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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895)

Gleichheitsgefühl seiner Mitbürger verletzen konnte. Von seinem ungeheuern Vermögen macht man sich einen Begriff, wenn man hört, daß Cosimo, als Venedig und Neapel gegen Florenz rüsteten, die feindlichen Staaten lahmlegte, indem er seine dort umlaufenden Gelder zurückzog und so durch eine einfache merkantilische Maßregel den Frieden erzwang.

Obgleich durch und durch Kaufmann und ganz in weitblickenden Unternehmungen lebend, hatte er doch die geistigen Güter als die höchsten erkannt und legte den Grund zu der berühmten mediceischen Kunst- und Büchersammlung. Selber ungelehrt, fand er im Umgang mit Gelehrten und Künstlern seine glücklichsten Stunden. Durch Gründung der Platonischen Akademie gab er kräftigen Anstoß zur Belebung der klassischen Studien, die, Hand in Hand mit den Künsten gehend, dem ganzen Jahrhundert seine wundersame Doppelphysiognomie von Gelehrtentum und jugendfrischer Schöpferkraft aufgeprägt haben.

Cosimo stärkte jedes Talent und förderte jede Kunst, doch entsprach seiner gebietenden Persönlichkeit am meisten die Architektur, die Lieblingskunst der Herrscher, die sich vor allen andern im Raume behauptet und den Triumph des Willens und Geistes über die Masse darstellt. Mit Brunellesco und Michelozzo, den beiden großen Baumeistern seiner Tage, lebte er in naher persönlicher Freundschaft und ein großer Teil der herrlichsten Bauten in und außerhalb Florenz ist eine Schöpfung Cosimos; auch ins Ausland, bis Paris, ja bis Jerusalem erstreckte sich seine Baulust. Der kolossale Aufwand, den er dafür machte, erregte seines noch großartigeren Enkels Lorenzo staunende Billigung.

Aber erst in Lorenzo erscheint die Absicht der Natur erreicht und die Höhe erklommen.

Haben seine Vorgänger sich mit zähen Wurzeln in dem heimischen Boden festgeklammert, so breitet Lorenzo tausend Aeste aus, auf denen die ganze Frühlingspracht der Renaissance mit ihrem berauschendsten Blütenduft und Vogelgeschmetter aufgeht. Unter ihm entfaltet sich ein Leben, das nur an der Blütezeit von Athen seinesgleichen hat.

Er wurde am 1. Januar 1449 als Sohn des tüchtigen, aber durch körperliche Gebrechen hintangehaltenen Piero de’ Medici und der geistvollen Lucrezia aus dem Hause Tornabuoni geboren. Er erhielt eine gelehrte Erziehung, die ihn zum gebildetsten unter den damals hochgebildeten Fürsten Italiens machte. Zugleich wurde er früh auf die Regentenlaufbahn vorbereitet und erwarb sich in den Geschäften des Hauses und des Staates den sichern Weltblick und die praktische Erfahrung. Die Gefährlichkeit des Lebens und die hohe Verantwortung, zu der jene außerordentlichen Menschen erzogen wurden, kürzten die Kindheit ab, und so ist es nicht auffallend, daß Lorenzo schon mit siebzehn Jahren als Abgesandter seines Vaters beim Papste und andern Souveränen die Interessen der Republik vertrat.

Zu den geistigen Vorzügen gesellten sich körperliche; er war über Mittelgröße, geschmeidig und kräftig, geübt in den Waffen, ein ausgezeichneter Reiter, auch Rossekenner und Jäger. Was ihm fehlte, war Regelmäßigkeit und Anmut der Gesichtsbildung, aber das geistige Leben seiner Züge machte alles gut: der rasche Witz, das tiefe Denken, der scharfe Blick über Menschen und Dinge hin. Durch die damalige Erziehung, die der äußeren Erscheinung so vorteilhaft war, wurde jeder Vorzug gehoben, jeder Mangel ausgeglichen. Von den Malern scheint keiner ihm völlig gerecht geworden zu sein, nur eine Maske in Marmor, von unbekannter Herkunft, die sich aber durch Einfachheit und Großheit als von Michelangelo stammend ausweist, giebt den ganzen Zauber wieder, den die unmittelbare Gegenwart ausgeströmt haben muß.

Nach denn Tode Pieros trat er als Einundzwanzigjähriger die Regierung an, ohne fürstliche Auszeichnung, doch als geborener Fürst und Herrscher. Wer auf seine Jugend gerechnet hatte, um durch ihn zu regieren, sah sich in der Erwartung getäuscht, denn Lorenzo nahm die Zügel fest in eigene Hände. Schon bei Pieros Lebzeiten hatte er Proben seiner Entschlossenheit gegeben, als er einen Handstreich der Gegenpartei, der auf den Untergang seiner Familie abzielte, durch rasches Eingreifen vereitelte. Unähnlich seinem Vater und Großvater, die sich vor allem bestrebt hatten, den Neid zu entwaffnen, entfaltete er die Pracht einer fürstlichen Haushaltung, und während er dem Namen nach nur der erste Bürger von Florenz war, verkehrte er auf gleichem Fuße mit den Potentaten Europas. Die fremden Fürstlichkeiten, die er als seine Gäste empfing, staunten über den Luxus edelster Art, über die unermeßlichen Schätze an Statuen, Gemälden, Vasen, Gemmen, Mosaiken, Miniaturen, Manuskripten, den Resten antiker Kunst, durch viele Jahre mit ungeheueren Kosten gesammelt, und den Werken der großen zeitgenössischen Meister, mit denen der Mediceische Palast in der Via Larga (heutigen Via Cavour) angefüllt war. Daneben schmeichelte er dem Schönheits- und Prachtsinn seiner Mitbürger durch Feste, Turniere und öffentliche Schaustellungen, deren Schilderungen jetzt wie die Märchen aus Tausend und einer Nacht anmuten.

Neben ihm stand Giuliano, sein um fünf Jahre jüngerer Bruder, mit dem ihn eine herzliche Neigung verband und der, wenn er sich an Vielseitigkeit der Begabung nicht mit Lorenzo messen konnte, ihn dagegen an Glanz der Erscheinung und an körperlichen Fertigkeiten weit übertraf. Was in Florenz durch Bildung und Geist, was durch Rang und Reichtum hervorragte, das sammelte sich um das mediceische Brüderpaar als den natürlichen Mittelpunkt. Ohne die republikanischen Formen zu verletzen, machte Lorenzo das ganze Staatsleben von seiner Person abhängig, so daß ihm zum Herrscher nichts fehlte als der Titel, nach welchem er niemals Verlangen trug.

Solche Machtstellung, wie sie nie ein florentinischer Bürger besessen hatte, erregte Verdruß und Neid. Man beschuldigte ihn, daß er der Tyrannis zustrebe; schon seine Heirat mit der Römerin Clarice Orsini aus dem mächtigen Baronengeschlecht hatte Anstoß erregt. Lorenzo mußte sich vorsehen, und indem er sich auf die niederen Klassen stützte, drückte er die großen Geschlechter, von denen ihm Gefahr drohte, zur völligen Einflußlosigkeit herab. Denn Ehrgeiz demütigte er durch geflissentliche Zurücksetzung und steigerte so die Unzufriedenheit, die in ihrem Schoß eine furchtbare Katastrophe zeitigte.

Unter den reichen Familien, die von alters her mit den Medici an Macht und Ansehen rivalisierten, war die der Pazzi eine der hervorragendsten. Der alte Menschenkenner Cosimo hatte den drohenden Konflikt vorausgesehen und ihn zu verhüten gesucht, indem er seine Enkelin Bianca, Lorenzos Schwester, mit Guglielmo de’ Pazzi vermählte; aber dieses Band war nicht stark genug, die Interessen der beiden Familien fest zu verknüpfen. Lorenzo verkehrte zwar auf dem Fuße verwandtschaftlicher Zuneigung mit Guglielmo und dessen Brüdern, aber er gönnte ihnen keinen Anteil an den Staatsgeschäften, zu denen sich jeder vornehme Florentiner durch die Geburt berechtigt glaubte. Die Pazzi zahlten ihm mit gleicher Münze zurück uud durchkreuzten, wo sie konnten, seine politischen Pläne. Vergebens suchte Giuliano, der die mildere Gemütsart des Vaters geerbt hatte, versöhnlich zu wirken, die Gegensätze spitzten sich immer schärfer zu. Ein ungerechtes Gesetz, durch welches die Pazzi einer ungeheuren ihnen zukommenden Erbschaft verlustig gingen, soll den heimlich wühlenden Haß vor allem genährt haben.

Guglielmos Bruder, der ehrgeizige und heißblütige Francesco de’ Pazzi, hielt sich infolge dieser ihm unleidlichen Verhältnisse von der Vaterstadt fern und trat in Rom, wo er einem großen Bankhaus vorstand, in nahe Beziehungen zu dem Grafen Riario, einem Neffen des Papstes. Dieser, durch den Papst mit den Herrschaften von Imola und Forli beschenkt, hegte seit lange Grenzerweiterungsgelüste, sah sich aber durch Lorenzos politisches Gleichgewichtssystem auf allen Seiten im Schach gehalten. Deshalb sann er darauf, die Herrschaft der Medici in Florenz zu stürzen, und fand an Francesco de’ Pazzi einen willigen Helfer. Ihnen schloß sich ein anderer erbitterter Gegner Lorenzos an, Francesco Salviati, der vom Papste gegen den Willen der Florentiner zum Erzbischof von Pisa ernannt, aber von diesen drei Jahre lang an der Ausübung seines Amtes verhindert worden war. Auch er saß grollend in Rom und wartete nur auf eine Gelegenheit, um sich an Lorenzo, in dem er die Verkörperung der florentinischen Politik erblickte, zu rächen.

Zunächst galt es, sich der Zustimmung des Papstes zu dem Attentat zu versichern. Dem turbulenten Sixtus IV., der immer bemüht war, aus den kleinen schutzlosen Staaten der Romagna unabhängige Fürstentümer für seine Verwandten zurecht zu schneiden, konnte ein Nachbar wie Lorenzo nicht behagen, dessen Vorsicht ihm allenthalben Riegel vorschob. Persönliche Zerwürfnisse waren noch in den letzten Jahren hinzugetreten uud hatten den Papst, der anfangs ein Gönner der Medici gewesen, so gegen Lorenzo in Harnisch gebracht, daß Graf Riario leichtes Spiel mit ihm hatte. Augenscheinlich hoffte man vermittelst der Pazzi sich der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1895). Leipzig: Ernst Keil, 1895, Seite 850. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1895)_850.jpg&oldid=- (Version vom 28.5.2023)