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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Deutsche Städtebilder.

Regensburg.
Von Max Haushofer. Mit Abbildungen von Richard Püttner.


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Die Walhalla.
Ruine der
Burg Stauf.


Die Donau! Ein rosiges Plaudermäulchen ruft’s in dem rastlos hinrollenden Wagen. Wir heben den Blick von dem Buche, das unsere Aufmerksamkeit bisher gefesselt hat, und sehen zur Rechten und zur Linken breite flimmernde Wasserflut, von der Morgensonne beglänzt. Nach Osten zu schweift der Blick an einem blauen Höhenzug entlang. Wo derselbe in schöner Linie zum Strome sich senkt, erhebt sich duftumflossen, wie aus einer klassischen Sage hierher versetzt, ein hochragender hellenischer Tempelbau mit schimmernden Säulen – die Walhalla. Gegen Westen zu aber zeigt sich ein Häusermeer mit altersgrauen Türmen, hoch überragt von den mächtigen Pyramiden der beiden Domtürme, die rötlich wie poliertes Kupfer im Morgenlicht strahlen. Und unter diesem Städtebild wälzt sich breit und glänzend die Donau thalab, während die Brücke, über welche unser Zug eben hinführt, stöhnt und dröhnt.

Das ist der erste Anblick von Regensburg. Und gleich nachdem wir ihn genossen, knirschen die Bremsen, die Wagen erzittern, und langsam, gebändigt, fährt unser Zug zwischen langen Wagenreihen in den Bahnhof ein.

Der erste Eindruck, den man empfängt, wenn man vom Bahnhofe der Stadt zuwandert, ist der einer anmutigen Provinzialstadt. In der That ist das Regensburg von heute nichts andres. Unter den acht Kreisen des Königreichs Bayern ist die „obere Pfalz“ der ärmste. Ein rauhes Ländchen, teils den südwestlichen Abhang des Böhmerwaldgebirgs, teils die von der Natur auch nur spärlich ausgestattete Pfälzische Platte, teils die steinigen Ausläufer des Juragebirgs umfassend, schaut es nur mit seiner Südspitze in das gesegnete getreideschwere Donauthal herein. Hier aber erwuchs in ihm ein geschichtliches Kleinod: die einst hochberühmte, prächtige und wehrhafte Reichsstadt Regensburg.

Schon die Landschaft von Regensburg hat durchaus große Züge. Die Donau, die hier mit weitem Bogen den nördlichsten Teil ihres Laufes erreicht, wälzt, durch wasserreiche Alpenströme gesättigt, schon eine gewaltige Flutmasse nach Osten. Breit ist ihr Thal, von Höhenzügen gesäumt. Während in ihrer Niederung fruchtbare und wohlhabende Gefilde sich ausbreiten, schweift der Blick hier gern nach dem Berglande, wo dunkler Wald und schimmernde Felshänge der Landschaft einen mächtigen Charakter aufprägen.

Durch neue Stadtteile, wo zwischen Gärten und Alleebäumen moderne Häuser stehen, kommen wir bald in das alte Regensburg, in dessen dunkle vom Edelrost vieler Jahrhunderte geschwärzte Mauern überall der Griffel der Geschichte geschrieben hat. Die Erinnerungen dieser Stadt reichen bis in die Römerzeiten hinauf: eine blühende Kolonialstadt scheint sie schon im Jahrhundert vor Christus gewesen zu sein. Die Stürme der Völkerwanderung überdauerte sie kraftvoller als die andern Römerstädte.

Nachdem die bayrischen Herzöge aus dem uralten Stamm der Agilolfinger durch fränkische Gewaltpolitik gestürzt waren,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 76. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0076.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)