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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

nichts, dann sind die Maschen der verkrauteten und verschlammten Netzflügel leer: hat’s aber geglückt, dann blitzt es und blinkert’s auch in ihnen schon von Sprotten und Heringen, daß die Fischer ihre liebe Not haben, sie unter dein Einziehen der Wate loszulösen.

Befindet sich nur ein Paar Boote an der Fangstelle, so beginnen die Insassen nach kurzer Pause, während welcher die gestörten Fische wieder zur Ruhe kommen, den nächsten Zug und so fort die Nacht hindurch; und da ist es denn vorgekommen, daß in der Travemünder Bucht, unweit des Seebades Niendorf, in einer Nacht und mit einer Wate 5000 Pfund Sprotten im Werte von 4000 Mark gefangen wurden; allerdings eine ganz seltene Ausnahme, die in der Kieler Föhrde so leicht nicht vorkommt. Denn dort werden die besten Fangplätze natürlich am stärksten belagert; und die erste Fischergruppe kann sich, nachdem sie sich aus „Etenbütt“ und Kaffeekanne gestärkt, zumeist in aller Ruhe, wenn auch keineswegs in aller Bequemlichkeit, in den Booten auf ein paar Stunden schlafen legen. Daß sie, wenn die Reihe wieder an ihnen ist, von den Kameraden geweckt werden, darauf können sie sich verlassen, weil solches jener ungeschriebene, nie verletzte Ehrenkodex der Föhrdefischer verlangt.

Auf der Rückfahrt von dem bei Sonnenaufgang geräumten Fangplatz sortieren die Fischer die gewonnene Ware, trennen, wenn, wie es meistens der Fall, beide Fischarten gleichzeitig gefangen wurden, die Sprotten von den Heringen, scheiden die mehr oder weniger zahlreich ins Netz gegangenen Dorsche für den Frischfischmarkt aus und sind somit bei der Ankunft am heimischen Strand für die sofort beginnende Auktion gerüstet. Denn ausnahmslos erfolgt der Verkauf der Sprotten und Heringe, mag es sich nun um schleswig-holsteinische, dänische oder schwedische Ware handeln, auf dem Wege der Versteigerung, die sich auf dem Kieler Großmarkte besonders lebhaft zu gestalten pflegt. Kommt der tägliche dänische Postdampfer morgens fünf Uhr in Kiel an, so stehen die mit dem Verkauf der Fische betrauten Kommissionäre bereits an der Landungsbrücke, um die in Kisten mit je fünf bis sechs Wall zu achtzig Stück verpackten, bereits am Abgangsort gesalzenen Heringe in Empfang zu nehmen. Die Entlöschung des Schiffes, das in der günstigsten Fangzeit oft Tausende solcher Kisten importiert, beginnt sofort; und schon um sieben Uhr jeden Morgen hebt die Versteigerung an. Die Preise sind ganz außergewöhnlichen Schwankungen unterworfen, so daß in der besten Fangzeit für das Wall Heringe heute vielleicht 25 bis 50 Pfennig und morgen schon eine bis anderthalb Mark gezahlt werden, Preise, die zur Zeit geringer Zufuhren bis zu sechs oder sieben Mark steigen.

„Kieler Bückeln!“

Unmittelbar nach der Versteigerung, die in gleicher Weise auch nach Ankunft des zweimal wöchentlich fälligen schwedischen Postdampfers vor sich geht, wird die Ware teils in die Kieler und Ellerbeker Räuchereien befördert, teils waggonweise nach Lübeck, Hamburg-Altona und Eckernförde versandt. An letzterem Ort, dessen ausgedehntes Räuchereigeschäft auch einen umfangreichen eigenen Fischfang bedingt, gestaltet sich die Auktion der über Nacht gefangenen Ware ganz besonders interessant. Denn dort stehen schon in der Frühe allmorgendlich die Räucherer und Exporteure am Quai des kleinen Hafens beisammen und harren der Ankunft der Fischer. Diese haben schon unterwegs ihre Ware auf den Bänken des Boots ausgebreitet; und nun beginnen die Käufer am Lande von weitem ihre Gebote zu den Fischern hinüberzurufen und erledigen das ganze Geschäft, ehe diese noch einen Fuß an Land gesetzt haben.

Ist in Ellerbek der Verkauf der über Nacht gefangenen Ware beendigt, so wandern die Sprotten und der größere Teil der Heringe direkt in die Räuchereien, welche zumeist selbständige Betriebe, teilweise aber auch Filialen größerer Kieler Geschäfte sind; der Rest der Heringe wird samt den gefangenen Dorschen in „grünem“, d. h. rohem Zustande von den Fischerfrauen, die das Ruder in ihrem etwas „seelenverkäuferischen“ Einbaum mit Geschick zu regieren wissen, nach Kiel gebracht, um daselbst am sogenannten Fischerleger, dem auf unserem Bilde S. 43 wiedergegebenen Frischfischmarkt der Marinestadt, an Hausfrauen und Mägde in kleinen Partien verkauft und in den Kieler Familien mariniert oder gebraten verspeist zu werden. Das Bild, mit dem großen Packhause im Hintergrund, zeigt uns ein paar echte Typen der an ihren Körben und Mulden feilschenden Weiber und läßt zur Linken, von der Rückseite gesehen, auch jene kleinen, aus etwa zwei Quadratmetern Grundfläche erbauten, in einer langen Reihe eng nebeneinander gerückten Ellerbeker Fischbuden erkennen, in denen die delikaten Produkte der Kieler und Ellerbeker Räuchereien - Sprotten und Bücklinge, Makrelen und Flundern, Aale und Aalquabben, den Passanten von teilweise recht wohlbeleibten Markthallendamen angepriesen werden. Natürlich alles „frisch aus dem Rauch!“ und, man kann fast sagen: frisch aus dem Wasser! Denn recht häufig haben die dort am Nachmittage verkauften Bücklinge noch in der Nacht zuvor als ahnungslose Heringe sich vergnügt in der Flut getummelt.

Die ganze Bearbeitung der Fische in den Räuchereien ist nämlich an sich recht einfach und nimmt verhältnismäßig kurze Zeit in Anspruch; zumal in den größeren Kieler Räuchereien, wo die große Zahl beschäftigter Leute, zumeist Frauen, eine praktische Arbeitsteilung ermöglicht und wo das Gros der verarbeiteten Ware aus dänischen oder schwedischen Heringen besteht, die bereits gesalzen in Kiel eintreffen. Bei den in der Kieler Föhrde gefangenen Sprotten und Heringen hingegen ist die Prozedur des Einsalzens zunächst noch vorzunehmen und währt durchschnittlich eine Stunde. Sodann werden die Fische in wassergefüllten Kübeln oder gemauerten Bassins durch Bearbeitung mit gewöhnlichen Reisbesen entschuppt, gewaschen und schließlich, wie überall, aufgespillt. Letzteres geschieht, wie auf unserem Bilde S. 44 ersichtlich, in Ellerbek noch vielfach unter freiem Himmel in der Weise, daß man die Heringe auf fingerdicken hölzernen, die Sprotten auf stricknadelstarken eisernen Stäben aneinander reiht, und zwar so, daß

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0045.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)