondern daß seine Mitmenschen so herzlos waren, sich darüber zu amüsieren, daß er auf dem Absatz Kehrt machte, in die Pension Paula lief, seine Rechnung verlangte und mit dem nächsten Dampfer die Insel verließ. Er war schmählich von Männe aus dem Felde geschlagen und nahm noch das niederdrückende Bewußtsein mit sich fort, daß ein liebenswürdiger Hund es viel leichter hat, sich eine Stellung im Leben zu erobern und zu behaupten, als ein unliebenswürdiger Mensch.

Männes Badeaufenthalt aber gipfelte von da an in großartigen Erfolgen. Er wurde durch allgemeine Abstimmung der Gesellschaft aus Dankbarkeit für seine That und ihre Folgen zum Ehrenmitglied der Pension Paula ernannt, brauchte nicht mehr im Schuppen zu schlafen, sondern wohnte im Hause wie andere Badegäste und durfte sich sogar manchmal den Max einladen. Und am ersten Tage, den man ohne den Unausstehlius in der Pension verlebte mit dem Gefühle eines Menschen, den der Alp nicht mehr drückt, wurde für Männe, den Befreier der Insel, eine allgemeine Ovation veranstaltet, die ihresgleichen suchte.

Die ganze Gesellschaft trat mit ihren Schlafstubenleuchtern in der Hand an und brachte Männe einen Fackelzug, den dieser erst mit königlichem Anstand entgegen nahm; dann aber legte er leider sehr bald unmanierliche Langeweile an den Tag und gähnte wie ein Abgrund. Da die Feier jedoch mit Ueberreichung einer Knackwurst schloß, so war der Held des Abends hochbefriedigt, und noch heute sagen Landgerichtsrats, wenn sie von ihrem Inselaufenthalt erzählen: „Die gefeiertste Schönheit der Saison war aber doch Männe im Seebad!“



Blätter und Blüten.


Das Jubiläum der Steindruckerei. Im Jahre 1796 stellte Alois Senefelder, der Erfinder der Lithographie oder chemischen Steindruckerei, die ersten Abdrücke von hochgeätzten Steinen her. Damit trat die Steindruckkunst zum erstenmal in den Dienst der Menschheit, und wir begehen demnach im laufenden Jahre die Feier ihres hundertjährigen Bestehens. Diese Feier fand bereits im vorigen Jahre einen würdigen, wenn auch etwas verfrühten Ausdruck in der großangelegten Lithographischen Ausstellung zu Paris, die von allen Ländern beschickt war und neben den Anfängen der Steindruckerei auch bewundernswerte Leistungen der heutigen Lithographie zur Auschauung brachte.

Der Steindruck ist ebenso wie der Buchdruck eine deutsche Erfindung. Ueber ihre Geschichte sowie die wechselvollen Lebensschicksale des Erfinders berichtete schon der Artikel „Alois Senefelder und die Steindruckerei“ im Jahrgang 1892 der „Gartenlaube“. Wie viele andere Bahnbrecher, so hatte auch Senefelder mit kleinlicher Geldnot und anderen Widerwärtigkeiten zu kämpfen; sein Leben war ein beständiges, aufreibendes Ringen, das erst der Verwirklichung seiner genialen Gedanken und dann der aufgezwungenen Verteidigung seiner Erfinderrechte galt. Die Zahl seiner Erfindungen reicht über das Gebiet des Steindrucks hinaus, sie umfaßt noch einige Verfahren des Kattundruckes und des Mosaikdruckes, obwohl die Lithographie die größte seiner Schöpfungen ist, die ihm einen wohlverdienten Platz neben Gutenberg sichert.

Senefelder erfand die Lithographie in ihrem vollen Umfange; nur einige Verfahren, wie die Photolithographie, ferner den Bau vollkommener Hand- und Schnellpressen, fügte die neuere Technik hinzu. Seine erste Erfindung war das Hochätzverfahren auf Stein, mit welchem er 1796 die ersten Drucke erzeugte, hauptsächlich Noten- und Musikaliendrucke. Diese Erstlingsdrucke Senefelders gehören heute zu den Seltenheiten, sie sind fast nur noch in Privatsammlungen und Museen vorhanden. Eine Sammlung der ältesten Drucke besitzt das Museum zu München, bekanntlich diejenige Stadt, welche die Ehre hat, die Geburtsstätte der Senefelderschen Erfindung und damit auch die erste Pflegestätte der Steindruckkunst zu sein. Von München aus verbreitete sich die Lithographie nach Stuttgart, Leipzig, Offenbach und anderen deutschen Städten, sowie später auch in das Ausland.

Die Lithographie hat ihre größten Erfolge auf dem Gebiete der Vervielfältigung von Zeichnungen und farbigen Bildern erzielt, sie war Jahrzehnte hindurch die hervorragendste nachbildende Kunst und nimmt als solche noch heute eine herrschende Stellung unter den graphischen Künsten ein. Zu dieser Stellung konnte sie allerdings erst gelangen, nachdem Senefelder seine Erfindung über das zuerst erfundene Hochätzverfahren hinaus erweiterte und das eigentliche chemische Steindruckverfahren erfand, welches heute in den lithographischen Anstalten gepflegt wird. Dieses chemische Druckverfahren ist bedeutend einfacher als das alte Hochätzverfahren, es gestattet die Wiedergabe der zartesten Zeichnung und ist daher vorzüglich zur bildlichen Vervielfältigung geeignet. Die Erfindung desselben vollendete Senefelder im Jahre 1799, worauf die Lithographie begann, ihren tief einschneidenden Einfluß geltend zu machen und eine vollständige Umwälzung auf dem Gebiete der vervielfältigenden Kunst hervorzubringen.

Bis dahin hatte man nur den Holzschnitt und Kupferstich gekannt. Der Holzschnitt war von den Künstlern vernachlässigt und zum handwerksmäßigen Wert heruntergesunken, der Kupferstich war zu kostspielig, um als allgemeines Illustrationsverfahren zu dienen. Als daher Senefelder mit seiner Erfindung der Lithographie an die Oeffentlichkeit trat, füllte diese thatsächlich eine Lücke aus und fand ein reiches Gebiet lohnender Thätigkeit. Vom Notendruck ging Senefelder dazu über, Kupferstiche auf den Stein umzudrucken und dieselben in Tausenden von Abdrücken zu vervielfältigen. Diese Abdrücke wurden für wenige Pfennige in den Handel gebracht und dadurch dem Volke billige und doch künstlerische Bilder geboten. Hierauf ließ Senefelder durch Künstler Federzeichnungen lithographieren, die er vervielfältigte. Ferner erfand er die lithographische Kreidemanier, welche sich besonders auch zur Vervielfältigung von Porträts eignete. Dann führte er die Graviermanier ein, welche den Wettbewerb mit dem Kupferstiche gestattete. Endlich übte er den Tondruck aus, und auf diesen folgte der Vielfarbendruck, mit dessen Hilfe sich schon Senefelder anheischig machte, jedes Oelgemälde täuschend nachzuahmen.

Die Dienste, welche die Lithographie der Kunst, Wissenschaft und Industrie leistete, sind ganz unermeßlich. Sie brachte nicht nur einen vollständigen Umschwung auf dem Gebiete der nachbildenden Künste hervor, sondern sie war auch eine treue Gehilfin auf vielen anderen Gebieten des menschlichen Fortschrittes. Der Wissenschaft diente sie zur Herstellung belehrender Bildertafeln aller Art, ferner zur Vervielfältigung von Landkarten; der Industrie lieferte sie Drucksachen, Abziehbilder zur Verzierung der verschiedensten Gegenstände, und die neuere Blechindustrie benutzt den Steindruck selbst zur farbigen Verzierung von Blechschachteln und zur Herstellung von Blechplakaten. Die Vielfarben-Lithographie erzeugt jährlich Hunderttausende von Chromobildern, von der einfachen Gratulationskarte an bis zum kunstvollen Plakat-, Aquarell- und Oelbilddruck. Wenn man von Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks sagt, daß sie wesentlich zur Verbreitung der Wissenschaft und Litteratur beitrug, so kann man von Senefelders Erfindung der Lithographie sagen, daß sie ähnlich beitrug zur Vervolkstümlichung der zeichnenden und malenden Kunst. Die Lithographie kann daher mit Recht als eine der wichtigsten Erfindungen bezeichnet werden. E. G.     

Mit vereinter Kraft. (Zu dem Bilde S. 297.) Für Blumenschmuck schwärmen alle Schönen, und auch die slowakischen Mädchen machen keine Ausnahme. Man sieht sie in der Zeit, da Blumen blühen, selten ohne ein Sträußchen. Nicht nur in der Kirche und auf dem Tanzboden tragen sie es; blumengeschmückt pflegen sie sogar auf die Arbeit zu gehen. Ein slowakisches Mädchen ist es auch, für das sein Schatz die frische Wasserrose bricht. Die schöne Zuska hilft ihm dabei, sie hält ihn fest, damit die bösen Nixen den Blumenräuber in das nasse Element nicht hineinziehen. Um das Leben des schmucken Durko (Georg) brauchte sie zwar nicht zu fürchten, aber schade wäre es um den Sonntagsstaat, der heute auf dem Tanzboden glänzen soll. Zum Tanze in das nächste Dorf eilen ja die beiden Glücklichen, die bald vor dem Altar stehen werden. Mögen sie dann, wie sie jetzt vereint Blumen gepflückt, mit vereinter Kraft und frohem Sinn auch des Lebens Mühsal tragen! *     


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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0307.jpg&oldid=- (Version vom 17.2.2022)