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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Am Grabe meines Weibes.

 „Du bist die Sonne meines Lebens
 Und lieben hast du mich gelehrt.“
 Sommer 1854.   Emil Rittershaus.


 „Ewig jung ist nur die Sonne,
 Sie allein ist ewig schön.“
  Conrad Ferdinand Meyer.


Ich steh’, mein Weib, an deiner Schlummerstatt. –
Auf Cykaswedel, grünes Palmenblatt,
Auf Winterastern, blüh’nde Erika,
Wie lieblich scheint die Morgensonne da! –

Und wieder kommt es mir in meinen Sinn
Wie du warst eine Sonnenschwärmerin,
Wie dir die Seele war beglückt, verklärt,
Wenn Gott uns nur den Sonnenschein beschert.

Wie oft du sprachst mit fröhlichem Gesicht,
Daß ewig jung nur sei das Sonnenlicht
Und ewig schön – wie du der Qualen Last,
Schien nur die Sonne, schnell vergessen hast!

Und sieh, zu Mut wird mir’s in dieser Stund’,
Als hauchte leis mich an dein süßer Mund,
Als säh’ mich an dein Aug’, so wunderbar,
Das selbst wie eine milde Sonne war!

Wo du warst, war der schönste Sonnenglanz,
Wo du warst, blühte auf der Blumenkranz –
Zu Mute wird mir’s, o, so seltsamlich,
Als wären noch getrennt nicht du und ich.

Und also ist’s: den heißgeliebten Mann
Ein edles treues Weib nicht lassen kann,
Und hebt ein Kind den Blick zu dir empor
Und ruft, so hört es seiner Mutter Ohr.

Nur was vergänglich, deckt der Hügel hier!
Du lebst in mir, ich lebe fort in dir;
Ich fühle deinen Odem mich umwehn,
Und weiß gewiß, daß wir uns wiedersehn!

So lang’ des Lebens Flamme in mir kreist,
Will leben ich, mein Weib, in deinem Geist,
Will wirken ich, mein Weib, in deinem Sinn,
Du, meine Sonne, Sonnenschwärmerin!

Wo sich die Kummerwolke drohend ballt,
Will bringen ich der Liebe Lenzgewalt –
Wo Trübsinn häuft die schweren Nebel dicht,
Will bringen ich des Frohsinns Sonnenlicht.

Im Sonnenglanz, der auf dem Hügel ruht,
Mein’ ich zu lesen: ja, so ist es gut! – –
So will ich wandeln denn nach deinem Sinn,
Du, meine Sonne, Sonnenschwärmerin!

 Emil Rittershaus.




„Vons.“

Erzählung von Hermine Villinger.

     (Schluß.)

Ueberkam Herrn Schneider der Aerger über diese Neuerungen, dann stellte er den Eduard heftig zur Rede, ob er vielleicht glaube, daß es vernünftig sei, wenn er all’ sein Geld für Staat ausgebe; das dürfe gerade er sich zuletzt erlauben, sondern er habe, weil er ihn vor allen andern vorgezogen, nun auch mit dem guten Beispiel voran zu gehen und nicht wie ein Geck daher zu kommen.

Eduard, der Herrn Schneider sehr wohl kannte, gab ihm gelassen zur Antwort, mehr als einen Sonntagsrock und einen Werktagskittel besitze er nicht, aber er habe freilich zu Hause gelernt, auf seine Sachen zu achten.

„Soll das vielleicht eine Anspielung sein?“ fuhr Herr Schneider auf, „Du bist ein impertinenter Mensch – ist er’s nicht, Gustl?“ wandte er sich an seine Tochter, die Wäsche flickend am Fenster der Eßstube saß und nun herzlich auflachte.

„Und wenn’s eine Anspielung wäre, wie recht hätte er, Vaterle, denn Du hast sechs Röcke, und sie sind ewig nicht im Stande.“

„Du hältst ihm immer die Stange,“ polterte der Vater.

„Ich zanke ihn auch, nicht wahr, Eduard? Ja, ich bin recht unzufrieden mit Dir,“ nickte sie dem jungen Mann zu, der ihr gegenüber Platz genommen hatte, „Du hast Deiner Mutter so viel zu verdanken und gehst nicht zu ihr und bittest sie, wieder gut mit Dir zu sein. Das kränkt mich alle Tage, Eduard, denn ich muß mir sagen, daß Du ein harter Mensch bist.“

Er nickte. „Das werd’ ich wohl sein, ich kann nichts dafür, aber ich sehne mich wirklich nicht in die alten Verhältnisse zurück; ich bin lange genug der Verachtete gewesen und würde es wieder sein, käme ich nach Hause. Also bleibe ich doch lieber weg.“

Gustl schüttelte den Kopf.

„Nur wenigstens Friede solltest Du mit Deiner Mutter machen, versuche es; siehst Du, es nagt an mir; ich muß so oft an Deine Mutter denken; wenn ich ihr Kind wäre, ich würde alles thun, um sie zufriedenzustellen: ich kann mir nicht helfen, ich hab’ einen so großen Respekt vor ihr, ich wollt’, ich könnt’ ihr etwas zulieb thun!“

Es entstand eine Pause. Eduards Augen ruhten groß und ernst auf Gustls rundem Kindergesicht mit dem kleinen Stumpfnäschen und dem krausen Haar. Immer, wenn er glaubte, im Recht zu sein, wenn er fest davon überzeugt war, gerecht zu handeln, brachte ihn diese Kleine mit ein paar Worten in Verwirrung.

„Ich glaube, das ist der Unterschied,“ sagte er mit einem Male, „bei Dir kommen alle Gedanken aus dem Herzen und bei mir aus dem Kopf.“

„Drum passen wir auch so gut zusammen,“ meinte sie unbefangen, aber schon im nächsten Augenblick erschrak sie über das Gesagte, und sie saßen beide dunkelrot, mit klopfendem Herzen einander gegenüber. Es klang etwas gepreßt, als Eduard, sich erhebend, bemerkte: „Ich will heute noch zu meiner Mutter gehen.“

Er war nicht eben freundlich aufgenommen worden; Frau von Feldern lebte gerade wieder in der Angst, ob Kunochen aus seiner Klasse versetzt werde oder abermals sitzen bleiben müsse. Dieser Umstand machte sie Eduard gegenüber befangen, und da er es nicht merken sollte, prahlte sie erst recht drauf los, und Eduard, der genau wußte, wie’s um den Bruder stand, mußte ihn, wie früher auch, als Wunderkind preisen hören. Das wurde ihm zu viel, und es fuhr ihm heraus: „Wenn er nur nicht vierzig wird, bis er aus der Schule kommt“ – Der Stachel saß.

„Du bleibst Dir doch immer gleich,“ sagte Frau von Feldern und forderte ihren Aeltesten nicht zum Wiederkommen auf.

Früher hätte er das alles haarklein der Gustl erzählt; sie hätte ihn ausgescholten wegen seiner Bemerkung und gewiß alle Tage gefragt: wann gehst Du wieder zu Deiner Mutter? – Jetzt war alles wie abgeschnitten; als hätten sie einander gegenseitig

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0092.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)