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Blätter und Blüten.


Palmsonntag in den Abruzzen. (Zu dem Bilde S. 213.) „Sie nahmen Palmenzweige und gingen hinaus, ihm entgegen, und schrieen: Hosianna, gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ Das sind die Worte des Textes, der am Palmsonntag in allen christlichen Kirchen der Welt laut wird, und die katholische fügt ihm noch ihre „Palmen“ hinzu, Zweige der Sahl- oder Palmweide, der am frühesten blühenden in Deutschland, wirkliche Palmwedel der Phoenix dactylifera, der Dattelpalme, in Palästina, Griechenland, Spanien und Italien, gebleicht und äußerst kunstvoll geflochten, aber an Stelle dieser auch Zweige der silberblättrigen Olive.

Der italienische Palmsonntagsjubel kommt unserem Christbaumjubel nahe. In den Abruzzen ziehen die Burschen in der Morgenfrühe freudig hinaus nach den Oelgärten, schlagen die wohlbelaubten Aeste aus den Wipfeln der Oliven und schleppen sie wie in Prozession vor das Portal der Pfarrkirche. Andere haben schöne „Palmen“ schon tags vorher bereitet, haben die feinsten Spitzen ausgeschnitten und um ein unbelaubtes Aestchen gebunden und das Kunstwerk durch buntes Papier, gemachte Rosen, flatternde Bänder und Flittergold vollendet.

Die Glocken läuten. Der Gottesdienst beginnt, und vor dem Altar steht es wie ein grüner Wald, den der Wind hin- und herbewegt. Die Bewegung wird lebhafter, die Stimmen erheben sich bei der heiligen Handlung der Palmenweihe, bei welcher die Zweige mit acqua santa besprengt und mit Weihrauch beräuchert werden. Dann eilt alles auf den rauhen Gebirgswegen nach Hause. Die geweihten „Palmen“ werden über die Thür, an den Spiegel, an die Krippen in den Ställen gesteckt: jedes Zweiglein bringt nach dem Glauben der Leute Glück und schützt vor Feuer.

Wer das Bedürfnis fühlt, mit dem schmollenden Liebchen oder dem grollenden Freunde Frieden zu schließen, schickt oder überbringt ihm die „Palme“. Dazu geht im Abruzzenland das Dialektsprüchlein:

     „Ecche la parma se vo’ fa’ la pace,
     Non è chiù tiempo da facce la guerra.“

(„Willst Frieden du, nimm hier die Palme an,
Der Krieg ist zwischen uns nun abgethan.“)

Die Mädchen benutzen die Palmsonntagspalme als Orakel. Sie werfen die Blätter auf die glühenden Kohlen und sprechen:

„Geweihte Palme,
Einmal im Jahr nur bist du uns gegeben,
Sag mir, ob ich das nächste werd’ erleben!“

Günstiges Zeichen ist’s, wenn dann die Blätter knisternd aufspringen.Woldemar Kaden.     

Geborgen. (Zu dem Bilde S. 204 und 205.) Von den schönen Seen, in denen sich das bayrische Alpenland spiegelt, ist der Chiemsee der größte; wenn der Sturm seine Wogen aufwühlt, kann seine Flut toben wie das Meer, und die Inseln, die er umhegt, machen auf den Besucher in hohem Grade den Eindruck völliger Weltentrücktheit. Mit Herrenwörth ist das freilich anders geworden, seit König Ludwig II. das stolze Prunkschloß dort errichten ließ und alljährlich im Sommer Tausende von Touristen mit dem Dampfer hinüberfahren, um seine Prachtgemächer anzustaunen. Besser hat Frauenwörth mit seiner alten Klosterkirche, dem lindenbeschatteten Wirtshaus und den niedrigen Fischerhäusern jenen idyllischen Charakter bewahrt, der von Scheffel und Stieler in Liedern gepriesen und von den besten Landschaftsmalern Münchens in stimmungsvollen Bildern verewigt worden ist. Von all diesen Meistern hat aber keiner so wie Carl Raupp die Poesie dieser Inselidylle ins Herz geschlossen, hat keiner so wie er sich in diese Welt eingelebt und dem Chiemsee wie dem Fischervölkchen, das an seinen Ufern und auf seinen Fluten sich regt, eine gleiche Fülle künstlerischer Motive entnommen. Die „Gartenlaube“ hat schon manches schöne Bild dieser Art ihren Lesern vorgeführt; auch unser heutiges zeigt im Hintergrunde die Kirche von Frauenwörth, und das junge Weib, das rüstigen Arms seinen Kahn dem Ufer zulenkt, ist eine Tochter der Insel.

„Geborgen“ hat der Künstler das Bild genannt: geborgen vor dem am Himmel drohenden Wetter wird in wenigen Minuten die teure Last sein, welche auf dem Haufen frisch gemähten Grases ruht, das schlafumfangene Zwillingspaar, das die Bäuerin mitnehmen mußte, als sie auf die Feldarbeit zur Krautinsel hinüberfuhr. Die zwischen Herren- und Frauenwörth gelegene kleinere und unbewohnte Insel, die diesen Namen führt, gehört mit ihren Feldern, Gärten und Wiesen den Fischern und Handwerkern, die auf Frauenwörth wohnen, zu eigen. Da die Männer tagsüber an die eigene Berufsarbeit gebunden sind, fällt die Feldarbeit auf der Krautinsel den Frauen zu. Fehlen ältere Kinder zur Hut der kleineren, dann müssen die Mütter von solchen diese mit sich hinübernehmen. Die süßen Zwillinge im Kahne der Bäuerin ahnen nichts von der drohenden Gefahr. Der Mutter aber fällt ein Stein vom Herzen, als sie noch vor Ausbruch des Gewitters mit fester Hand ihr Schiff zum Landen gebracht hat. Noch ist es still in der Luft, der See glatt und ruhig, die Insel selbst wird eben noch vom letzten Sonnenblick bestrahlt. Bald jedoch werden die Wogen sich übereinander türmen, durch den rauschenden Regen werden zuckende Blitze fahren, während die zarten Kleinen in sicherer Hut weiterschlummern, von Mutterliebe – geborgen! P.     

Wirtschaftliche Frauenhochschulen. Vor einiger Zeit (vgl. Nr. 1 dieses Jahrgangs) brachte die „Gartenlaube“ einen Artikel, der die Aufmerksamkeit der Leser auf die von Fräulein Ida von Kortzfleisch geplanten wirtschaftlichen Frauenhochschulen lenkte. Seitdem haben sich die darin ausgesprochenen Gedanken viele neue Anhänger erworben. Es gilt nun vor allen Dingen, die zum Bau der Hochschule notwendigen Mittel aufzubringen. Freunde des gemeinnützigen Unternehmens haben eine eigenartige Sammlung ins Werk gesetzt und bitten alle deutschen Frauen um thätige Unterstützung. Wer ein Herz für die Sache hat, sollte erstens selbst eine Mark opfern, zweitens aber zehn Damen werben, die denselben Beitrag zahlen und zugleich in ihrem Bekanntenkreise ebenfalls 10 Mark aufbringen. Damit hat die Sammlung ihr Ende erreicht; eine weitere Fortsetzung etwa nach dem Muster der Schneeballkollekten wird nicht gewünscht. Ueber sämtliche Beiträge wird quittiert, und zwar erhält die erste Dame eine blaue Quittungskarte, ihre 10 Gehilfinnen bekommen rote Karten und die in der dritten Reihe stehenden Zahler (Damen und Herren) grüne. Jede, die sich verpflichten will, „blaue Dame“ zu werden, wende sich an Fräulein Josephine v. Teichmann, Berlin W. Ansbacherstr. 54, III. Sie bekommt dann 1 blaue, 10 rote und 100 grüne Karten zugesandt. Die roten und die grünen hat sie mit ihrem Namen zu unterzeichnen. Sobald sie eine „rote Dame“ geworben hat, übergiebt sie dieser 1 rote und 10 grüne Quittungskarten. Die „rote Dame“ händigt ihren Zahlern die grünen Quittungen gegen den Betrag von 1 Mark ein. Hat sie alle 10 Karten untergebracht, so sendet sie die gesammelten 10 Mark nebst der eigenen elften an ihre „blaue Dame“. Außerdem ist sie verpflichtet, Namen und Adressen ihrer Zahler beizufügen. Die Gesamtsumme, die dann also 111 Mark beträgt, sowie die Verzeichnisse aller Zahler werden von der „blauen Dame“ an die Centralstelle: Frl. von Teichmann übersandt. Sollte mancher die Verpflichtung der „blauen Dame“ zu groß erscheinen, so möge sie wenigstens „rote Dame“ werden und 10 Mark zusammenbringen. Wir wünschen der Veranstaltung innigst den besten Erfolg.

Vor dem Stadtthor. (Zu dem Bilde S. 217.) Frühlingswehen! Vereint mit dem jungen Grün, dem ersten Blütenduft und dem milden goldenen Sonnenschein, übt es einen unwiderstehlichen Zauber auf Menschenherzen aus. Besonders freudig begrüßt der Städter den Einzug des Lenzes. Es hält ihn nicht mehr in den dumpfen Mauern der Stadt. Hinaus muß er ins Freie, den Frühling in Feld und Au in voller Pracht zu schauen! Nicht nur in der Neuzeit ist dieser Drang vorhanden; er lenkte schon die Schritte unserer Vorfahren vor die Thore der Stadt. So sind auch aus der altertümlichen Stadt an der Seeküste die Patrizier, deren Tracht auf das siebzehnte Jahrhundert hindeutet, hinausgewandert vor die Festungsmauern, um draußen im Freien den Lenz zu genießen. Und sie wurden dabei von denselben Stimmungen bewegt wie wir Kinder des neunzehnten Jahrhunderts es bei ähnlichen Anlässen auch heute werden. Mögen sich die Trachten, Lebensgewohnheiten und Sitten ändern, im Fühlen und Empfinden, im Herzen und Gemüt ist der Mensch im Laufe der Zeiten sich gleich geblieben! Frühlingswehen draußen in der Natur weckte und weckt auch immer aufs neue frohen Frühling im Herzen!


KLEINER BRIEFKASTEN.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Anfrage. Ein vollständig gebundenes Exemplar vom „Siebenbürgischen deutschen Tageblatt“ und „Siebenbürgischen deutschen Wochenblatt“ ist zum Besten einer armen deutschen evangelischen Schule in Siebenbürgen zu verkaufen. Nähere Auskunft erteilt die Buchhandlung von W. Krafft in Hermannstadt oder die Buchhandlung von C. Herrmann in Schäßburg.

Amateurphotograph in B. Sie klagen uns, daß Sie mit Ihren Landschaftsaufnahmen nicht so glücklich sind wie andere, denn während bei den andern der Himmel durch Wolken belebt oder abschattiert werde, sei er auf Ihren Aufnahmen einförmig weiß und unschön. Sie sind nur ein Anfänger, aber dennoch auf richtiger Fährte, wenn Sie hinter dem schönen Himmel anderer Photographen einen Kunstgriff vermuten. Sie haben recht, oft wird der schöne Himmel „hineingeheimnist“, und dann wird aus der öden Photographie erst ein „Bild“! Einen abschattierten Himmel erhält man, wenn man die kopierte Landschaft mit schwarzem Papier zugedeckt unter eine reine Glasplatte legt und in zerstreutem Licht (nicht in direktem Sonnenlicht) einen breiten Pappdeckel oder eine umgebogene Blechtafel so darüber hin und her schiebt, daß die Luft auf dem Bilde allmählich anläuft und oben dunkler wird als an der Horizontlinie. – Und einen Wolkenhimmel? Den können Sie sich leicht beschaffen. Ziehen Sie mit Ihrer Camera hinaus ins Freie und machen Sie eine Reihe von Wolkenaufnahmen mit verschiedener Beleuchtung. Dann suchen Sie ein passendes Wolkennegativ heraus und kopieren dasselbe in Ihre Landschaft hinein. Wie das zu machen ist, das erfahren Sie aus dem Büchlein W. K. Burtons „ABC der modernen Photographie“ (Düsseldorf, Ed. Liesegangs Verlag), welches entschieden die zweckmäßigste Anleitung für den Anfänger bildet. Dort finden Sie viele der „Kunstgriffe“ und „Geheimnisse“ klar dargelegt und Sie werden durch dasselbe nach und nach in die „Kunst“ der Lichtzeichnung eingeweiht.


Inhalt: Fata Morgana. Roman von E. Werner (12. Fortsetzung). S. 201. – Im Frühling. Bild. S. 201. – Geborgen. Bild. S. 204 und 205. – Bremens jüngste Bildungsstätte. Von Dr. A. Beyer. S. 208. Mit Abbildungen S. 208, 209 und 210. – Ein Nationaltag für deutsche Kampfspiele! Von H. Raydt. S. 211. – Der Klageschrei. Eine türkische Geschichte von Rudolf Lindau. S. 212. – Palmsonntag in den Abruzzen. Bild. S. 213. – Nansens und Andrées Nordpolunternehmen. Von C. Falkenhorst. S. 215. Mit Bildern S. 216. – Vor dem Stadtthor. Bild. S. 217. – Im Banne des Lichts. Von M. Hagenau. S. 218. – Blätter und Blüten: Palmsonntag in den Abruzzen. Von Woldemar Kaden. S. 220. (Zu dem Bilde S. 213.) – Geborgen. S. 220. (Zu dem Bilde S. 204 und 205.) – Wirtschaftliche Frauenhochschulen. S. 220. – Vor dem Stadtthor. S. 220. (Zu dem Bilde S. 217.) – Kleiner Briefkasten. S. 220.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0220.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2023)