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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

fügen sollte, ward ihm des Greuels zu viel und er verweigerte seinen Arm. Zwei Priester traten an seine Stelle: Antonio Maffei aus Volterra und Stefano da Bagnona, der letztere ein Hauslehrer der Pazzi. Diese waren der Kirchenluft gewohnt und deshalb, wie die alten Schriftsteller sich ausdrücken „ohne Scheu vor dem Heiligen“, aber sie hatten keine Uebung im Waffenhandwerk und der Rollenwechsel kam den Verschworenen teuer zu stehen.

Schon hatte Lorenzo den Kardinal an seinen Platz im Chor der Kirche unter der Kappel Brunellescos geleitet und das Hochamt begann, als die Mörder sich nach Giuliano umsahen. Abermals scheint den Unglücklichen sein guter Genius gewarnt zu haben: er war auch von der Messe weggeblieben. Da machten Francesco de’ Pazzi und Bermardo Bandini sich nach dem Palaste Medici auf, um ihn zu holen. Unter freundschaftlich dringlichen Bitten und Neckereien nahmen sie ihn in ihre Mitte und unterhielten ihn eifrig den ganzen Weg. Francesco, die Rechte der Verwandtschaft benutzend, umschlang ihn mit den Armen, um zu untersuchen, ob er keinen Panzer unter dem Wams trage. Giuliano, der sich noch immer unpäßlich fühlte, war gänzlich unbewehrt, selbft den Dolch, den er sonst bei sich zu tragen pflegte, hatte er zu Hause gelassen, so fern lag ihm der Gedanke an Gefahr.

Beide Brüder standen getrennt in der menschenüberfüllten, musikdurchrauschten Kirche, in dem Gedränge konnten die Mörder sich dicht an ihrer Seite halten. Das Glöcklein klingelte, der Priester erhob den Kelch, die Medici mit allem Volke beugten sich tief, da fuhr Bermardo Bandinis Schwert Giuliano in die Brust. Der Getroffene machte noch einen Schritt und stürzte dann zu Boden, nun versetzte Francesco de’ Pazzi ihm Stoß auf Stoß mit solcher Wut, daß er sich selbst mit dem Dolche tief in den Schenkel traf.

Gleichzeitig wehrte sich Lorenzo gegen die beiden Priester, die dem Blutgeschäft nicht gewachsen waren. Antonio Maffei hatte ihn mit der einen Hand an der Schulter gefaßt, um mit der andern sicherer zu treffen, als Lorenzo blitzschnell auffahrend seinen Mantel abriß, den linken Arm mit ihm umwand und die Stöße parierte, während er mit der Rechten den Dolch schwang. So schlug er sich durch seine Angreifer durch und suchte am Altar vorbei durch den Chor die Neue Sakristei zu erreichen. Da sah ihn Bandini und mit dem Schwert, das noch von dem Blut Giulianos troff, wollte er sich auf Lorenzo stürzen, aber Francesco Nori, ein Freund der Medici, sprang dazwischen und empfing statt seiner den tödlichen Streich. Unterdessen wurde Lorenzo von seinen Freunden umringt und in die Sakristei gerissen. Der Dichter Angelo Poliziano schlug die feste bronzene Thür zu, die, von Piero de’ Medici einst gestiftet, jetzt dem Sohn das Leben rettete. Lorenzo blutete aus einer leichten Halswunde, die von einem der ihn umringenden Freunde, aus Furcht, daß sie vergiftet sei, ausgesogen wurde.

Ein ungeheurer Lärm füllte das Gotteshaus, man sah Bewaffnete dahin und dorthin rennen, aber nur die Zunächststehenden wußten, was geschehen war. Draußen glaubte man, Brunellescos Riesenkuppel wanke. Innen war alles Geschrei und Verwirrung, die Verschworenen flohen, Guglielmo de’ Pazzi versicherte laut jammernd, daß er unschuldig sei. Der Kardinal Riario klammerte sich leichenfahl am Altar fest und konnte nur mit Mühe von den Priestern nach der Alten Sakristei geflüchtet werden – er soll nach jenem Schreckenstag nie wieder die natürliche Gesichtsfarbe zurückerhalten haben.

Sobald aber die Blutthat bekannt wurde, griff die ganze Stadt zu den Waffen, die Freunde der Medici drangen geschlossen in die Kirche und holten Lorenzo aus der Sakristei nach seiner Wohnung. Erst dort erfuhr er seines Bruders Los; man hatte ihn in einem weiten Bogen an dem blutüberströmten Leichnam vorbeigeführt.


Karl Thiessens Brautfahrt.

Eine Heiratsgeschichte von Hans Arnold.

Die Herbstsonne schien warm und vergnügt in den kleinen, bunten Garten der Frau Verwalterin hinein uud schien auch warm und vergnügt auf die alte Frau selber herunter, wie sie in ihrem großen Sonnenhut mit der Rosenschere vorsichtig und behaglich zwischen den letzten blassen Monatsrosen hantierte.

Die Frau Verwalterin hatte zwei Passionen: die eine war ihr Garten – und die andere das Ehestiften! Mit der einen hatte sie viel Erfolg und Glück, denn so früh wie bei ihr und so spät wie bei ihr blühte und gedieh es nirgends in der ganzen kleinen Stadt. Sie hatte allemal die ersten jungen Schoten und die letzten Rosen aufzuweisen, ihr gefüllter Gartenmohn prangte in allen Farben des Regenbogens, und ihre rankenden Wicken waren ihr gerechter Stolz.

Mit der zweiten Passion hingegen wollte es nicht so besonders glücken! Die Menschen und namentlich die Männer zeigten sich bei weitem nicht so dankbar und gefügig wie die Pflanzen und Blumen, sie wollten sich manchmal durchans nicht anbinden lassen, auch wenn die Frau Verwalterin noch so fest davon überzeugt war, daß sie ohne Halt und Stütze nicht recht gedeihen würden. – Sie machten es lieber wie die ärgerlichen Kohlweißlinge, die in dem farbenreichen Gärtchen von einer bunten Blüte zur andern flogen, und wenn man ihnen mit dem Schmetterlingsnetze eben so recht hübsch vorsichtig nahe gekommen war – burrr – flogen sie über den Zaun, und weg waren sie. So was ist ja immer eine verdrießliche Geschichte, und die Frau Verwalterin schüttelte den Kopf bedeutend hinter den Flüchtlingen her.

Heute, an diesem sonnigen Septembertage, betrieb sie das Kopfschütteln während ihres friedlichen Gartenhandwerkes ganz besonders häufig und nachdrücklich. Sie hatte in der letzten Zeit eine bedenkliche Niederlage bei ihrer Ehestifterei erlitten, und sie fühlte das unbestimmte, aber mächtige Verlangen, diese Scharte auszuwetzen. Denn sie ahnte – freilich ahnte sie’s zum Glück nur! – daß man augenblicklich in mehr denn einer Bierstube des Städtchens kräftig über sie lachte. Und das war so gekommen.

Vor kurzem hatte sich ein junger Arzt – ein zweiter – in der Vaterstadt unserer Frau Verwalterin niedergelassen. Niemand wußte viel von ihm, er kam an, erwies sich als ein ansehnlicher Mann in den besten Heiratsjahren – so in denen, wo man anfängt, das Wirtshausessen und Wirtshaussitzen nicht mehr plaisierlich zu finden. Er nahm eine nette, geräumige Wohnung, schien also auch nicht unbemittelt zu sein und machte, wie es dem Neuling geziemt, seine Aufwartung bei allen Honoratioren des Städtchens – natürlich auch bei der Frau Verwalterin, die sich stark zu den ersten Persönlichkeiten ihres Wohnortes rechnete und allgemein dazu gerechnet und demgemäß „estimiert“ wurde. Die brave alte Dame konnte es angesichts dieses so entschiedenen Heiratskandidaten denn auch nicht lassen, ihm gleich bei der ersten Antrittsvisite einen lebhaften Vortrag darüber zu halten, wie gut und notwendig, ja, wie fast unumgänglich es sei, daß ein Arzt sich eine Frau nehme, und was für liebe, hübsche, wirtschaftlich erzogene Mädchen es in ihrem Kreise gäbe – kurz, sie winkte ihm so recht deutlich und recht anmutig mit dem Zaunspfahl.

Der Doktor hatte dazu sehr verständig und mit freundlich zustimmendem Lächeln von Zeit zu Zeit mit dem Kopfe genickt und beifällig gebrummt – kurz, sich äußerst vielversprechend gezeigt.

Da war die brave Frau Verwalterin denn die nächste Zeit hindurch vollauf beschäftigt gewesen, ihm Gelegenheit zu geben, mit ihren verschiedenen Lieblingen unter den jungen Mädchen bekannt zu werden. Sie hatte kleine Kaffeegesellschaften in ihrem behaglichen Gartenhäuschen gegeben und eigenhändig dazu die schönsten Plätzchen gebacken – die mürben, in denen ihr, wie sie wohl sagen durfte, niemand gleich kam. Sie hatte den Doktor immer wieder eingeladen und bald mit dieser, bald mit jener ihrer Auserwählten zusammengebracht. Er war auch jedesmal sehr vergnügt mit den jungen Fräulein gewesen, hatte Pfänderspiele gespielt und sich die Plätzchen und Theeschnittchen mit großem Verständnis wohlschmecken lassen, so daß die Frau Verwalterin hoffte, hier mal einen glänzenden Sieg zu feiern.

Da, am Ende der ersten vierzehn Tage, als sie die Hauptschlacht schlagen wollte, zu diesem besonderen Zwecke sogar eine kleine Tanzgesellschaft zu geben beschlossen hatte, da teilte ihr der Doktor mit, er könne leider nicht an dem beabsichtigten Feste teilnehmen, da er Besuch erwarte.

„Meine Frau und meine beiden kleinen Jungen kommen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 852. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_852.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2023)