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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Bundesverhältnis, besonders von dem deutschen Reichsverbande, loslösten. So entstand der Rheinbund, dessen Akte von den diplomatischen Vertretern der beteiligten Fürsten und Herren im Juli 1806 in Paris unterzeichnet wurde, und zwar in der Wohnung Talleyrands und so eilig, daß viele nicht einmal von dem Wortlaute der Akte genaue Kenntnis hatten. Außer den Landesherren von Bayern und Württemberg traten auch viele kleinere reichsunmittelbare Adelige dem Bunde bei; diejenigen, die nicht beitraten, wurden ihrer reichsumnittelbaren Herrlichkeit entkleidet und in Unterthanen der Staaten verwandelt, von denen ihre Besitzungen umschlossen waren. Am 6. August 1806 erklärte der deutsche Kaiser Franz, er sei zur Ueberzeugung gekommen, die Pflichten seines kaiserlichen Amtes nicht mehr erfüllen zu können, und in dieser Ueberzeugung durch die Vereinigung mehrerer Stände zu einem besonderen Bunde bestärkt worden. Demnach sehe er das Band, das ihn selbst bisher an den deutschen Reichskörper gebunden habe, als gelöst an; er lege die deutsche Kaiserkrone nieder, entlaste alle Kurfürsten, Fürsten und Stände des ihm geleisteten Eides. Das war das Ende des alten Deutschen Reichs.

Inzwischen blieben die französischen Heere auf deutschem Boden und es fehlte nicht an empörenden Gewaltthaten, deren ihre Befehlshaber sich schuldig machten. Die Freie Reichsstadt Frankfurt war noch kurz vor der Begründung des Rheinbundes, und ehe der neue Fürstprimas in ihr seinen Wohnsitz nahm, wegen ihrer Handelsverbindungen mit England zu einem Strafgelde von vier Millionen Franken verurteilt worden. Die Hinrichtung Palms aber bewies, daß Napoleon seine Kabinetts- und Militärjustiz selbständig auch in den Landen des ihm befreundeten Bayernkönigs und gegen die Unterthanen desselben ausübte.

In der That, es war eine Zeit der tiefsten Erniedrigung Deutschlands und die für Palm so verhängnisvolle kleine Schrift, welche nur für Oesterreich Worte der Anerkennung hatte, Preußen aber, das erst kurz darauf zu den Waffen griff, und die neuen Könige mit den heftigsten Vorwürfen überhäufte, hatte ein Recht, die ganze Weltlage und die deutschen Zustände mit grellem Farbenauftrag zu malen. Von den Erpressungen und den Schandthaten, welche die französische Soldateska damals verübte, teilte sie empörende Beispiele mit; nicht genug danken können wir, wenn wir uns ihren Inhalt vergegenwärtigen, den deutschen Heeren und ihren Führern, welche die Barbarei einer drohenden Fremdherrschaft damals mit blutigen Opfern und glorreichen Siegen von der deutschen Erde abgewendet haben. †     


An der Küste von Amalfi.

Von Woldemar Kaden.0 Mit Illustrationen von P. Scoppetta.

Venedig, das im Mittelalter zweimal Konstantinopel eroberte, den ganzen Orient mit allen Schätzen des Morgenlandes beherrschte, dessen Fahne als die der mächtigsten Meereskönigin allüberall hochgeachtet war, was ist es heute? Ein „Traum von Stein“. Es lebt ein Scheinleben in verschämter Armut, mit etwas buntem Flitterkram herausgeputzt.

Pisa, die einst mächtige Nebenbuhlerin Genuas, ist auch eine tote Stadt, auf seinen Plätzen wächst Gras, in seinen Gassen herrscht Schweigen. Aber sein Name wird noch genannt, die Eisenbahn bindet es noch an das Leben der übrigen Welt.

Und Amalfi? Dies Städtchen an der südlichen Küste Italiens? Wie aus einer längst versunkenen Welt klingt sein Name zu uns herüber, und doch war Amalfi einst ebenso reich und vornehm, beides ebenfalls durch das Meer geworden, wie Pisa und Venedig, und hätte es auch mit Genua aufgenommen!

Das Sortieren der Citronen.

Heute ist die Stadt verarmt, eine gestürzte Große, und nur noch einige denkwürdige Bauten zeugen von ihrer einst so glorreichen Vergangenheit. Amalfi ist eine hochinteressante Ruine. Die meisten Besucher Neapels versäumen es auch nicht, der südlich an der Küste gelegenen Stadt einen pflichtschuldigen Besuch zu machen, vielleicht auch darum, weil der Weg zu ihr ein gar so schöner ist. Die Sache ist auch bequem genug: ein Eisenbahnbillet Neapel-Salerno, von Salerno aus mit Dreigespann die herrliche Küsten-Gebirgsstraße entlang über die einst maurischen Oertchen Cittara, Majori, Minori, Atrani in zwei bis drei Stunden nach Amalfi, oder mit Wagen von Castellamare aus über die sonnigen Hänge des Monte St. Angelo hinab nach Positano, über Prajano und Conca. Ist Amalfi noch so dürftig, ja lumpig, die Hotels bieten auch den vornehmsten Gästen alle Annehmlichkeiten der Hotels ersten Ranges. Der zahlreiche, im Winter und Frühling sehr zahlreiche Fremdenverkehr ist eine Hauptnahrungsquelle des Städtchens, das uns verschämt in wehmutsvollem Erinnern die Geschichte seiner Blüte und seines Verfalls erzählt.

Es war einmal …

Nach Amalfi mußte der berühmte Desiderius, Abt von Monte Cassino reisen, um für Kaiser Heinrich IV. Geschenke an kostbaren Stoffen und wertvollen Metallkunstwerken einzukaufen. Denn die Kaufmannschaft Amalfis hatte bis ins 11. Jahrhundert hinein auf dem Seewege nach dem Orient, nach den Häfen von Asien, Afrika, Aegypten, Syrien und Palästina einzig die Venetianer zu Konkurrenten. Damals dufteten die Straßen Amalfis nach allen Wohlgerüchen des „Glücklichen Arabiens“, und indisches Gewebe, persische Seidenstoffe und Purpurgewänder waren in allen seinen Niederlagen zu haben. Diese Stoffe deckten auch die Plätze, seidene Teppiche hingen von Dächern und Balkonen, in goldenen und silbernen Räucherpfannen brannten Zimmet und andere köstliche Spezereien, wenn irgend ein Großer zu Besuch kam. Schon durch das Seerecht der Stadt, Tabula Amalphitana, das auf dem ganzen Mittelmeer galt, ward ihr Name berühmt.

Das alles änderte sich mit dem Beginn des 16. Jahrhunderts; Handel und Wandel ging zurück wie die Einwohnerzahl, die von 50000 bis heute auf 7000 gesunken ist. Weltvergessen, eine arme gebeugte Alte, in dürftige Lumpen gehüllt, kauert die schöne Meeresbraut von einst auf ihrem schmalen Uferstreif in den Felsen drin. Ihre Kinder stehen im Staube der Landstraße, strecken bettelnd gegen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0188.jpg&oldid=- (Version vom 11.7.2023)